Das Kieler Duett besteht aus drei Personen: Grabowski, Gruse und die Orange. Alles begann im Winter letzten Jahres. Entspannt am Rande des Wochenmarkts auf dem Boden kaffeeschlürfend, legten sie eine kleine weihnachtliche Straßenmusik-Performance hin: eine Jazz-Version des Weihnachtshits „Gloria in Excelsis Deo“. Der Track hat es leider nicht auf das Weihnachtsalbum „Orangenlikör mit Schuss“ des Kieler Duetts geschafft, doch es war der Icebreaker für eine großartige Idee. Das Projekt, das daraus entstand, ist pure Satire und vermag grauen regnerischen Dezembertagen einen neuen Glanz zu verleihen.
Angedacht war ein Weihnachtsalbum für all die Lieblingsmenschen der drei, um ihnen die Adventszeit zu versüßen. Für mich haben die Songs schon im letzten Jahr das ein oder andere Plätzchenbacken auf den Kopf gestellt und nun sollen die Hits die ganze Welt mit ihrem schrulligen Zuckerguss überziehen.
Titel, Songs, Cover – alles entstand intuitiv und aus der kreativen Spaß-Ader heraus. Das ist es, was „Orangenlikör mit Schuss“ auszeichnet. Geprägt von einer überschwappenden neuen deutschen Welle, nimmt das Kieler Duett uns mit in die 80er-Jahre Ostdeutschlands. Der „Schuss“ ist dabei keinesfalls ein alkoholischer, sondern ein nüchterner beheimatet in den Köpfen der drei. Das Cover orientiert sich an 80er-Jahre-Weihnachtsfotos, auf denen die Gesichter der Personen „irgendwas zwischen ‚Mama sagt, lächel mal‘ und Serienkiller“ ausdrücken.
DIEVERPEILTE hat mit Grabowski, Gruse und der Orange (eigentlich ist sie eine Pampelmuse, aber ein bisschen fake muss man in der Pop-Szene nun mal sein) über die Hintergründe der Hits gesprochen!
#1: It’s Beginning To Look a Lot Like Christmas
DIEVERPEILTE: Dieser Song erweckt ein wohliges Gefühl einer besinnlichen Weihnacht. Seid ihr lustige funkelnde Weihnachtselfen oder eher kauzige grummelige Grinches?
Das Kieler Duett: Wir sind alle drei eher Fraktion Weihnachtselfen. Das Erzeugen eines wohligen Weihnachtsgefühls war bewusst. Als wir das Album letztes Jahr unseren Freunden vorgestellt haben, wollten wir, dass alle denken, wir hätten was voll Schönes gemacht. Und wir wollten natürlich auch Gruses wunderschöne Stimme ein bisschen hervorheben. Das war die Idee der Orange, sie ist ihr größter Fan.
#2: All I Want For Christmas Is You
Es scheint mir, als hättet ihr euch für diesen Song transformiert. Wer singt da?
Tatsächlich haben wir uns nicht transformiert: Das ist unsere originale wahre Identität (lacht). Inspiriert von unseren Eltern sind wir seitdem wir kleine Orangen waren große Fans der Neuen Deutschen Welle. Der Song verkörpert das Gefühl, wie es die Kultur der ostdeutschen 80er-Jahre erzeugt haben muss. Wir stellen es uns so vor: Eine Büroweihnachtsfeier in den 80er-Jahren im tiefsten Ostberlin und wenn der Chef zu tief ins Glas zu guckt hat, wird dieser Song gespielt. Es ist außerdem Grabowskis Lieblingsweihnachtssong. Wir wünschen auf diesem Wege allen Orangen, dass sie genug Orangenlikör im Hause haben und dass es ihnen gut geht., denn wenn wir „You“ sagen, dann meinen mir genau euch ihr süßen spritzigen Früchtchen!
#3: Stille Nacht
Braver Kirchenchor VS krassestes Metal Konzert. Akustische Besinnung liegt ja bekanntlich im Gehörgang des Hörenden. Beseelt euch dieser Song? Braucht ihr diesen Kick?
Naja, einen Kick brauchen wir schon, weil das Drumset sonst nicht vollständig ist. An den Drums sitzt übrigens die Orange, sie ist großartig. Wir sind ja schon Metall-Experten, auch wenn es nur Aluminium ist, weißt du. Der Song ist für uns ein zweischneidiger Marmorkeks (die tollen mit dem Schachbrettmuster): Hell und dunkel zugleich, so wie das Leben. Unser Kopfkino dazu ist: Man sitzt mit der Familie am Heiligabend am Tisch und es läuft Weihnachtsmusik. In deinem Kopf mit Schuss spielt sich aber was ganz anderes ab, während die Gespräche deiner Verwandten beinahe die 180-Grad-Grenze zum Aggressiven überschreiten. Die Szene sieht so aus: Stille Nacht in hohen Engelstönen, alles ist friedlich und dann explodiert der Kamin und der Weihnachtsbaum geht in Flammen auf und es entsteht absolutes Chaos. Und das immer im Wechsel.
#4: In Der Weihnachtsbäckerei
Mein persönlicher Lieblingssong. Da bekomm ich beim Kekse backen gleich Sehnsucht auf eine durchzechte Nacht im Techno-Schuppen. In der Kombi mit der kindlichen Stimme kann mein inneres Kind nicht anders als im Takt zu Steppen und auf dem Dancefloor auszurasten. Geht es euch genauso?
Dieser Song war auch ein Geschenk für unsere Liebsten. Wir haben uns schon gedacht, dass wir mit diesem Track ins tiefste Gold der Christbaumkugel treffen. Gruse hat in dieser Szene einige Kenntnisse, Grabowski hingegen keinen blassen Schimmer. Wir haben mit einer Mischung aus Weihnachts- und Technobeleuchtung versucht, die richtige Stimmung zu erzeugen. Das war dann so was wie Strobolicht in Rot, Grün und Gold. Das wäre auch unsere Empfehlung für Zuhause. Für die ganz großen Fans: Man kann das Rezept für Vanillekipferl rausfiltern, wenn man ganz genau zuhört. Aus den Erfahrungsberichten unserer Freunde macht der Song das heimliche Kekse backen zu einem Event. An der 10-Stunde-Version wird noch gearbeitet. Bis dahin: Wenn die Box schallert, wird geballert – aber nur der Puderzucker, Kidz!
#5: Last Christmas
Der Song transportiert den Mega-Hit der Band Whaam! Aus den 80ern in ein modernes Zeitalter. Wolltet ihr damit die Jugend von heute catchen?
Unsere Inspiration ist der Cloud-Rap mit all seinen Autotune-Rappern. „Last Christmas“ ist Gruses Lieblingsweihnachtssong. Wir wollten zum Ende noch modern werden, um Weihnachten ein bisschen up zu turnen. Wir erhoffen uns damit, unsere Audienz anzusprechen (60+), die offen für Neues sind. Man muss ja mit der Zeit gehen, das war für uns auch nicht einfach. Die Tatsache, dass der Song 2019 entstanden ist, ist jetzt schon Kult: „This is the Last Motherfucking Christmas“ – das letzte Weihnachten! Als hätten wir es vorhergesehen, dass dieses Jahr vieles, was Weihnachten normalerweise bedeutet, ausfällt.
Können wir uns auf weitere Hits des Kieler Duetts freuen?
Dieses Jahr zelebrieren wir erst mal, dass wir der ganzen Welt Zugang gestatten. Im Hinterstübchen wird an bewegtem Bildmaterial gearbeitet…
Passt auf, dass ihr dabei kein Haus niederbrennt! Lieben Dank an euch drei und eine besinnliche Adventszeit!
Dieser Text erschien zuerst auf DIEVERPEILTE.
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