Du klopfst nicht. Bei offenen Türen trittst du ein. Ich bin Gastfreund und habe dir ein Festmahl bereitet. Du dagegen ziehst dir nicht mal die Schuhe aus, obwohl ich frisch gewischt hatte. Kannst du nicht wissen, klar, aber fragen könntest du. Stattdessen isst du mir das Beste weg und reibst dir danach den vollen Bauch. Dann sitzt du mit Dreck am Stecken auf meiner Couch. Du machst dich breit und ich erkenne dich

– irgendwie nicht wieder.

Ich erkenne, dass du vielleicht doch anders bist als die Person, mit der ich immer prahle. Der Mensch, für den ich dich halten wollte, ist gestorben oder nie geboren.

Wie bizarr, wenn Illusion und Wirklichkeit so verschwimmen, dass das Offensichtliche nicht mehr zu fassen scheint.

Der Schreck und die plötzliche Ahnung, dass alles ganz anders ist als angenommen, halten mich fest, wie ich so dasitze. So sitzen wir die Zeit satt ab. Sonst gibt es nichts zu sagen. Zu begreifen, lässt mich schwitzen. Im glühenden Raum bleibst du ungerührt, kalt. Nicht mal die Couch knarrt, um unser Schweigen zu durchbrechen. Endloses Abwarten, bis ich fast verglühe. Zu lange hält diese schreiende Stille an. Erst das Ächzen der Couch holt mich zurück, als du dich erhebst.

Sobald du weg bist, fege ich den Dreck auf, den du hinterlassen hast, beziehe ich deine Couch neu, damit es wieder meine sein kann. Selbst in Geschirr und Boden bist du nicht mehr zu lesen.

Fast wäre keine Spur von deinem Besuch mehr zu finden, könnte man nicht in meinen aufgekratzten Augen alles sehen. Der Gestank meines Schweißes steht im kalten Raum. Die Zeit hat ihren Rhythmus noch nicht wiedergefunden. Man merkt dich mir an.

Aufräumen beseitigt dich, aber nicht meinen Irrtum. Seit du da warst, blieb er hier.

Autorin: Jimmy Bosch
Illustration: Rosa Gürtler

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