„Männer altern wie Wein. Frauen wie Milch.“ Einer der dämlichsten Sprüche, die ich je gehört habe. Auf einem Fußballplatz. Irgendwo in der Provinz, in der meine Eltern leben. Geärgert hat mich das schon damals, da war ich vielleicht so zwölf. Vergessen habe ich es bis heute nicht.
Nach mehr als einem Jahr Corona-Pandemie erwacht die Stadt langsam aus ihrem Dornröschenschlaf. Die Cafés und Bars haben geöffnet, Menschen strömen auf die Straßen, genießen die warmen Sonnenstrahlen. Fröhliche Stimmen und ausgelassenes Lachen summen durch die Luft. Ich kann gar nicht sagen, wie sehr mir das gefehlt hat. Mein erster Abend in Biergarten-Atmosphäre steht an und ich bin fast ein bisschen nervös. Ist lange her, dass ich mich den Blicken so vieler Menschen auf einmal ausgesetzt habe. Ich krame lange, finde endlich eine Jeans, die geht, und mache mich auf den Weg. Fühlt sich gut an: Draußen sitzen, was trinken, mal mit Fremden quatschen. Ich bin überrascht, wie leicht mir das trotz der langen Pause fällt. Wenig später bin ich über den Tisch gelehnt in ein Gespräch mit einem hübschen Typen versunken. Er ist nett, hat ein schönes Lachen. Irgendwann fragt er mich, wie alt ich bin. „31“ antworte ich wahrheitsgemäß, lache und frage mich, was das in diesem Moment für eine Rolle spielt. „Verrückt, ich habe Dich jünger geschätzt, aber wollte noch mal nachfragen. Hätte ja auch sein können, dass Du schon Ende 30 bist. Man weiß nie. Und mit Frauen in meinem Alter komme ich nicht so gut klar.“ Er grinst und meine Neugierde ist geweckt. Er ist 39, hat er gesagt. Ich frage ihn, was denn falsch sei mit den Frauen in seinem Alter. Er lacht auf: „Nichts, die sind schon okay. Also nett. Aber die wollen alle sofort Babys machen.“ Ich starre ihn an. Für einen Moment verschlägt es mir die Worte, dann lache ich vor Schreck einfach mit. Stimmt, haha, die hysterischen Furien, die alle nur auf der Suche nach ’nem Samenspender sind, wer kennt sie nicht, haha. Witzig. Dann sage ich, ich müsse zur Toilette, nehme den Seitenausgang und gehe. Verabschiedet habe ich mich nicht. War nicht nett, ich weiß. Tut mir auch leid.
Ich habe keinen Partner, fühle mich wohl so wie es ist und mit dem was ich gerade mache. Für ein Kind habe ich mich bisher nicht bereit gefühlt. Die Frage, ob ich denn irgendwann eins bekommen möchte – und wenn ja, wann denn dann bitte endlich – stellt man mir trotzdem ständig. Gefühlt so ungefähr 10210296 Mal in den letzten zwei Jahren. Und ehrlich gesagt verstehe ich gar nicht, warum: Wo soll es denn bitte herkommen?! Vielleicht doch eine unbefleckte Empfängnis? Und warum muss ich mir darüber Gedanken machen, was ich wollen könnte, wenn ich in einer Situation wäre, in der ich nicht bin? Achja, stimmt. Leise dringt die Stimme einer befreundeten Ärztin aus meinem Hinterkopf in mein Bewusstsein: „Also mit 30 ist eigentlich schon ein gutes Alter, danach wird es immer schwieriger und ab Ende 30, da ist Schwangerschaft dann eigentlich fast schon ein Risiko…“ Ich erinnere mich.
Und auch der nette Typ im Biergarten hat mich erinnert. An den dummen Spruch von damals zum Beispiel. Auch er schien zu finden, Frauen würden irgendwann grumpy und gestresst. Er erinnerte mich auch an meinen ehemaligen Chef. Der war 50, seine Freundin 35 Jahre alt und am liebsten wollte er eigentlich gerne auch mit mir ins Bett (damals 27). Ist auch nichts weiter dabei vielleicht, wenn alle das toll finden. Nur habe ich eben keinen Bock auf ältere Männer. Damit bin ich scheinbar eine Rarität, denn auch viel seiner Kollegen (alle so zwischen 50 und 60) hatten Freundinnen, die zum Teil noch eine beachtliche Ecke jünger waren als ich. Die Jüngste war glaube ich 24. Der Typ im Biergarten hat mich auch an den letzten Mann erinnert, den ich wirklich mochte. Auch, weil der auch so ein schönes Lachen hatte. Aber auch wegen seiner ersten Frage beim zweiten Date: „Willst Du eigentlich Kinder? Wollen alle Frauen Kinder?“ Ich kam mit meiner ehrlichen Standard-Antwort „weiß ich noch nicht“ um die Ecke und da war er wieder, dieser absolut ungläubige Blick. Verwunderlich war auch, dass er noch penibler auf Verhütung achtete als ich. Eigentlich gut. Ich mag es, wenn Männer verantwortungsvoll mit Verhütung umgehen. Nachdem er aber auf meinen Check-up Termin beim Frauenarzt mit vor Panik weit geöffneten Augen und der Frage „aber doch nur Vorsorge, oder?!“ reagierte, schlich sich bei mir die leise Vermutung ein, dass er einfach nur sein Sperma bewachen wollte. Wahrscheinlich hatte er Angst, ich könnte es in einem unbeobachteten Moment an mich reißen, damit schreiend wegrennen und mir so zu dem Kind verhelfen, nach dem ich seit Jahren lechze. Wie jede Frau. Die wollen eben alle sofort Babys machen.
Boys, ich habe da mal eine Frage: Was stimmt eigentlich nicht mit euch? Ihr benehmt euch wie die letzten infantilen Idioten. Natürlich nicht alle, klar. Aber manche. Dabei ist es so: Nein, ich möchte euer Sperma nicht klauen. Ihr unterliegt da einer maßlosen Selbstüberschätzung. Wenn ich mit jemandem ein Baby machen wollte (rein hypothetisch), dann mit jemandem, der nicht selbst im Kindheitsstadium hängen geblieben ist und sich zum Beispiel darüber im Klaren ist, dass Frauen nicht einfach zu Furien mutieren, sondern die Frage nach Kindern für sie irgendwann unausweichlich wird. Entweder sie wollen Kinder, dann ist die Biologie einfach gemein und ungerecht und setzt sie einem Druck aus, den ihr so nicht kennt. Oder sie wissen es noch nicht oder wollen gar keine, dann werden sie trotzdem permanent von überall mit despektierlichen Fragen konfrontiert. Und das, während ihre männlichen Altersgenossen easy durch die Welt hüpfen, bis 50 so tun, als wären sie Anfang 20, ihrer Selbstverwirklichung frönen und dann irgendwann ultra entspannt, auf der Karriereleiter oben und in ihrer persönlichen Mitte angekommen, eine 30-Jährige schwängern. Cool. Erklärt vielleicht, warum Social Freezing so ein Ding ist. Einfach ein paar Eizellen einfrieren, bis bessere Zeiten kommen. Oder das Sperma dazu besser gleich kaufen. Bei ‘nem Typen, der sich dann mit der Kohle noch ein bisschen selbst verwirklicht, bis er dann irgendwann ausgereift ist – wie so ein richtig guter Wein eben. Klar, das braucht seine Zeit.
Dieser Text erschien erstmals am 26. Juni 2021unter dem Titel „Männer altern wie Wein. Frauen wie Milch.“ und wurde am 24. Juni 2022 nochmals aktualisiert.
Illustration: Teresa Vollmuth

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