Es ist morgens. Mein Wecker klingelt. Aus dem Schlaf gerissen schrecke ich auf. Meine Augen sind immer noch schwer und kleben zusammen. Ich versuche sie zu reiben, um sie aufzubekommen. Auf einmal schmerzt mein ganzes Gesicht. Alles ist druckempfindlich. Was sich für manche jetzt vielleicht wie der Beginn einer Horrorstory anhört, ist für einen Großteil der Teenager und für ein Fünftel aller Erwachsenen Alltag: Akne.
Meine Aknegeschichte startete zwar schon relativ früh, der jetzige Zustand ist allerdings erst vor zwei Jahren aufgetreten. Aber von vorne: mit ungefähr 14 oder 15 begann sich meine Haut zu verändern. Ich bekam überall kleine dunkle Mitesser. Zunächst in der berüchtigten T-Zone, später auch auf dem gesamten Dekolleté und meinem oberen Rücken. Für ein unsicheres, pubertierendes Mädchen war das der blanke Horror. Ich versuchte es so gut, wie es ging zu verstecken. Jegliches Anti-Pickel-Mittel aus der Drogerie wurde getestet und meine Eltern versuchten an Wochenenden alles zu reinigen. Nichts funktionierte wirklich. Vieles machte es sogar nur schlimmer.
Als ich mit 16 das erste Mal zur Frauenärztin ging, war ich daher äußerst angetan, als diese mir erzählte, dass ich eine Pille nehmen könnte, welche gleichzeitig meine Haut besser macht. Ohne lange zu überlegen, schluckte ich täglich mein Pillchen und ich will nicht lügen: Meine Haut war perfekt! Keine vergrößerten Poren, keine Mitesser und erst recht keine Pickel. Wie froh wäre ich, wenn die Geschichte hier zu Ende wäre.
Nach ungefähr zwei Jahren, ich kam langsam aus der Pubertät raus, fing meine Haut wieder an, schlechter zu werden, trotz Pille. Anstatt zu Hautärzten zu gehen und mir professionelle Hilfe zu holen, entschied ich mich dafür, zu meinem Frauenarzt zu gehen und mir eine stärkere Pille verschreiben zu lassen. Ja, ich dachte damals wirklich, dass das die richtige Entscheidung war.
Die Jahre vergingen und meine Haut war immer in einem guten Zustand, allerdings nie mehr so gut wie damals, als ich begann, die Pille zu nehmen. Immer häufiger neigte ich dazu, dass meine Haut ausbrach, und immer häufiger bekam ich tief sitzende, schmerzende Unreinheiten.
Als ich 21 war, entschied ich mich dann aus mehreren Gründen, die Pille anzusetzen. Diese Entscheidung fiel mir allerdings alles andere als leicht, denn ich wusste, was auf mich zukommen könnte. Ich wusste, dass meine Haut mindestens genauso schlecht werden könnte, wie mit 15.
Wie schön wäre es gewesen, wenn es so glimpflich verlaufen wäre.
Die ersten sechs Monate blieb meine Haut fast unverändert. Ich konnte schon eine allgemeine „Verschlechterung“ feststellen, allerdings war für mich immer noch alles okay. Ich erinnere mich noch daran, wie ich dachte, „Wow, du hast echt Glück gehabt! Wenn das, der schlimmste Zustand ist, dann lief ja alles easy.“ Aber als hätte die Akne nur darauf gewartet, dass ich mich in Sicherheit wiege, überrumpelte sie mich kurz darauf.
Es begann damit, dass aus zwei oder drei größeren Pickeln, fünf bis zehn wurden. Diese saßen dann auch gerne mal über Wochen in meinem Gesicht. Mein erster Instinkt war es immer daran rumzudrücken, Hauptsache die Dinger gehen weg. Allerdings kamen mit jeder „ausgedrückten“ Unreinheit, mehrere neue dazu. Ich erinnere mich noch daran, wie ich angefangen habe meine Pickel zu zählen, um zu vergleichen, ob es besser oder schlechter wurde. Ab einem gewissen Punkt konnte man es nicht mehr zählen.
Mit 22 war meine Haut dann so schlecht, wie ich es mir niemals hätte vorstellen können. Mein ganzes Gesicht war überseht mit roten, entzündeten Hügeln. Jede Berührung tat weh. Am schlimmsten war für mich immer meine Gesichtsreinigung. Denn es tat nicht einfach nur höllisch weh, nein, jedes Mal wieder wurde mir aufs Neue bewusst, dass mein ganzes Gesicht überseht ist mit Pusteln. Ich sah es und ich fühlte es.
Das war auch die Zeit, in welcher es begann, dass ich mich oft schämte, wenn ich das Haus verließ. Bei jeder Begegnung mit Menschen, jede Unterhaltung, immer hatte ich das Gefühl, dass meine Akne angestarrt wird. Ich hatte das Gefühl, dass die Leute sich vor mir ekeln – weil ich mich vor mir ekelte. Mein Selbstbewusstsein war im Keller und ich konnte nichts anderes mehr an mir sehen, außer meine Unreinheiten im Gesicht. Ich versuchte sie abzudecken, was mir nicht sonderlich gut gelang. Durch das Make-up wurde es teilweise schlimmer, also ließ ich es wieder sein, um mich dann wieder zu schämen und es wieder abzudecken … Ihr seht schon, es ist ein Teufelskreis.
Niemand in meinem Leben hat mir jemals gesagt, dass ich eklig oder hässlich bin. Ich habe auch Personen, welche ebenfalls Akne haben, nie als unschön angesehen. Aber das spielte bei meiner Selbstwahrnehmung leider keine Rolle. Jahrelang sieht man Werbungen mit Personen, welche strahlend reine Haut haben. Es wird suggeriert, dass Unreinheiten oder auch Akne etwas ist, was bekämpft werden muss. „Du hast heute Abend ein Date, aber natürlich muss genau heute ein Pickel erscheinen? Hier unser 4- Stunden-Pickel-weg-Stift!“. So etwas ist immer ein Schlag ins Gesicht für Betroffene.
Was ist so schlimm daran, wenn ich Pickel habe, aber zu einem Date gehe? Was ändert es? Bin ich dadurch weniger wert?
All das sind Fragen, die einem irgendwann nicht mehr aus dem Kopf gehen. Ich bewundere alle Personen, die trotz ihrer Unsicherheiten, ihre Akne mit Stolz tragen – denn ich konnte es nicht.
Nach weiteren zahlreichen Versuchen, meine Haut mit irgendwelchen Mittelchen und Produkten in den Griff zu bekommen – von denen natürlich kein einziges funktioniert hat – entschied ich mich dazu, zur Hautärztin zu gehen. Nachdem auch Cremes und Salben aus der Apotheke nichts bei mir bewirkt haben, empfahl sie mir ein Medikament namens „Aknenormin“ mit dem Wirkstoff „Isotretinoin“, welches bei 90 Prozent aller Anwender:innen so gut funktionieren soll, dass deren Akne nach einem Behandlungsintervall weg sein soll. Allerdings können während der Behandlung heftige Nebenwirkungen auftreten und es muss sogar mindestens einmal im Monat Blut genommen werden, um zu checken, ob das Medikament weitergenommen werden darf. Eine Schwangerschaft muss während der gesamten Behandlungsdauer ausgeschlossen werden. Rissige, blutige Lippen sind laut Online-Foren noch das geringste Übel. Trotzdessen entschied ich mich FÜR die Behandlung und ab hier beginnt meine Isotretinoin-Reise.
Fortsetzung folgt.
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Autor:innen
Seit 2020 Redakteurin bei DIEVERPEILTE. Hat Kommunikationswissenschaften studiert und machte 2022 ihren Master in Journalismus. Themenschwerpunkte sind Gesellschaftspolitik, Mental Health und Musik.