Heutzutage ist es schwer zu sagen, was noch ein gutes Foto ist und was nicht. Ein Bild zu verbreiten, geht mittlerweile schon genauso schnell, wie auf den Auslöser zu drücken. Die Fotografie erlebte in den letzten Jahren einen unglaublichen Wandel. War sie noch Anfang des 20. Jahrhunderts ein exklusives Medium, so ist sie heutzutage ein Medium für jedermann geworden. Schuld daran sind die sozialen Netzwerke und die Einführung des Smartphones. Da stellt sich doch die Frage, wer darf sich heute noch Fotograf nennen? Bedeutet es etwa, wer Zugang zu Technik hat, ist auch gleich ein Künstler? Eher weniger. Es heißt bloß, dass der Kampf um die Deutungsmacht von Fotos härter geworden ist. Denn ein Smartphonebild kann wohl kaum mit einer Analog- oder Spiegelreflexkamera mithalten. Wahre Emotionen, die kann nur ein Experte festhalten. Den Großteil der Menschen wird das wahrscheinlich nicht interessieren. Besonders diejenigen nicht, die täglich ihre Eindrücke von der Welt posten oder bloggen. Sie tun es, ohne groß darüber nachzudenken. Doch es gibt sie noch. Die Momentfänger unter ihnen, die sich mit voller Leidenschaft ihren Zielobjekten hingeben. Umso erfreulicher für mich, dir einen von ihnen heute vorstellen zu dürfen.
Kennengelernt haben wir uns durch ein Projekt, wofür ich einen Fotografen brauchte. Es ging um Obdachlosigkeit, und da Fabian aus der Punkszene kommt, hatte er den richtigen Draht dazu. Er ist nicht der Typ, der viele Aufnahmen für das perfekte Foto braucht. Ganz im Gegenteil. Meistens schoss er nur ein, zwei Bilder. Das reichte, um den Moment einfangen zu können. Anfangs war ich noch irritiert. Fragte mich, ob er sich nicht einfach lieber am Gespräch beteiligt und den Job so lari fari abschließt. Doch als ich einen Blick auf die Bilder warf, staunte ich nicht schlecht. Er hat das gewisse Auge, das nur ein Künstler hat. Das Handwerk dazu, brachte er sich vor zehn Jahren selbst bei. Seitdem ist die Kamera sein ständiger Begleiter. Eine andere Leidenschaft sind Konzerte für ihn. Dabei bewegt er sich in einer offenen und vor allem toleranten Szene, in der Schubladendenken mit Gebrüll enden würde. Denn „Punk sein“ bedeutet, ein Leben zu führen, wie man es selbst führen möchte und nicht, wie es andere möchten. Es geht um Zusammenhalt. Sich gegenseitig Kraft geben; einander stärken, wenn man gebraucht wird. Und so verband er seine beiden Hobbys miteinander und fing vor vier Jahren an, professionelle Konzertfotografien zu schießen. Der Schritt dahin war dabei ganz leicht. Er fragte ein paar befreundete Bands, ob er sie fotografieren dürfe. Wie es ausging, lässt sich anhand seiner Arbeit sehen.
Beruflich bewegt er sich jedoch in einer ganz anderen Welt. In Düsseldorf bildet er Elektroniker für Betriebstechnik aus, nebenbei besucht er die Abendschule und macht seinen Meister. Mit der Punkszene ist er in einem Milieu unterwegs, wo Emotionen nicht echter sein könnten. Umso schwieriger, diese auf einem einzigen Foto festzuhalten. Und genau da liegt die Herausforderung für ihn, den richtigen Augenblick mit all seinen Emotionen einfangen zu können. Der Moment, wenn man nach einem Gig durch die Bilder schaut und sämtliche schöne Erinnerungen zurückkommen. Gefühle wie Hass, Zorn und Gewalt lassen die Randgruppe lebendig erscheinen. Ende der 70er Jahre entstand sie aus einer Rebellion heraus. Man wollte anders sein. Dem Alltagstrott entfliehen. Auch heute noch ist das so. Nur mit dem Unterschied, dass sich die Gesellschaft im Laufe der Jahre daran gewöhnte. Der Iro, das Erkennungsmerkmal eines Punks. Damals unvorstellbar, heute etwas ganz normales. Mit kaum einer Szene habe ich so wenig am Hut, wie mit dieser. Umso fesselnder waren seine Aufnahmen für mich. Beim Betrachten der Bilder, hatte ich das Gefühl, als wäre ich dabei gewesen. Doch überzeug dich am besten selbst.
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„Ich lege hier für den Fall meines Todes das Bekenntnis ab, dass ich die deutsche Nation wegen ihrer überschwänglichen Dummheit verachte und mich schäme, ihr anzugehören.“ – Arthur Schopenhauer
Du hast Bock, Fabi zu engagieren oder mit ihm kreativ zu werden? Dann schreib ihm doch einfach!
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Autor:innen
Ist in Nürnberg aufgewachsen, brach erfolgreich drei Studiengänge ab und entdeckte ihre Leidenschaft für den Journalismus durch ein Praktikum in einer Musikredaktion. 2019 gründete sie das DIEVERPEILTE-Magazin. Themenschwerpunkte sind Mental Health, Krankheiten, soziale Ungerechtigkeit, Sexualität und Drogen.