In der Politik geht es rund. Besonders in Österreich glichen die letzten Monate oft einer Komödie. Beschlagnahmte Chat-Protokolle, in der sich die ÖVP als „Hure der Reichen“ outet, ein Laptop, der im Kinderwagen aus Hausdurchsuchungen geschmuggelt wird und Kanzler sowie Minister, die ihre Kinder als Ausrede für den darauffolgenden Rücktritt missbrauchen. Hinzu kommt die systematische Verharmlosung der Klimakrise. Auch wenn ich mich nicht an solche Zustände gewöhnen möchte, überrascht mich mit der Zeit immer weniger. Doch wie fühlt sich das für Menschen an, die so ihre ersten Berührungspunkte mit der Politik haben? Ich habe meine 13-jährige Schwester gefragt, wie sie zur Politik steht.
DIEVERPEILTE: Was ist Politik für dich?
Filippa: Menschen, die chatten? (lacht) Menschen, die Sachen bestimmen, die abstimmen, wenn irgendwas gebaut werden soll, oder Verträge unterschreiben und so.
Was sind die wichtigsten Themen, mit denen sich Politiker:innen beschäftigen?
Hm, Wirtschaft und ich weiß nicht… Geld, Geld, Geld.
Findest du das sind die Wichtigsten?
In der Zeitung steht immer nur das. Aber es sollte um andere Dinge auch gehen. Gleichberechtigung und Umwelt zum Beispiel.
Was hältst du so von der Arbeit, die unsere Politiker:innen machen?
(lacht) Naja, das ist „ausbaufähig“… [Anm. Sebastian] Kurz, [Heinz-Christian] Strache, dieser Typ mit der Brille, der Impfgegner…
Wieso kennst du eher die, die „ausbaufähig“ sind?
Die sind ständig in der Zeitung und im Radio. „Die und der hat das gemacht, wuhuhu!“ Die anderen gehen unter neben den schlechten. Sie machen es gut, aber eben nicht so gut, dass sie über den Schlechten sind.
Was glaubst du machen „die Guten“ anders?
Sie sind nicht schlauer, aber sie denken mehr mit. Was sie sagen, was sie machen, was sie schreiben. (lacht)
Wieso glaubst du, verhalten sich die einen schlecht und die anderen nicht?
Weil schlechteren zum Beispiel Basti [Sebastian Kurz], Aufmerksamkeit wollen oder einfach bisschen komisch sind. Ich glaube, die denken schon, sie würden es gut machen. Aber sie machen es eben so, wie sie es haben wollen.
Hast du eine politische Meinung? Also eine gewisse Position. Themen, wo du findest, dass es zum Beispiel eine Partei besser macht als eine andere.
Die Grünen setzen sich für den Schutz der Umwelt ein und andere. Es gibt auch welche, die sich gegen Massentierhaltung einsetzen, die finde ich gut. Ich bin auch gegen Abschiebung. Man kann vielleicht nicht alle Geflüchteten ins Land lassen, aber mehr.
Woher hast du diese Werte und Themen, die dir wichtig sind?
Von dir! (lacht) Oder von Mama und Papa. Wenn irgendetwas Lustiges in der Zeitung steht, sprechen wir über so was. In der Schule lernen wir nichts über Politik.
Was denkst du so über die Dinge, die in Österreich die letzten Monate passiert sind? Mit den Chats und den Rücktritten.
(lacht) Also ich weiß nicht, wie viele Kinder die bekommen haben. Die haben sehr viele Kinder bekommen. Politiker:innen sollten schon so schlau sein, dass sie so was nicht machen. Sie sollten mitdenken, ob das für alle klug ist, so zu handeln. Oder denken, was danach passiert.
Glaubst du, dass das mit Korruption zusammenhängt? Dass sie zu ihrer eigenen Bereicherung so handeln?
Ja, also Geld wollen sie sicher immer haben. Die sind aber schon steinreich.
Findest du es gut, dass sie so viel Geld verdienen?
Nein. Ich finde, es sollen alle Menschen gleich viel Geld verdienen. Egal was sie arbeiten. Dann gäbe es mehr Gleichberechtigung.
Könntest du dir auch vorstellen, in die Politik zu gehen?
Nein. Ich habe von einer Stadt gehört, wo sie sogar vor der Wohnung des:der Bürgermeister:in stehen und ihn:sie beschimpfen. Ich will nicht so in der Öffentlichkeit stehen. Auch wenn man es richtig macht, irgendein Mensch findet immer etwas, was er an dem:der nicht mag. Außerdem möchte ich nicht die Verantwortung für so viele Menschen tragen.
Welche Leute sollten diese Verantwortung tragen?
Menschen, die sich in ihrem Beruf wohlfühlen. Man sollte mitdenken und an alle Menschen denken. Was passiert, wenn ich an dieser Stelle ein Haus baue? Was passiert mit dem Untergrund?
Hast du das Gefühl, dass die Wünsche und Bedürfnisse von jungen Leuten gleich gehört werden wie von älteren?
Nein, ich glaube, ältere Menschen werden einfach mehr wahrgenommen und ernster genommen. „Junge haben nicht so viel Erfahrung im Leben“ Es haben nicht nur ältere Recht, weil sie mehr Erfahrung haben. Das stimmt ja eh, aber sie sind deswegen nicht schlauer im Leben.
Was könnte die Politik von jüngeren Leuten lernen?
Vielleicht mehr an andere Menschen zu denken. Es gibt schon sehr eingebildete Kinder, aber es gibt auch viele, die nicht so an sich denken, sondern mehr an andere.
Hast du eine Idee, wie man die Jungen mehr einbinden könnte?
Man könnte einen Kinderrat machen, mit Kinderbürgermeister:in und so. Die machen auch Wahlen und stimmen ab, was gut wäre und was noch fehlt in der Stadt. Und das sagen sie dann dem:der echte:n Bürgermeister:in. So richtig offiziell mit eigenem Gebäude und Zeiten, wo man hingehen kann. Wie eine Art kleiner Kinderjob in der Schule. Nicht jeden Tag, aber so zweimal in der Woche.
Weißt du, ab wann du wählen darfst?
Ja, ich glaube ab 14 oder 16.
16. In Deutschland erst ab 18.
Was??
Ab wann sollte man wählen dürfen?
14 oder 15. Da kann man schon so viel mitdenken. Man kann ja auch mit den Eltern reden, was gescheit wäre, aber man sollte eigentlich seine eigene Meinung haben.
Dafür müsste man in der Schule auch mehr machen. Es ist nicht selbstverständlich, dass man zuhause über Politik sprechen kann. Außerdem ist es wichtig, sich nicht nur mit der politischen Meinung der Eltern auseinanderzusetzen. Passiert so etwas in der Schule?
Nein. Wir reden über die a-Konjugation und so. In der Volksschule hatten wir eigene Stunden – Steiermarkstunden haben die geheißen. Aber da waren wir noch zu klein, um Politik zu verstehen.
Wenn du dem:der Bürgermeister:in sprechen könntest, welchen Vorschlag würdest du ihm:ihr machen?
Vielleicht so eine Art Feiertag einführen, wo alle Menschen die Autos aus der Stadt fahren und zu Fuß oder mit dem Fahrrad wieder herkommen. Dann dürfen einen Tag auch keine Straßenbahnen und nichts verwendet werden. Oder einen Tag ohne Licht und Handykabel. Dass Menschen vielleicht sehen, dass man auch ohne solche Sachen leben kann. Und ihr Auto verkaufen, hergeben oder halt nicht mehr fahren.
*Unser Gespräch spiegelt wieder, dass meine Schwester und viele andere Jugendliche sich eine andere Politik wünschen. Für die Menschen und die Zukunft. Ihnen ist bewusst, dass das den Prioritäten der älteren Generationen entgegensteht. Aber es zeigt sich auch, wie das politische Verständnis vom direkten Umfeld geprägt ist. Dass Filippa und ich aus einer Familie kommen, wo Themen wie Politik gemeinsam besprochen und kritisch hinterfragt werden, ist ein Privileg, das vielen nicht zukommt.
Dieser Text erschien zuerst auf DIEVERPEILTE.

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Autor:innen
War bis November 2022 Redakteurin bei DIEVERPEILTE. Hat Wirtschafts- und
Sozialwissenschaften in Wien studiert und befindet sich aktuell im
Philosophiestudium. Themenschwerpunkte sind Gesellschaft, Wirtschaft und
Poltik.