Feierlich schwört man sich, dieses Jahr wirklich zu leben.
Eine neue Zahl im Datum wird ganz sicher der Neuanfang sein.
Was man bisher aufgeschoben hat, wird angepackt.
Auf keinen Fall will man so weiter machen wie bislang.
Das neue Jahr soll es richten.
Alles soll sich ändern,
oder zumindest möglichst viel!
Und ganz wichtig; „Jeden Tag will ich leben wie den Letzten!“
Solchen Plattitüden kann man plötzlich etwas abgewinnen.
Seine tiefsten Kindheitswünsche wurden lange genug ignoriert.
Jetzt ist die Zeit, große Lebensziele anzugehen.
Den Rettungsring aus Fett will man schon bald verlieren,
und das Trinken in Zukunft begrenzen.
Die schlechten Gewohnheiten sind im kommenden Jahr passé.
Selbstbewusstsein wird man sich antrainieren,
seinen Job und Kollegen den Rücken zukehren.
Die können einen alle mal!
„Ich werde ein ganz neue Mensch!“
Wer besonders gut ist im Sich-selbst-Belügen,
der wird mit der neuen Motivation bis zu ein-zwei Wochen zufrieden sein.
Doch irgendwann müssen alle sich eingestehen,
alles wird sich wieder von vorne drehen.
„Ganz schön schwache Leistung“, denkt man sich.
„Das war überhaupt nicht absehbar.“
Die Kalendersprüche von diesem Motivationstrainer haben nichts gebracht,
das Konto ist noch immer blank,
und verzicht fällt einem nach wie vor schwer.
Am Zweiten steht man wieder mit all den anderen Deppen,
um acht Uhr morgens, schweigend in der überfüllten Bahn.
Das Herz ist wieder stumm.
Die Wünsche waren nur zur Untermiete da.
„Die Arbeit geht halt vor.
Was soll man machen?“
So steht man in der Bahn,
starrt verloren an all den anderen vorbei
und weiß:
Man fährt grade wieder zu seiner Arbeit,
die man hasst.
ILLUSTRATION: surfiart
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