Kreatives Arbeiten ist scheiße. Ich meine, wir lieben es alle, aber wir wissen auch, es
mit Druck zu machen, ist echt nicht so das Wahre. Man sitzt da und versucht
krampfhaft, sich etwas aus den Fingern zu saugen. Der Kopf ist irgendwie leer und
jeder Strich auf dem Papier mühsam.

Bei mir sind die undankbaren Drecksschweine kleine, quadratische Tasten mit
Buchstaben drauf. Der Bildschirm, auf den ich starre, ist auch undankbar. Alle sitzen
sie da und starren mich erwartungsvoll an. Das Fragezeichen über dem ß ist
besonders gemein. „Na?“, fragt es. „Kommt da noch was oder nicht?“ Das Z glaubt
nicht daran. E und R tuscheln geheimnisvoll und blicken zu mir hoch. Alle warten sie
darauf, dass ich etwas erschaffe. Und mit jeder Minute, in der nichts Sinnvolles von
meinen Fingern in den Bildschirm übertrage wächst ihr Vorwurf. Sie meinen, ich
verschwende ihre Zeit.

Wenn sie mich die ganze Zeit so anstarren, kann ich meinem Geist eben nicht
freien Lauf lassen, sage ich. Sie meinen, das wäre nur eine Ausrede. Das Ü
überdreht leicht genervt seine Punkte. Langsam werde ich gereizt. Ich kann doch
auch nichts dafür. Ich sitze hier und versuche, ihnen zu gefallen und bekomme kein
bisschen Verständnis für meine Schwierigkeiten. Dass die Impulse nicht automatisch
von meinen Synapsen in die Tastatur fließen ist ja nicht meine Schuld. „Also so
schwer ist es nun wirklich nicht“, meint das H trocken. Das J fügt hämisch hinzu: „Ich
glaube, du bist einfach nur feige“ Das S lacht mich aus.

Jetzt reicht es mir. Wie komme ich denn dazu, mir das jetzt von ihnen anhören
lassen zu müssen, entgegne ich, fast schon wütend. Sie haben hier erst mal nichts
zu melden, ich kann den Laptop auch einfach wieder zuklappen. Dann sollen sie
sehen, wo sie bleiben. „Probier’s doch“, meint das V schnippisch. „Du bist ja die, die
schreiben möchte“, meint das F. Das Q streckt mir die Zunge raus.

„Jetzt seid mal nicht so gemein!“, ertönt es von hinten. Das & meldet sich zu
Wort. „Seht ihr nicht, was für einen Druck ihr gerade macht? Sie hat es doch so
schon schwer genug.“ Danke, endlich jemand, der mich versteht. „Wir ziehen doch
alle am selben Strang“, meint das C. Genau. Ich möchte doch genauso etwas zu
Papier bringen, wie sie. Das Ä ist nicht überzeugt. „Na hören wir ihr doch mal zu“,
meint das Ö beschwichtigend zu seinem Nachbarn.

Naja, ich weiß einfach nicht, wo ich anfangen soll. Und wenn dann so ein Druck
kommt, dann kann ich plötzlich gar nichts mehr. „Aber was fällt dir denn so schwer
daran? Du musst doch einfach nur mal mit irgendwas beginnen und der Rest ergibt
sich dann eh“, meint das G beschwichtigend. Ja schon, aber dann fehlen mir die
Worte und in meinem Kopf klingt dann alles doof. „Das macht doch gar nichts. Wenn
dir später etwas besseres einfällt, kannst du es ja immer noch ändern“, sagt das P.
„Dafür bin ich ja schließlich da!“, ermutigt mich die Löschtaste.

Aber was, wenn einfach gar nichts rauskommt? „Das kann nicht passieren,
irgendetwas fällt dir immer ein“, meint das D. „Du musst dir nur irgendwen von uns
aussuchen und das erste schreiben, was dir einfällt“, sagt das L. Und wenn ich auf
einmal raus komme? „Dann suchst du dir eben wen anderen aus“, findet das B.
Das ) lächelt mir zu.

Okay. Aber sie sollen mich nicht mehr auslachen. „Geht klar“ sagt das X. „Jetzt
mal ran!“, ruft das I. „Du schaffst das schon“, meint das O. Das ! feuert mich an.
Okay, sage ich. Ich atme tief ein und aus. Danke Leute.

Dieser Text erschien zuerst auf DIEVERPEILTE / Foto: @eliasruester / Model:  @anniejosy 

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War bis November 2022 Redakteurin bei DIEVERPEILTE. Hat Wirtschafts- und
Sozialwissenschaften in Wien studiert und befindet sich aktuell im
Philosophiestudium. Themenschwerpunkte sind Gesellschaft, Wirtschaft und
Poltik.   

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