Ehrlich gesagt, hielt ich Kopenhagen anfangs für eine richtig langweilige Stadt. Bis ich auf die Freistadt Christiania traf; die Vibes dort änderten meine Meinung. Eigentlich war ich auf dem Weg zum Meer. Ich war schon fast da, total verschwitzt vom Radeln. Auf einmal lockten mich einige Graffitis an. Ich stieg von meinem Fahrrad und schaute sie mir an. Zuerst dachte ich, dass es sich um ein verlassenes Industriegebiet handelte. Als ich weiter hinein ging, entdeckte ich jedoch eine kleines Paradis.

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Und siehe da, auf einmal landete ich in einer Hippie-Kolonie. Ein friedliches Zusammenleben, wo jeder seinen Teil für die Gemeinschaft beiträgt. Als ich mein Fahrrad abstellte, traf ich auf einen alten Kerl namens Albert. Ich fragte ihn, wo ich am besten Gras kaufen könne; denn Christiania ist in Kopenhagen allgemein dafür bekannt, dass man dort fündig wird. Zuerst wollte er mir eine Führung für 350 Kronen andrehen, umgerechnet sind das ca. 50 Euro. Ich lachte ihn aus und fing an ihm Fragen zu stellen. Da nahm er mich unter seine Fittiche. Wir gingen an einen Stand, und ich kaufte mir was zu rauchen. Dann setzen wir uns in eine Art Biergarten, wo einige Locals abhängten. Dort wurde Kaffee getrunken, gegessen und hin und wieder auch gepafft. Sie erzählten mir einiges über den Ort und seine Geschichte. Wie Albert vor über 20 Jahren nach Christiana gelangte, denn ursprünglich kommt er aus den Staaten. Irgendwann war ich total breit, das Gras war wirklich stark. Doch im Vergleich zu Alberts Joint, war meiner ein Witz.

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Ihren Ursprung hat die Freistadt in den 70er Jahren. Das ehemalige Militärgelände mitten in der dänischen Hauptstadt wurde vor 49 Jahren besetzt und ist seitdem eine autonome Siedlung mit rund 800 Bewohnern. Damals wollten die Anwohner in erster Linie neue Flächen erobern, auf denen ihre Kinder spielen konnten, denn in Kopenhagen herrschte Platzmangel. Immer mehr Leute verschlug es in den letzten Jahren hierher und viele sind bis heute geblieben. Doch im Laufe der Jahre veränderte sich Christiania. Die Gemeinde ist zu einem beliebten Ort für Drogentourismus geworden – so hörte auch ich zum ersten Mal von diesem Phänomen. Albert berichtete mir von der ständigen Anspannung in der Gemeinde und regelmäßigen Polizeikontrollen. Er sprach von Konflikten, die sie über die Jahre verteilt mit Alkoholikern und Junkies hatten. Aus diesem Grund beschloßen die Mitglieder, einzelne Aufenthaltsorte der Gemeinde zu alkoholfreien Zonen zu erklären. An dem Platz, an dem wir saßen, wird beispielsweise kein Alkohol geduldet. Kiffen ist ok. Für den Konsum von Alkohol darf man sich jedoch an anderen Flecken aufhalten. Etwas später liefen wir daran vorbei, der Unterschied war deutlich zu sehen. So friedlich, wie die Menschen, mit denen wir zuvor zusammensaßen, wirkten dieser Part nicht auf mich. Doch trotz einiger Probleme aus Vergangenheit und Gegenwart, begrüßt das autonome Stadtgebiet weiterhin alle Alternativen, Hippies und Aussteiger mit seiner Flagge.

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Foto: kindamtellerrand

Nicht nur in Kopenhagen ist die Gemeinde aktiv. Seit 2013 fliegt die Non-Profit-Organisation Make Life Skate Life regelmäßig um die Welt, wie nach Rio de Janeiro, Indien, Bolivien, Jordanien, Myanmar, Äthiopien, Nepal, Marokko, Irak, Brasilien oder Jamaika. Zusammen mit den lokalen Gemeinden bauen sie sichere, zugängliche und kostenlose Skateparks. Nach dem Bau helfen sie bei der Umsetzung von Skateprogrammen, die Frauen, benachteiligte und flüchtige Jugendliche einbeziehen und Skateboarding als ein Instrument zur Vermittlung von interkultureller Kommunikation, kreativem Selbstausdruck und Widerstandsfähigkeit gegenüber unterversorgten Jugendlichen einsetzen. Das Ziel ist, dass ihre lokalen Partner die Projekte langfristig selbstständig und eigenverantwortlich durchführen und gleichzeitig genug Fähigkeiten erwerben, um ihre nächsten Projekte zu leiten. Auf dem Bild ganz oben kannst du einen Teil der Skatehalle sehen.

Am besten gefiel mir der alte Bauwagen, der zu einem Umsonstladen umfunktioniert wurde. In Düsseldorf helfe ich regelmäßig in einem aus. Das Konzept dahinter ist, dass alle Dinge kostenfrei und zugänglich für alle sind. Durch Spenden kann dies ermöglicht werden. In Kopenhagen konnte man, wenn man gerade keine Spenden dabei hat, seine Kleidung direkt gegen die Sachen dort eintauschen oder auch so mit nehmen. Ich habe dort ein paar tolle Teile gefunden, die mich an diesen schönen Ort erinnern werden.

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Hiermit danke ich Albert für diesen wundervollen Tag, auch dass er für mich den kostenlosen Guide spielte. Jim für seine schöne Hymne an mich und auch dem Rest der Gemeinde für diesen herzlichen Empfang. Vor allem aber meinem guten Freund Eze, der mir diese Reise vergangenen August ermöglichte.

 

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Ist in Nürnberg aufgewachsen, brach erfolgreich drei Studiengänge ab und entdeckte ihre Leidenschaft für den Journalismus durch ein Praktikum in einer Musikredaktion. 2019 gründete sie das DIEVERPEILTE-Magazin. Themenschwerpunkte sind Mental Health, Krankheiten, soziale Ungerechtigkeit, Sexualität und Drogen.

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