Warnung: Dieser Text enthält Schilderungen von Drogenkonsum.
Es ist Sommer – im Januar. Ich mache mit Freund:innen Urlaub auf den Kanarischen Inseln. Wir planen einen Wandertrip in die Berge. Teil des Trips soll auch der Konsum von Magic Mushrooms sein. Pilze, die eine psychedelische Wirkung auslösen. Eine Wirkung, die mit nichts vergleichbar ist. Und genau deshalb will ich versuchen, meine Erfahrung zu beschreiben.
Dabei ist es jedoch wichtig zu wissen, warum die Pilze so wirken, wie sie wirken, und was sie von anderen Arten unterscheidet. Anders als gewöhnliche Pilze enthalten die Magic Mushrooms die psychoaktiven Wirkstoffe Psilocybin und Psilocin. Schon vor Jahrtausenden wurde diese Pilzart rituell als “Teonanacatl” von indigenen Naturvölkern in Latein- und Südamerika verwendet. Die Pilze wachsen heute allerdings auch in Europa und werden mittlerweile sogar in niederländischen Laboren gezüchtet. Nach dem Konsum wandelt der Körper das Halluzinogen Psilocybin in den eigentlichen Wirkstoff Psilocin um. Und Psilocin setzt das Glückshormon Serotonin im Körper frei. Quasi ein natürliches Antidepressiva. Forschende vermuten außerdem, dass die Aktivitäten im Thalamus gehemmt werden – der Hirnregion, die Sinneseindrücke filtert und mit dem Gedächtnis abgleicht. Dadurch kommt es zu einem Strom an verschiedensten Sinnesreizen.
Zurück in den Urlaub: Weil wir das Auto stehen lassen, entscheiden wir uns, mit dem Bus zu fahren. Etwas über eine Stunde dauert die Fahrt, sehe ich in der App. In etwa so lang, wie die Pilze brauchen, um ihre volle Wirkung zu entfalten. „Lasst uns die Pilze davor nehmen”, schlage ich also vor.
Ich verteile sie, jeder bekommt eine Handvoll. Dann gut kauen. Und nicht würgen – der Geschmack ist meiner Meinung nach alles andere als magic. Dann steigen wir in den Bus. Nach etwa einer halben Stunde spüre ich die Wärme in meinem Brustkorb. Außerdem fühlt sich mein Hals sehr eng an. Das Schlucken fällt etwas schwerer. Warum das so ist, weiß ich nicht. Den anderen ergeht es zumindest nicht so. Könnte eine allergische Reaktion sein, denke ich mir.
Auf schmalen Serpentinenstraßen bewegt sich der Bus immer höher in das Gebirge. Die Kurven sind eng und schmal, der Bus groß und lang. Bei Gegenverkehr wird es eng. Neben der Leitplanke geht es mehrere Meter in die Tiefe. Ich habe Höhenangst und klammere mich mit einer Hand am Sitz fest. Ich bin total aufgeregt, denke bei jeder Kurve, dass es gleich vorbei sein könnte. „Horrortrip“ – denke ich.
Aus Panik fange ich an zu googeln. Was sind die negativen Wirkungen von Pilzen? Neben einer intensiveren Farbwahrnehmung und Euphorie kann ein Pilztrip auch zu Schwindel und Übelkeit führen. Aufgrund der schwierigen Dosierbarkeit (es ist unbekannt, wie der Psilocybingehalt im Pilz verteilt ist) können eben auch negative Emotionen sehr intensiv sein. Im schlimmsten Fall ist ein sogenannter „Horrortrip“ möglich. Bei prädisponierten Personen kann ein solcher sogar Psychosen auslösen. Dabei sind neben Dosis und persönlichem Befinden auch die äußeren Umstände entscheidend. Zu meiner Beruhigung erfahre ich jedoch auch: Der Umfang des Konsums und die damit verbundenen Schäden sind im Vergleich zu prototypischen, missbräuchlich konsumierten Drogen gering.
Dennoch: Von Entspannung bin ich in diesem Moment weit entfernt. Ein Freund, der vor mir sitzt, lehnt mit dem Kopf am Vordersitz. Das Dorf, welches wir eigentlich als Ziel ausgewählt hatten, erreichen wir nicht. Wir steigen vorher aus. Wir haben genug von dieser „Horrorfahrt”. Dann laufen wir ein Stück bergab – rein in die Natur. Zwischen Palmen und Olivenbäumen machen wir Halt. Die anderen wollen Wein trinken und Musik hören. Meine Freundin Klara ist auf einem ganz anderen Level. Sie spaziert glücklich durch ein nahe gelegenes Feld und ist, wie sie selbst sagt, in einer anderen Welt. Als ich sie beobachte, wie sie mit gekreuzten Beinen dort sitzt und lächelt, denke ich an Werbung für ein Yoga-Retreat.
Ich fühle mich entspannt, ein bisschen lustig. Ich nehme wahr, wie jeder und jede aus der Gruppe auf einem anderen Level ist. Einer will tanzen, einer will trinken, eine will wandern. Wir bleiben noch etwas dort, tanzen und reden. Die Szenerie um uns herum ist einfach wunderschön. Irgendwann kommt die Idee auf, wieder in den Ort zu laufen, um Wein zu kaufen. Ich habe noch mehr Pilze dabei. Wir legen nach und laufen los.
Im Dorf angekommen setzen wir uns an die Bushaltestelle. Der letzte Bus fährt bereits in einer halben Stunde. Genau dann, wenn die zweite Ladung Pilze beginnt zu wirken, denke ich mir genervt. Doch danach wird es auch dunkel. Wir trinken noch ein Bier und hören laut Musik. Die Leute scheint das eher weniger zu stören. Oder zumindest nicht so sehr, dass sie uns deshalb ansprechen. Dann kommt der Bus. Ich suche mir einen Platz am Fenster. Mein Freund Felix setzt sich neben mich. „Hast du Kopfhörer dabei? Lass uns Musik hören.” Jeder nimmt sich einen Ohrstöpsel.
Zu diesem Zeitpunkt ist mir noch nicht klar, dass sich die nächste Stunde anfühlen wird wie eine Ewigkeit. Dass ich mein Zeitgefühl völlig verlieren werde. Und auch sonst alles, was einem so im Kopf herumschwirrt. Aber zurück zum Beginn der Fahrt. Die Serpentinen hinunterzufahren, ist auf einmal viel weniger beängstigend. Im Abendlicht sehen Landschaft und Berge so beruhigend aus. Als wir an Steinwänden vorbeifahren, fange ich an, Gesichter zu sehen. Von Affen und anderen Tieren. Als wären sie dort in den Stein eingemeißelt. Begeistert erzähle ich Felix davon, kann den Blick aber kaum abwenden. Die Vorsprünge in den Steinen werden zu Gesichtern, die sich anschauen, die sich küssen. Als ich bei der nächsten Kurve auf den Berg zurückblicke, sehe ich ein buntes, kreisendes Mandala. Als würde man ein riesiges Bild auf die Fläche des Berges projizieren. Ich kann es kaum fassen. Mein Herz schlägt so schnell. Das sind diese Optics – bei psychedelischen Drogen keine Seltenheit. Doch ich hatte sowas noch nie erlebt.
Die Berge, die Landschaft – alles verschwimmt und geht ineinander über. „Kennst du das, wenn einem innen drin so warm ist?“, frage ich Felix. „In mir brennt es.“ Je mehr ich mich auf die Drogen, die Musik und den Ausblick einlasse, umso intensiver wird die Erfahrung. Ich sinke immer tiefer in den Trip hinein. Die Mandalas werden immer größer, immer intensiver. Bald zieht sich ein riesiger chinesischer Drachenkopf in den buntesten Farben über die Berge, ringsherum beginnen die Pflanzen im Abendlicht zu glitzern. Ich kann es nicht fassen, kann nicht reden, kann nicht denken und muss anfangen zu weinen. Weil es so eine überwältigende Schönheit ist, die ich in diesem Moment wahrnehme. Ich sehe, wie sich die Pflanzen langsam im Takt der Musik bewegen, wie sie wachsen und wie sich einfach alles perfekt anfühlt. Zwischendurch blicke ich mich um. Sehe die anderen Menschen im Bus. Wie sie gelangweilt auf ihr Handy starren. Ich kann es nicht glauben, will am liebsten schreien: „Wie könnt ihr hier so ruhig sitzen? Das ist das Schönste, was ich je gesehen habe!“ Doch ich kann nichts sagen, will ich auch nicht.
Ich blicke wieder aus dem Fenster, lass’ mich in den Trip fallen.
Irgendwann ist die Sonne fast untergegangen. In der Dämmerung wackeln die Büsche noch leicht vor sich hin, hier und da sehe ich es glitzern. Dann wird es dunkel. Ich fange an, mich wieder auf mich selbst zu konzentrieren. Und spüre plötzlich meinen Körper so intensiv. Ich fasse meine Hände an. Sie sind so weich und fühlen sich so gut an. Ich kann nicht aufhören, sie anzufassen. Dann schließe ich die Augen. Und bin in einer anderen Welt. Ich merke zwar, dass wir noch in dem Bus sind, der regelmäßig an Haltestellen stoppt und die anderen sich unterhalten. Aber ich kann mich komplett davon lösen. Und nur auf mich selbst konzentrieren. Spüre die Wärme und die Zufriedenheit. Ich denke an Menschen aus meinem Leben, spüre die Nähe, die ich zu ihnen empfinde als vages, aber wunderschönes Gefühl.
Ein paar Wochen nach dem Urlaub schauen Klara und ich zusammen eine Doku über die magischen Pilze. Der Einsatz von Psilocybin wird seit einigen Jahren in der Medizin und Pharmazie erforscht. Für uns wenig überraschend: Verschiedene Studien weisen auf eine mögliche antidepressive Wirkung hin. Und auch bei der Behandlung anderer Erkrankungen und Suchtmittelabhängigkeiten können die Pilze in der Therapie eingesetzt werden.
In dem Bus habe ich jegliches Zeitgefühl verloren, die Gefühle und Erlebnisse entsprechen auf jeden Fall nicht einer Stunde Fahrt. Irgendwann werde ich angetippt. „Wir müssen raus, wir sind zu weit gefahren.“ Ich will mich nicht bewegen, ziehe mich aber vom Sitz hoch und steige langsam aus dem Bus. Ich bin fassungslos, kann nicht in Worte fassen, was gerade passiert ist. Ich gehe zu Klara und sage: „Ich habe es auch erlebt, Klara.”
Disclaimer: Meine Geschichte soll keine Aufforderung sein, selbst psychedelische Pilze zu konsumieren. Denn wie bei jeder Droge hängt die Wirkung stark von deinem inneren Zustand, Set und Setting ab. Und wie sich der Trip entfaltet, ist nur schwer vorhersehbar. Was bei mir die perfekte Dosis ist, kann bei dir schon zu viel sein und Angstzustände auslösen. Keep that in mind!
Dieser Text erschien zuerst auf DIEVERPEILTE.
Autorin: Yvi
Illustration: Johanna Richter

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