Der leidige Paragraf 219a soll nun endlich abgeschafft werden, hat die neue Bundesregierung entschieden. Wer sich erinnert: Unter dem Paragrafen 219a wird Werbung zum Abbruch der Schwangerschaft bestraft. Nur Ärzt:innen oder vom Gesetz anerkannte Beratungsstellen dürfen darüber informieren, wo Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen werden und welche Ärzt:innen sie durchführen. Das Problem daran ist, dass bereits reine Informationen über die Tatsache, dass Abbrüche vorgenommen werden sowie über die Aufklärung der Methoden auf Webseiten von Ärzt:innen unter diesem Paragrafen als Werbung gelten.

Für mich persönlich war es immer unbegreiflich, wie Informationen über Schwangerschaftsabbrüche als Werbung angesehen werden können. Werbung ist für mich ein nicer Slogan, der anlocken soll, à la: „Komfortabler Schwangerschaftsabbruch – fühl dich leicht“ oder ein nettes Bild mit zwei Frauen, die lachend mit einem Glas Sekt anstoßen, nachdem sie abgetrieben haben. Wollen wir ehrlich sein, das ist wahrscheinlich das, was konservative Abtreibungsgegner:innen in den Informationen gesehen haben. 

Im Jahr 2021 hat nun auch endlich die Bundesregierung eingesehen, dass das Schmarrn ist. Aber halt auch erst die Ampel. Von schwarz hätten wir das nicht erwarten können und daraus macht die Alt-Herren-Partei auch keinen Heel. 

Ich denke an die Ärztin Kristina Hänel, die zwei Mal angezeigt wurde, weil  Informationen über Schwangerschaftsabbrüche auf ihrer Website für Gegner:innen als Werbung angeprangert wurden. Ich freue mich natürlich, dass der Kampf endlich ein Ende hat und dieser unsinnige Paragraf bald der Vergangenheit angehört, aber so richtig befriedigt fühle ich mich nicht. 

Es fühlt sich nicht wie ein großer Triumph an. Seit Jahren kämpfen Frauen unermüdlich dafür, dass der leidige Paragraf abgeschafft wird. Und nicht nur gegen ihn, sondern auch gegen den Paragrafen 218, der sich weiterhin wacker im Strafgesetzbuch hält. Unter diesem sind Schwangerschaftsabbrüche sogar strafbar. Beispielsweise ist es verboten eine Schwangerschaft abzubrechen, wenn die schwangere Frau nicht vorher eine Beratungsstelle aufgesucht hat und danach nicht drei Tage wartet, bevor sie den Abbruch durchführen lässt. Aber diesen abzuschaffen ist wahrscheinlich für die Frischlinge der Ampel doch noch too much. Immerhin haben sie auch nur gerade so gewonnen.

Als Konsequenz hat die CDU auch nur knapp verloren. An Triumph ist also nicht zu denken, eher an „Glück gehabt“. Ich und alle anderen Frauen in Deutschland haben mit unserem Recht auf Informationen bezüglich unserer Gesundheit GLÜCK gehabt. Glück hatten wir, dass Angela Merkel abgetreten ist. Dass Laschet sich einen Lacher bei der Flutkatastrophe nicht verkneifen konnte – das hat ihm nämlich vermutlich einige Stimmen gekostet. Glück hatten wir, dass nun eine „nicht so konservative“ Koalition die Merkel-Dynastie abgelöst hat und dass obwohl Olaf Scholz als Kanzlerkandidat aufgestellt wurde. 

Diese Entscheidung, den Paragrafen abzuschaffen, fühlt sich an wie die Ruhe vor dem Sturm. Wie Kämpfer:innen in einer Schlacht, die sich nur verziehen, um sich bessere Waffen zu besorgen. In diesem Fall besorgt sich die CDU jetzt bessere Waffen. So lang können wir chillen und uns alle Informationen zu Schwangerschaftsabbrüchen durchlesen, die wir kriegen können. Am besten gleich ausdrucken und abheften, damit wir – nur für den Fall der Fälle, dass die CDU Laschet den Laufpass gibt und mit einem krasseren Typen auftrumpft und gewinnt – immer Informationen zur Hand haben, die für unsere Gesundheit und Eigenverantwortung wichtig sind. Holt euch schon mal einen schicken Aktenordner Ladys, mit einem Index und haltet euch die Spalte Sch frei. 

Und während sich die CDU neue Waffen besorgt, sollten wir das vielleicht auch tun. Sonst müssen wir irgendwann unsere Informationen in Hinterzimmern von Fleischereien verkaufen, dort, wo sie dann auch unsere Schwangerschaftsabbrüche durchführen. 

Illustration: Laura Sistig

Dieser Text erschien zuerst auf DIEVERPEILTE.

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War bis Juli 2022 Redakteurin bei DIEVERPEILTE. Hat Geisteswissenschaften mit Fokus auf Indien an der Universität Hamburg studiert. Themenschwerpunkte sind Gesellschaftspolitik und feministische Themen.

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