Seit der Pandemie, besonders ab November, haben meine Small-Talks bei Begegnungen ein seltsames Muster. „Wie geht`s dir?“ Noch nie fiel es den Leuten so schwer, die Frage mit einem „ganz gut“ wegzuschieben. Nie ging es so vielen Menschen so schlecht wie diesen Winter. Niemand hat mir sofort gesagt, dass es wirklich scheiße läuft. Aber die Reaktionen sind offensichtlich. Mein Mitbewohner sagt nichts, wenn ich ihn abends nach dem Tag frage, es gibt nichts zu berichten. Meine Abiturfreunde im Sommer sind durch die Bank enttäuscht von dem, was nach der Schule kam. Mit meinem besten Freund aus Frankfurt, den ich an Weihnachten zum ersten Mal seit Langem wiedergesehen habe, einige ich mich schon nach fünf Minuten Gespräch darauf, dass die letzten Wochen kacke waren und wir schon darauf stolz sein können, dass wir es überhaupt bis zum Ende vom Jahr geschafft haben.
Mir ging es nicht gut im Dezember. Das kann ich ehrlich sagen. Aber erst als ich mit anderen darüber redete, fiel mir auf: So ist es fast allen so ergangen. Ich recherchierte: Depressionszahlen haben sich in Österreich seit Beginn der Pandemie nicht erhöht oder verdoppelt, sondern verachtfacht. Das war im Herbst. Mittlerweile ist mit weitaus höheren Zahlen zu rechnen. Die psychische Gesundheit, die in der europäischen Welt noch sehr im Dunkeln liegt, erlebt eine zweite, weniger tödlichere, aber weitaus akutere Pandemie. Das sagt nicht nur ein aufmerksamer Blick in die Gesichter der Stadt, sondern auch die Wissenschaft.
Und ja, es mag auch welche geben, die diesen Lockdown entspannt angingen und die Zeit fabelhaft für sich nutzten. Meditieren, in sich gehen, kreativ sein. Ja, vielleicht bilden glückliche Normalos wirklich die Mehrheit der Gesellschaft und die meisten haben echt so ein nices, entspanntes Leben, wie ihr Instagram es mir erzählt.
Aber die Wahrheit ist doch die. Wenn ich seit Wochen nicht weiß, welchen Tag wir haben, weil mein Job schon lange weg ist. Wenn ich aufstehe und die Sonne schon untergegangen ist, weil ich die ganze Nacht nicht schlafen konnte. Wenn diese ganze Scheiße einfach nie mehr aufzuhören scheint und die anderen alle klarzukommen scheinen. Wie soll es mir denn gehen? Heute wurde ich gefragt, wie es mir geht. Ich sagte: „Eh schlecht, aber seit ich das weiß, geht es besser.“
FOTO: Julia Mlawez
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