Warnung: Dieser Text enthält Schilderungen von Drogenmissbrauch.
Florian* wirkt nach außen wie ein normaler BWL Student. Niemand ahnt, dass er in seiner Wohnung Gras anbaut und verkauft. Die Corona-Krise und die damit verbunden steigende Nachfrage an Gras nutzt er, um nicht nur sein Geschäft zu erweitern.
Es ist Samstag und heute ist es soweit. Florian zieht endlich um. Seine 1-Zimmer Wohnung ist mit der Zeit viel zu klein geworden. Von den 23 qm, die die Wohnung einst zu bieten hatte, war am Ende nur noch wenig für Ihn übrig. Nachdem seine Freundin in der Corona-Quarantäne dann noch für eine Woche bei ihm gewohnt hat, ging alles recht schnell. Drei Tage später hatte er schon den Mietvertrag für die neue 2-Zimmer Wohnung im 12. Bezirk unterschrieben. Und jetzt steht der Obi-Transporter und ein paar Freunde bereit. Eigentlich hat er sowieso nicht so viele Dinge. Ein Bett, ein Tisch, ein Stuhl, ein Regal, ein bisschen Kleinkram und eben doch eine Menge an Equipment, um Marihuana anzubauen. Umzugskarton für Umzugskarton wird alles in den dritten Stock getragen. Immer nett die Nachbarn grüßend und sich vorstellen, dann wird auch niemand von den Nachbarn vermuten, dass bald fast 80 Gras-Pflanzen nur ein paar Meter entfernt von Ihnen sprießen werden.
Dass Florian Betriebswirtschaftslehre studiert, überrascht bei solchen Aussagen nicht wirklich.
Angefangen hat Florian vor zwei Jahren mit einem kleinen selbstgebauten Schrank und bloß ein paar Pflanzen. Auf der Suche nach einem Job neben dem Studium ist er auf einen der über die Stadt verstreuten Grow-Shops gestoßen. Hier werden alle möglichen Dinge rund um den Anbau und Konsum von Marihuana verkauft. So wuchs mit den Arbeitstagen im Shop auch das Know-how über den Anbau von Graspflanzen. Den grünen Daumen hat er zum Teil aber auch von seinem Vater. Der als Florian klein war schon die Terrasse und das Gewächshaus mit wilden Kreuzungen aus dem Garten schmückte. Seinen Anfang mit Marihuana beschreibt er selbst so: “Persönliches Interesse gekoppelt mit der Einfachheit die Güter direkt von der Arbeit besorgen zu können.” Die Chance konnte er sich nicht entgehen lassen. Eine Mischung aus Opportunismus und der Suche nach einer Herausforderung.
Dass Florian Betriebswirtschaftslehre studiert, überrascht bei solchen Aussagen nicht wirklich. Er ist mittlerweile 23 und kurz vor seinem Abschluss. Er ist fast fertig mit seiner Bachelor-Arbeit. Sie geht über die Kreislaufwirtschaft in einem österreichischen Unternehmen. Das Wirtschaften liegt ihm im Blut, nebenbei handelt er mit Aktien, Kryptowährungen und anderen Anlagemöglichkeiten.
Mit dem Grasgeschäft kann er sich momentan rund 400 Euro im Monat dazu verdienen. In der neuen Wohnung expandiert er und will so auf rund 1000 Euro im Monat kommen. Neben einem geregelten Eigenkonsum sind hauptsächlich Freunde oder Freunde von Freunden seine Kunden. Dass in der Corona Zeit die Nachfrage gestiegen ist erklärt er so: “Die Leute sind mehr zu Hause und wissen nicht was sie mit sich anfangen sollen, also probieren sie mal was Neues aus oder rauchen einfach mehr.”
Wer gutes Gras anbauen will, muss genau sein.
Wie es sich am Anfang herausstellte, ist es erst einmal gar nicht so schwierig Gras anzubauen. Setzlinge von der Arbeit mitnehmen, unter eine LED-Lampe stellen, die Zeitschaltuhr richtig einstellen und dann zwei Monate warten und ab und zu gießen. Die Herausforderung liegt darin gutes Gras anzubauen. Mit jeder Ernte kommen neue Tricks und neues Wissen dazu. Mittlerweile hat er das Geheimnis gelüftet: “Wer gutes Gras anbauen will, muss genau sein.” Anbauen ist aber nur eine Seite der Medaille, das Dealen die Andere. Florian weiß, dass da auch das Risiko liegt. Er kennt die Regelungen ziemlich genau und versucht sein eigenes Risiko immer möglichst gering zu halten. Statt vielen Leuten geringe Mengen zu verkaufen, hat er circa 10 Abnehmer, die regelmäßig große Mengen bei ihm holen. Dazu kommt die magische Grenze: 2 Kg. “Alles über zwei Kilo wird ungemütlich.”, weiß er und meint, dass alles darunter sich mit Geldstrafen regeln lässt. Daher hat er auch nie mehr in seiner Wohnung. Lieber schnell verkaufen und weniger Geld verdienen, als ein zu großes Risiko haben. Er hat die Nummer von einem guten Anwalt für Suchtmittelvergehen über Arbeitskollegen bekommen. Anrufen musste er sie aber noch nie.
Es sind einige Tage seit dem Umzug vergangen und die neue Wohnung wird langsam wohnlich. Es ist Platz für eine Couch und das Gefühl der Enge ist verschwunden. Von 10 qm Wohnfläche auf über 30 macht sich doch bemerkt. Und auch das zweite Zimmer hat sich gut entwickelt. Es stehen mehrere große Anbau-Zelte im Raum und er hat sich neue Lampen, Luftfilter, Ventilatoren und Töpfe besorgt. Das Holzparkett hat er mit Gummifolie abgeklebt, um keine Wasserschäden zu verursachen. Die Luft wird durch riesige Aktivkohlefilter von den typischen Grasgerüchen befreit und dann in den alten Schornstein geleitet. Mittlerweile sprießen 76 kleine Pflanzen in einem der Zelte und die Arbeit geht los. Eine Graspflanze kann nach circa zwei Monaten Blühen geerntet werden. Die Blütephase wird künstlich eingeleitet, in dem das Licht im Zelt statt 18 Stunden täglich nur mehr 12 Stunden leuchtet und so das natürliche Ende des Sommers imitiert wird. Je nach Phase brauchen die Pflanzen verschiedene Nährstoffe, um möglichst effizient zu wachsen. Effizienz spielt bei Florian immer eine große Rolle. Die verschiedenen Nährstoffe werden durch verschiedene Düngemittel an die Pflanze gebracht. Florian befüllt eine 50 Liter Wanne und misst ganz genau die Leitfähigkeit des Wassers, um die Stärke des Düngers zu ermitteln und den pH-Wert. Wenn es einer Pflanze nicht gut geht, erkennt er an den Blättern, ob die Pflanze einen Mangel an Stickstoff, Phosphor, Kalium oder einen Schädlingsbefall hat. Das sind die Dinge, die man mit der Zeit lernt.
Wenn man in Klischees spricht, dann passen diese eigentlich nicht zu Florian. Ein typischer WU-ler ist er definitiv nicht. Statt dem Ralph Lauren Hemd trägt er lieber das ausgewaschene T-Shirt, das eigentlich ein Kostüm für eine Halloween-Party war und voller roter Sprayfarbe ist. Ein typischer Drogendealer ist er auch nicht. Obwohl er sehr gut durchtrainiert ist, wirkt er nicht ansatzweise einschüchternd. Man muss sofort selbst grinsen, wenn er mal wieder mit seinem breiten Lächeln und der goldenen Mähne ein dummen Spruch bringt. Eben mehr so der freundliche Dealer von nebenan. Er grüßt nett im Hausflur und ist ein sehr hilfsbereiter Mensch. Wahrscheinlich einer der Gründe, warum ihm Samstags um 9.00 Uhr schon Freunde beim Umzug helfen. Er würde das Gleiche machen.
7 Fragen An Einen Gras Dealer from Jonas on Vimeo.
Autor: Jonas H.
*Name geändert

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