Wenn unser Gesundheitssystem ein Mensch wäre, dann wäre es ein Zombie. Mit schwelenden Wunden, die nicht mehr heilen, weil die Ursachen dieses brachialen Zustands Bestand haben dürfen.
Und die Politik… schaut zu.
Es scheint egal, ob eine Pandemie die Pflegenden beutelt oder, ob wir das Klatschen von Balkonen als groteske Abwertung verstehen, weil wir trotzdem so bezahlt werden, wie wir momentan bezahlt werden. In den letzten zwanzig Jahren beobachtete ich einen schleichenden Prozess. Des Verfalls.
Ich rede nicht davon, dass privatisierte Krankenhäuser keinen Kuchen zur Kaffeezeit mehr servieren. Der stimmungsaufhellende Thunfischsalat wurde auch abgeschafft by the way.
Aber ja, würde im Gesundheitssektor nur am Essen gespart werden, könnte man einen Klinikaufenthalt vielleicht als Fastenkur mit kompetenter Betreuung zur ganzheitlichen Verbesserung des körperlichen Ist-Zustands deklarieren.
Doch das Ding ist, dass Menschen, richtige echte Menschen, die deine Oma sein könnten oder dein eigener Vater, der gestern einen schweren Herzinfarkt erlitt, dass diese realen und geliebten Personen Opfer werden. Opfer des Mangels nachkommender qualifizierter Pflegefachkräfte. Und das ist fatal.
Unter den gegebenen Umständen fährt das System an die Wand. Stell dir vor, du hast die Wahl: Studium oder Ausbildung? Wer möchte monatlich drei Wochenenden durcharbeiten? Wer hält den unregelmäßigen Schicht- und Nachtdiensten, in denen man ja mal versuchen kann, einen Familienalltag auf die Beine zu stellen, bis zur Rente stand? Dazu kommen unvorhersehbare Dienstplanänderungen, weil Kolleg:innen wieder und wieder erkranken und ausfallen. Aus gutem Grund. Wer fängt das auf? Wer kann von der klinikinternen Vermittlung aus dem Pflegepool vermittelt werden, wenn keine zu Vermittelnden mehr da sind?
Eine Möglichkeit, das komplexe Berufsbild in ein komplett neues Licht zu bringen, ist es, die Bezahlung und am besten noch die Berufsbezeichnung radikal aufzuwerten. Ein völlig neues Branding muss her, und zwar ein dauerhaftes. Da alle Menschen sich, um bestimmte Tätigkeiten ausführen zu können, mit bestimmten Rollenbildern identifizieren müssen, wäre es absolut sinnvoll, dem außenwirkenden Portfolio des dringend benötigten Fachpersonals in Deutschland Rechnung zu tragen. Dafür ist es nötig, den gesellschaftlichen Stand im angestrebten oder ausgeübten Pflegejob so zu honorieren und dies unangetastet zu gewährleisten. Weil es verdient ist. Und weil es sozial ist.
Warum gibt sich nicht endlich eine politische Instanz einen Ruck und ändert etwas Grundlegendes? Etwas, das für Furore sorgt und nachhaltig eine deutlich bessere Versorgung unserer gesamten Gesellschaft in Krankenhäusern zur Folge hat. Dies hätte einen kolossal langanhaltenden Freudenschrei in allen Ebenen zur Folge. Weil es eben nicht nur um Geld geht, sondern um Menschen. Auf jedem Werbeträger steht es und dies sollte hinter den verschlossenen Türen auch so gelebt werden.
Merkt denn niemand, dass hochqualifizierte und einst motivierte Fachkräfte dem Berufsstand den Rücken kehren? Kapiert keine:r, dass es fünf vor Zwölf ist und es einer epochalen Veränderung der momentanen Ausgangssituation bedarf, um diesen Zustand zu ändern? Weil nicht ausreichend Menschen diesen Job machen möchten.
Ein Patient sagte mal zu mir: „Ich habe Millionen auf dem Konto. Ich verstehe nicht, wie sie diesen Job machen können. Noch dazu bei dem Verdienst.“ Ich sagte: „Hm, da fragt man sich wirklich, was das für Menschen sind, die es dann trotzdem machen.“
Aus politischen Fehlentscheidungen wird stets ein gesellschaftliches Ungleichgewicht entstehen. Hier geht es schlicht und ergreifend darum, dass man Respekt in Form von Geld entgegenbringt. Ich schreibe dies, weil ich meine Stunden bereits auf ein absolutes Minimum beschränkt habe und trotz Liebe zum Beruf eine Lösung dafür kreiert habe, ganz aufzuhören.
Dieser Text erschien zuerst auf DIEVERPEILTE.
Illustration: Teresa Vollmuth

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Autor:innen
Ist seit 2021 Redakteurin & Lektorin bei DIEVERPEILTE. Arbeitet in einer onkologischen Tagesklinik und veröffentlichte 2020 ihr erstes Buch. Ihre Themenschwerpunkte sind Gesellschaft und Bewusstsein.