Warnung: Dieser Text enthält Schilderungen einer Depression.

Liebes depressives Ich,

ich weiß, dass gerade alles schwer ist – dir schwerfällt. 
Alleine das Aufstehen ist ein Kampf, den du nicht gewinnen kannst. Das verstehe ich. 
Es ist ganz normal, wenn du keinen Hunger hast – oder diesen nicht stillen kannst. 

Während sich im Bad eine Gebirgskette aus dreckiger Wäsche bildet,
kann das schmutzige Geschirr in der Küche mit den Wolkenkratzern New Yorks mithalten. 
Es ist einfach zu anstrengend, sich darum zu kümmern. 

Ich weiß auch, dass deine Essenskreationen in dieser Zeit alles andere als sterneverdächtig sind. Aufgewärmter Tiefkühlspinat am Morgen vertreibt Kummer und Sorgen – oder so ähnlich. Aber das ist okay. Hauptsache du isst was!

Ich weiß, dass du müde sein wirst. Extrem müde. Trotzdem kannst du abends nicht einschlafen, weil du dir Sorgen machst. Sorgen über deine Zukunft. Sorgen um deine Familie. Deine Beziehungen. Seien es platonische oder romantische. Wenn es nach deinem Kopf geht, wird alles schief laufen.

Auch wenn du nachts nicht schlafen kannst, wirst du tagsüber nicht genug bekommen können. Du würdest am liebsten den ganzen Tag verschlafen. Nicht selten startet dein Tag erst gegen elf.
Pass aber auf, dass du nicht zu viel schläfst. Das zieht dich nur noch mehr in die Abwärtsspirale.

Nimm dir Zeit für dich! Ja, du hast Verpflichtungen und denen solltest du auch nachgehen. Aber nicht sofort. Nicht direkt. Gönn dir auch mal einen Tag, an dem du wirklich gar nichts machst –
und wenn aus einem Tag eine Woche wird, ist das auch kein Problem.

Ich weiß, dass du vor der Dusche stehen wirst und mit dir ringst. Du weißt, dass du reinspringen solltest. Aber das ist es dir nicht wert. Du bist es dir nicht wert. Es kann also gut und gerne mal passieren, dass vier ungeduschte Wochen verstreichen – und das, obwohl du jeden Tag darüber nachdenkst.

Dein vibrierendes Handy wird dich unter Druck setzen. Jede aufploppende Mitteilung verstärkt es.
Du willst antworten, aber irgendwas macht es dir gleichzeitig unmöglich. 
Lass’ die Nachrichten ungelesen, bis du dich bereit fühlt – wahre Freund:innen verstehen das. 

Ich würde dir den Schmerz, den du verspürst, gerne abnehmen. Aber das kann ich nur bedingt.
Was ich aber kann, ist, dir Tipps und Hinweise geben, wie du es besser durchstehst.
Denn auch diese schwere depressive Episode wird irgendwann vorüber sein.

Zwing dich nicht zu irgendwas! Das macht alles schlimmer, den Druck größer und deine Depressionen heftiger. Ich spreche aus Erfahrung! Verbring Zeit mit Aktivitäten, die dir Spaß machen. Ich weiß, dass du teilweise keine Freude mehr verspüren kannst, aber gib‘ nicht auf.

Wie wäre es zum Beispiel mit einer deiner Lieblingsserien? Dazu ein paar Snacks. Oder eines der Bücher, die du angefangen, aber nie beendet hast. Aber auch hier gilt: stress dich nicht! Mach, worauf du Bock hast – und wenn du auf nichts Lust hast, dann ist das so.

Auch wenn es dir schwerfällt. Auch wenn du denkst, dass du es dir nicht wert bist: Hüpf in die Dusche. Du wirst dich gut danach fühlen. Zumindest besser, da es dich ein bisschen mit Energie füllen wird. Wenn du doch mal keine Kraft dazu hast, dann nimm eines der Feuchttücher. Ich weiß … nicht so gut für die Umwelt. Dafür aber für dein physisches und psychisches Wohlbefinden.

Ich weiß, dass mir all diese Tipps gerade sehr einfach von den Fingern gehen. Dass sich alles einfach anhört, bis der Moment gekommen ist. Deswegen gibt es eigentlich nur eins, was ich noch sagen kann:

Es wird vorbei gehen. Auch wenn es unendlich wirkt, es geht vorbei. Ist es bis jetzt immer.
Manchmal hat es länger gedauert, manchmal ging es schneller. Du sollst nur wissen, dass ich stolz auf dich und deine Fortschritte bin. Du siehst es vielleicht gerade nicht, aber du hast schon so viel geschafft. Allein, dass du noch da bist, ist ein großer Schritt. Das weiß ich und auch du wirst es irgendwann wissen.

Wenn du an Depressionen leidest oder es dir ähnlich ergeht, dann findest du hier Hilfe und/oder eine Beratung:

Telefonseelsorge:
(0800) 111 0 111 oder (0800) 111 0 222.

Dieser Text erschien zuerst auf DIEVERPEILTE.
Illustration: Viktoria Orlinsky

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