Seit Anfang letzten Jahres habe ich eine Schwäche für groovige House Musik. Es ist wie eine Sucht. Auf einmal traf ich auf eine neue, viel fröhlichere Welt der Musik. Tag ein, Tag aus entdeckte ich mir immer mehr unbekannte Titel und Künstler. Das brachte eine gewisse Heiterkeit in mein Leben. Ich fing an, beim Kochen zu tanzen und sang mit, wenn ich meine Kopfhörer aufhatte. Über’s Musik Diggen stoß ich auf Marco Febbraro. Ende der 90er mischte er unter dem Pseudonym Liquid Laugh seine Platten. Später gründete der Italiener das Label und den dazugehörigen Shop Strictly Groove. Schon als Kind faszinierte ihn die Sammlung seines Vaters, der E-Gitarre studierte. Von Jimi Hendrix bis Al Di Meola, oder Santana bis Steve Vai war alles mit dabei. Aber auch Black Sabbat und AC/DC schenkte er seine Aufmerksamkeit. Später rockten neapolitanische Künstler wie Pino Daniele, Tony Esposito oder Tullio De Picoscopo die Familienfeiern und Autofahrten. So fand auch Marco gefallen daran. Neben dem Vater, hatte auch seine Mutter musikalischen Einfluss auf ihn. Ihre Sammlung von 7″, ließen ihn Künstler wie Mina, Adriano Celentano, Ornella Vanoni oder Lucio Battisti lieben lernen. Meine volle Aufmerksamkeit hatte Marco nach ein wenig E-Mail-Verkehr. Zum einen schickte mir der Typ echt super Musik zu, auf die ich selbst wohl nur schwer gekommen wäre. Zum anderen ist er ziemlich locker drauf und mit dem Herzen dabei. Also hatte ich große Lust, mal in seine Plattensammlung rein zu schnuppern und ihm ein paar Fragen zu stellen.

Hallo Marco, wie bist du aufgewachsen?
Meine Kindheit war wirklich schön, ich hatte viel Spaß. Ich war ein fröhlicher und glücklicher Junge. Dadurch, dass ich schon immer etwas verrückt und rücksichtslos unterwegs war, kam ich fast täglich in Schwierigkeiten. Doch am Ende half mir diese Art der natürlichen Annäherung, schneller und erfahrener als andere Kinder erwachsen zu werden. Zumindest lernte ich dadurch, was ich nicht tun sollte.

Wie war die damalige elektronische Musikszene in Italien?
Ich wuchs in den 90er Jahren auf, zu der Zeit, war die Szene gerade in der Bauphase. Zu den wichtigsten Bands in meiner Heimatstadt Neapel zählten Almamegretta und 99 Posse. Das war auch die Zeit, in der ich mich oft in Sozialzentren aufhielt. Zusammen mit ein paar Freunden reiste ich viel herum, um Musik, Leben, Konzerte und auch DJ-Sets zu entdecken. Denn in Städten wie Neapel, Rom, Florenz, Bologne gab es damals schon Tausende von erstaunlichen Undergroundkünstlern, die aus aller Welt anreisten.

Welche italienischen Künstler waren damals prägend für dich?
In den 90ern hörte ich vor allem internationale Künstler und das in vielen verschiedenen Genres. Man könnte meinen, dass ich italienische Musiker schon fast brüskierte, weil ich dachte, dass es cooler sei, Musik aus dem Ausland zu suchen. Da war ich etwa 18 Jahre alt. Danach wurde mir bewusst, wie dumm das eigentlich war und wie viel erstaunliche Musik wir doch in Italien haben.

Wie bist du zur Musik gekommen?
Ich weiß es nicht mehr. Es fühlt sich an, als wäre sie schon immer da gewesen.

In den 90er Jahren nanntest du dich noch Liquid Laugh. Was passierte in dieser Zeit?
Ja genau, das war der erste Name, den ich mir selbst gab, als ich in einem illegalen Laden namens Maffia als DJ anfing. Zwischen 1998 und 1999 zog ich nach Reggio Emilia, der Maffia Club war so eine Art zweites Zuhause. Zudem gehörte er zu den besten internationalen Veranstaltungsorten für Underground-Musik. Dieser Ort war musikalisch und kulturell so mächtig, dass er mich völlig gefangen hielt. Ich arbeitete dort und fing an, fast wöchentlich meine Platten zu spielen. Ich machte das Warm-up für Leute wie Metro Area, Moodymann, 2Manydjs, Trevor Jackson und viele andere.

Wie kam das mit Strictly Groove zustande?
2009 gründete ich das Label und eröffnete gleichzeitig einen Second Hand Plattenladen in der Innenstadt von Reggio Emilia.

Woher kommen die Platten aus deinem Laden?
Ich besuche viele Schallplattenmessen und suche dort nach gebrauchten Sachen. Für die neuen Veröffentlichungen bevorzuge ich es, Deals mit meinen Lieblingslabels zu bekommen.

Welche sind das?
Meine Lieblingslabel? Das ist wirklich schwer zu sagen. Ich mag Atlantic für die Qualität der Pressung, Beggars Banquet für den Katalog, Hell Yeah für die Talentsuche und den Vibe. Be With ist das Label, dass sich easy im Laden verkaufen lässt.

Was für Musik veröffentlichst du?
Einige meiner italienischen Lieblingskünstler. Seitdem ich Demos von Musikern aus der ganzen Welt zugeschickt bekomme, auch einige von ihnen. Für mich war Keita Sano der Wichtigste, ich war der Erste, der seine Musik veröffentlichen durfte. Die Suche nach Talenten war für mich schon immer ein Genuss.

Was genau gefällt dir daran, Newcomer zu entdecken?
Ich bin in einer Zeit aufgewachsen, in der viele junge und unbekannte Künstler in den Vordergrund traten und die Musik entwickelten. Aber vor allem brachten sie Qualität mit sich. Viele dieser Künstler lernte ich bereits Jahre bevor sie berühmt oder gar mainstream wurden kennen. Heute jedoch, wenn ich einen DJ für die Party, die ich organisiere, buchen möchte, oder einem Produzent um eine Plattenkooperation bitte, würde ich vorher wahrscheinlich an jemanden denken, der schon ein Experte in seinem Gebiet ist. Vielleicht einfach deswegen, weil ich lieber Spaß und Freude dabei habe, als herumzuexperimentieren.

Warum ist Keita Sano so wichtig für dich? 
Weil er eines der echtesten Talente ist, mit denen ich je zu tun hatte. Ich erinnere mich noch daran, als ich zum ersten Mal sein Demo erhielt. Es war Liebe auf den ersten Blick. So viel Musik. Danach landete er auf einigen der besten internationalen Labels.

Wer darf bei dir releasen?
Künstler, bei denen ich die Leidenschaft, Hingabe und Suche nach etwas nicht Selbstverständlichem erkenne. Generell mag ich organische Musik sehr gerne, auch dann, wenn der Sound Vintage ist und dazu noch etwas groovy. Es ist fast unmöglich, das zu erklären. Ich versuche jedoch, alle Demos, die ich erhalte, anzuhören und jedem mit Kommentaren und Ratschlägen zu antworten.

Seit wann sammelst du Platten und wie viele hast du heute?
Ich kaufe Musik, seit ich elf Jahre alt bin. Heute besitze ich 7000 Platten. Ich erinnere mich noch daran, wie ich mein Taschengeld für den Samstagabendburger mit meinen Freunden aufbewahrte, um mir davon CDs kaufen zu können. Mit 19 fing ich an, mir zusammen mit meinem besten Freund in Neapel auf total wilde Art und Weise Musik zu kaufen. Jeden Samstag, manchmal auch öfter, kauften wir buchstäblich Dutzende von CDs, um sie in seinem Zimmer zu genießen. Diese Zeit gehört zu meinen Lieblingserinnerungen. Als ich dann nach Reggio Emilia umzog, wurde die Sache noch schlimmer, da ich anfing, wahllos Aktien, ganze Sammlungen von alten Käufen und vergessenen Schallplatten von den Freunden meiner Eltern zu kaufen.

Peinliche Erfahrung, die du mal während eines Gigs hattest?
Bei meinen ersten Auftritten war ich verlegen, weil mich die Leute fragten, ob ich ihre kommerziellen Songs spielen könnte und auch die Groupies verunsicherten mich. Ich muss sagen, dass ich viel Zeit hinter den Turntables verbrachte und das nicht nur für meine eigenen Gigs. Ich habe einige Dinge gesehen, die wirklich peinlich waren und das finde ich ziemlich cool. Es macht Spaß.

 

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Marcos TOP 5: 

01 Lionel Pillay – October Magic (1984) (Righttrack)
www.discogs.com/de/Lionel-Pillay-October-Magic

02 Bruno Lauzi – Il Vecchiaccio (1981) (Numero Uno)
www.discogs.com/de/Bruno-Lauzi-Il-Vecchiaccio

03 Hilaria Kramer 6 – Trigon (1989) (Splasc(H))
www.discogs.com/de/Hilaria-Kramer-6-Trigon

04 Boof – Shhh, Dandelions At Play – (2011) (Running Back)
www.discogs.com/de/Boof-Shhh-Dandelions-At-Play

05 Jacob’s Optical Stairway – Jacob’s Optical Stairway (1996) (R&S)
www.discogs.com/de/Jacobs-Optical-Stairway-Jacobs-Optical-Stairway

 

www.strictlygrooverecords.com
www.facebook.com/strictlygrooverecords
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Ein Blick in Denise Bauers Plattensammlung
Ein Blick in meine Plattensammlung: Donna Summer
Ein Blick in Oliver Hess’s Plattensammlung

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Ist in Nürnberg aufgewachsen, brach erfolgreich drei Studiengänge ab und entdeckte ihre Leidenschaft für den Journalismus durch ein Praktikum in einer Musikredaktion. 2019 gründete sie das DIEVERPEILTE-Magazin. Themenschwerpunkte sind Mental Health, Krankheiten, soziale Ungerechtigkeit, Sexualität und Drogen.

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