Warnung: Dieser Text enthält Schilderungen von Drogenmissbrauch.

“I thought that love was in the drugs. But the more I took, the more it took away. And I could never get enough.” Es sind diese Zeilen des Songs Hunger von Florence & the Machine, die mich triggern. Mich kurz innehalten lassen. Ich höre den Track noch mal. Und noch mal. Und jedes Mal bei genau 1:45 bleib ich stehen und frage mich: „Florence hat die Liebe in den Drogen gesucht, was suche ich in ihnen?”

“Die Maschine”, so wurde ich früher oft genannt. Ich fand das witzig. Wenn ich jetzt darüber nachdenke, eher bedenklich. Woher der Name kam? Ich war extrem leistungsfähig. Pausen kannte ich nicht. Während meines Studiums hatte ich drei Jobs, teilweise gleichzeitig. An den Wochenenden habe ich weder geschlafen noch gegessen und war meist die Letzte, die sonntagmorgens die Tanzfläche verließ. Meine Noten waren gut. Ich hatte genügend Geld, um mit meinen 500 Euro Prada-Schuhen durch die Stadt zu stolzieren und ich war zumindest in meiner Welt das Herz einer jeden Party. Doch um so funktionieren zu können, habe ich mich mit dem Teufel eingelassen. Sein Name: Amphetamin.

Fünf Jahre sind es bald, in denen ich mir fast jedes Wochenende so viel Pepp durch die Nase ziehe, dass es ein Wunder ist, dass meine zwei Nasenlöcher mittlerweile nicht zu einem Einzigen fusionierten. Feiern ohne Speed? Dann bleib ich lieber alleine Zuhause. Vor Prüfungsphasen extra viel Stoff bei meinem Dealer holen, damit ich die Nächte durch lernen kann? Meine Normalität. Sogar vor dem Sport habe ich geballert, um leistungsfähiger zu sein. Bei meinem Job in der Gastronomie immer wieder aufs Klo gehen und mir eine Line gönnen? Klar, eine ist ja bekanntlich keine. Ob ich deswegen ein Drogenproblem habe? Ach quatsch, solange ich alles im Griff habe, passt doch alles. Oder?

Meiner Familie und meinen Freunden zeigte ich natürlich nur die glänzende Seite der Münze. Was viele nicht sahen, war, wie sich mein Dopamin sonntagabends langsam aus dem Staub machte und die Flamme in mir ausging. Zurück blieb eine leere Hülle, die keine Emotionen mehr empfinden konnte. Oft wollte ich weinen, doch nicht mal die Traurigkeit konnte sich durch meinen benebelten Geist nach oben kämpfen. Du zahlst für alles einen Preis. Den Preis, den ich zahlte, war ein hoher – ein Stück meiner Seele. Das Chaos, welches ich in meinem Inneren auslöste, zeigte sich bald auch im Außen. Akne, starke Gewichtsschwankungen, Heißhunger, Appetitlosigkeit, ständige Mandelentzündungen und Fieberschübe. Eine Gürtelrose ausgelöst durch extremen Stress mit 18 (eine Krankheit, die meist erst in einem Alter ab 40 Jahren auftritt), chronische Müdigkeit und Erschöpfungszustände, Konzentrationsstörungen … Ja, die Liste ist verdammt lange. Durch all diese Symptome schrie mein Körper mich ganz offensichtlich an: “BITTE HÖR AUF MIR SO WEH ZU TUN!”. “Jetzt stell dich mal nicht so an!”, war meine trotzige Antwort, während ich schon mein Röhrchen zückte, um mich wieder hinauf zu katapultieren.

Der Drogenkonsum ist in meinem Freundschaftskreis so fest verankert wie Alkohol oder Zigaretten. Es gehört einfach dazu, dass man sich am Freitag trifft und eine Line nach der anderen nimmt. Manchmal erschreckt es mich, mit welcher Selbstverständlichkeit meine Freund:innen und ich diese Substanzen konsumieren. “Mit 30 höre ich auf, dann werde ich brav.” Diesen Satz habe ich von den meisten schon mal gehört. Als würde eine Zahl das Ende einer langjährigen Sucht implizieren. Ich glaube, es ist grotesk anzunehmen, dass sich mit 30 alles ändern wird. Als würden wir dann plötzlich alle mit unseren Partnern Last-Minute vor den Traualtar sprinten, uns ein Haus im Grünen kaufen, den Braten in die Röhre schieben und so tun, als hätte es die Drogen nie gegeben. Ich weiß nicht, wie die Zukunft aussieht, so vermutlich nicht.

Aber zurück zu Florence. Ob ich die Liebe in den Drogen gesucht habe? Ich glaube nicht. Nicht direkt zumindest. Ich habe nicht die Liebe gesucht, ganz im Gegenteil, ich wollte gar nichts fühlen. Wollte Herrin über meine Emotionen sein. Eiskalt. Eine Maschine. Stark. Nicht verweichlicht und schwach. Wenn ich ganz tief in mich hinein höre, dann mache ich es, weil ich mich nach Anerkennung sehne. Ich will gesehen werden für meine Leistungen. Brillieren, egal wo und wie. Mein Ego schreit danach wie ein frisch Geborenes nach dem ersten Tropfen Muttermilch. Ganz sicher bin ich mir dabei aber nicht.

Es ist wohl so wie Florence singt: We all have a hunger. Wonach und wie du diesen Hunger in dir befriedigst frag dich lieber zweimal. Amphetamin hat mich zumindest nicht satt gemacht. 

*Du brauchst Hilfe? Der Drogennotdienst ist eine überregionale Suchtberatungsstelle für drogenkonsumierende Jugendliche und Erwachsene sowie Angehörige und Multiplikatoren, hat an 365 Tagen im Jahr geöffnet und ist 24h unter der Drogenhotline 030/19237 zu erreichen. Die Beratung erfolgt mit und ohne Termin, auch in Krisensituationen.

Dieser Text erschien zuerst auf DIEVERPEILTE .

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