Das Singleleben ist manchmal schon ziemlich beschissen. Versteh mich nicht falsch, ich bin glücklich damit, aber manchmal gibt es eben Situationen, in denen es nicht so ist. Besonders dann, wenn ich das Gefühl habe, dass man mich lieber mit einer Kneifzange anfassen würde. 

Seit ich denken kann, trete ich in Fettnäpfchen: Soll heißen, ich bin ehrlich und ein Ticken zu direkt. Ich frage Männer ganz offen und selbstbewusst, ob sie homosexuell sind, und ja, das mache ich, auch wenn andere Leute anwesend sind. Meinen neuen Mitbewohner, der ungefähr 1,60 m ist, fragte ich schon am zweiten Abend, ob er cool mit seiner Größe ist und Lust auf ein Interview mit mir hat – er war nicht so begeistert. Selbe Story mit der Freundin meiner damaligen besten Freundin. Sie ist wahrscheinlich zwei Köpfe kleiner als ich und als wir vor ein paar Jahren im Club zusammen feiern waren, beugte ich mich zu ihr hinunter und fragte sie, ob sie eigentlich hohe Schuhe anhat, weil sie so klein aussieht. Ich bin es gewohnt, dass mir böse Blicke folgen. Mir ist klar, dass meine direkte Art nicht bei jedem Menschen willkommen ist.

Das alles weiß ich. Ich weiß aber auch, dass ich mir kein Blatt vor den Mund nehme, wenn es um mich selbst geht. Was meist noch schlimmer ist, denn dadurch versaute ich mir schon so einige Momente. Das kannst du mir glauben – wobei mich meine Offenheit auch mit guten Menschen in Kontakt gebracht hat. Doch in diesem Artikel geht es nicht um diese Art von Mensch. Noch mal kurz zum Verständnis: Ich bin eine super tolle Frau. Eine dieser Personen, die ihr Lieblingshemd verschenkt, weil sie der Meinung ist, dass es dir besser steht. Eine, die ihren letzten Euro an Menschen in Not abgibt, auch wenn ich selbst kurz vorm Verdursten bin. Eine, die sich entschuldigt, wenn sie angerempelt wird und am Ende noch einen dummen Kommentar einstecken darf.

Schon als Kind ist mir aufgefallen, dass Aufrichtigkeit etwas ist, das bei uns nichts zu suchen hat. Ich erinnere mich an Situationen, in denen ich beobachten konnte, wie Menschen angelogen werden und damit glücklich sind. Sie wollen die Wahrheit nicht hören. Sie wollen ihren Selbstwert lieber mit einer Flunkerei pushen, als der Realität in die Augen zu schauen. Okay, nicht ganz mein Ding, aber kann ja jeder machen, worauf er Bock hat. Traurig ist, dass ich genau so einen Typ Mensch gedatet habe. Ein Mann, der sich in seiner Bubble wohlfühlt und nicht bereit ist, meine kennenzulernen.

Bei manchen Typen weiß man, dass es nicht bei einem One-Night-Stand bleiben wird. Man trifft sich, hat Sex, liebt sich, kuschelt und ist glücklich, weil man sich geborgen fühlt. Er war so jemand. Wir lernten uns über eine Bekannte kennen und hatten zu Beginn überhaupt nichts miteinander zu tun. Und obwohl wir uns nicht kannten, verbrachten wir eine wunderschöne Nacht miteinander und ich hatte seit Langem mal wieder das Gefühl, dass ich jemanden vertrauen kann. Das dachte ich jedenfalls. Schon beim zweiten Date stellte sich heraus, dass ich mich in diesem Punkt gewaltig getäuscht hatte. Wir fackelten nicht lange und schliefen direkt miteinander auf eine schöne und intime Weise. Wie ich schon mal erwähnt hatte, habe ich eine vermeintliche Latexallergie und deshalb keinen Spaß an Sex mit Kondom. Deshalb fragte ich ihn in der darauffolgenden Nacht, ob es okay wäre, den Schutz wegzulassen, da meine Vagina anfing zu streiken.

Hätte ich gewusst, was diese Frage in ihm auslöst, hätte ich sie weder gestellt, noch hätte ich mich weiter mit ihm getroffen. An manchen Tagen fühlt es sich an wie dieser Traum, bei dem die Frau auf einem weißen Pferd in die Arme ihres Traumprinzen reitet. Man wird lockerer und fühlt sich sicher. Als ich ihn danach fragte, ob wir das Kondom weglassen könnten, schaute er mich unsicher an und erklärte mir, dass er das nur ungerne machen würde, da wir uns noch nicht gut genug kennen. Wow – wenn ich so etwas von einem Mann höre, will ich ihn noch mehr!

Es treibt mich manchmal in den Wahnsinn, dass ich keinen Sex mit Kondom haben kann. Manchmal brennt meine Vagina so sehr, dass ich jede Sekunde zähle, bis der Mann endlich zum Orgasmus kommt. Ich merke, wie trocken sie ist und wie peinlich mir das Ganze vor meinem Partner ist. Wir einigten uns schließlich darauf, das Kondom wegzulassen. Obwohl ich kein gutes Gefühl dabei hatte, war ich sehr erleichtert. Die Symptome gingen direkt zurück und ich hatte wieder Spaß daran, mit ihm zu schlafen. Wo meine Freude anfing zu wachsen, erweckte seine Paranoia zum Leben. Im Anschluss fragte er mich, ob ich es denn öfters ohne mache. Ehrlich, wie ich bin, nickte ich und machte ihn noch einmal auf meine Beschwerden aufmerksam.

Ironischerweise gehe ich super oft zum Frauenarzt. Zugegeben: gezwungenermaßen! Meine Vulva reagiert sehr empfindlich auf fremde Bakterien und zum Dank darf ich mir regelmäßig eine Blasenentzündung abholen – mindestens viermal im Jahr setze ich mich auf den kalten Stuhl und mache die Beine breit. Wer hat Angst vor einer Geschlechtskrankheit? Ich!! Wir können nicht davon ausgehen, dass jeder Mensch frei von Krankheiten ist, deshalb lasse ich mich einmal im Jahr testen. Zusätzlich besitze ich ein gepflegtes Erscheinungsbild, meine Haut ist sanft und frei von jeglichen Unreinheiten.

Unsere Vorurteile schaffen Gräben zwischen uns und kosten uns wunderschöne Momente, die wir sonst miteinander haben könnten. Am meisten lernen wir immer von den Menschen, die sich am stärksten von uns unterscheiden. Ich persönlich würde mich über etwas mehr Vertrauen freuen – doch dazu war er nicht in der Lage. Mit einem Mal veränderte sich seine Stimmung von gut gelauntem Gelächter zu Stillschweigen. In mir bereitete sich die unwohle Vermutung aus, dass etwas nicht in Ordnung ist. Ich ertappte mich dabei, wie ich mich darüber ärgerte, dass ich ihm die Wahrheit gesagt hatte. In diesem Moment wünschte ich mir, dass ich besser lügen könnte. Doch ich hatte Verständnis für seine Sorge, immerhin kann das einen beunruhigenden Eindruck hinterlassen, besonders dann, wenn man sich noch nicht lange genug kennt. Andererseits hätte er auch Nein sagen können. Ab diesem Zeitpunkt fing er damit an, mir ein schlechtes Gewissen einzureden, und als wir uns am nächsten Tag verabschiedeten, sagte mir mein Instinkt, dass es das letzte Mal sein würde, dass ich in diese braunen Augen schauen werde.

Eine Woche später sahen wir uns wieder. Gegen meiner Erwartung hatten wie einen zauberhaften Abend im Freien und gingen danach zu mir. Alles wunderbar. Bis zum nächsten Treffen. Erneut musste ich mich für meine „dreckige“ Vagina rechtfertigen. Hinzu kam die Sorge vor einer Schwangerschaft, die zugegeben mehr als berechtigt ist. Doch auch an dieser Stelle noch einmal: Du kannst auch nein zu mir und meiner Pussy sagen. Egal ob ich besonders unachtsam im Umgang mit Verhütung bin, schwanger war ich noch nie. Ich fühlte mich dabei wie ein Zootier: Von oben bis unten wurde ich gescannt und analysiert. Seine Paranoia gingen mir dermaßen auf die Nerven und da wir einige Tage zusammen verbrachten, bot ich ihm an, die Pille zu nehmen. Puh okay, alles wieder gut.

Natürlich folgten weitere Situationen, in denen ich mich vor ihm rechtfertigen musste. Einmal hob ich ein Stück Plastik vom Boden auf. Daraufhin keifte er mich an, dass ich nicht alles anfassen solle. Das Machtspiel, das er mit mir ausübte, machte sich auch daran bemerkbar, dass er mich ständig dazu aufforderte, ihm einen Blowjob zu geben. Er wiederum war nicht bereit, dasselbe für mich zu tun. Einmal bat ich ihn um eine Fußmassage, daraufhin fragte er mich kalt, warum er das tun sollte, immerhin sei der letzte Blowjob schon viel zu lange her. Am letzten Tag seines Besuches hatte ich so die Schnauze voll, dass ich einen Streit anfing. Ganz wohl damit fühlte ich mich jedoch nicht, also versöhnten wir uns danach wieder. Als er schließlich unsere Wohnung verließ, um nach Hause zu gehen, war ich mehr als erleichtert. Zusätzlich plagte mich aus irgendeinem Grund das schlechte Gewissen, ich hatte das beklemmende Gefühl, dass ich etwas falsch gemacht hatte. Das änderte sich jedoch schon bald.

Eine weitere Geschichte, die ich ihm besser hätte nicht erzählen sollen, war die, wie ich zu zwei meiner Tätowierungen gekommen bin. Ich ließ meine Stick and Poke bei Freunden zu Hause stechen. Wir hatten kein Desinfektionsmittel, nur Wodka. Die Nadel war natürlich original verschweißt! Ein paar Tage nachdem wir uns das letzte Mal gesehen hatten, schrieb er mir eine Nachricht und fragte mich, ob ich in den letzten Wochen hohes Fieber gehabt hätte. Ich fing an mit den Augen zu rollen, da ich glaubte, er würde sich nun wegen Covid19 Sorgen machen. Bis die nächste WhatsApp ankam: „Frage nur, weil du dich ja ein paar Mal hast tätowieren lassen und nur mit Wodka desinfiziert hast. Mach mir gerade bisschen Gedanken wegen HIV.“

Am meisten verletzt es mich, dass ich die Anzeichen nicht früher gesehen habe. Und wir uns über einen längeren Zeitraum getroffen haben, indem er mich größtenteils wie eine Bazille behandelt hat. Ich habe schon oft beobachtet, wie andere Frauen oder auch Männer respektlos behandelt wurden, doch wenn es einem selbst widerfährt, braucht es mehr Zeit, um zu verstehen. Es fühlt sich nicht schön an, in eine derartige Schublade gesteckt zu werden, aufgrund von Beschwerden, für die man nichts kann und dafür, dass man das Gefühl hatte, es bestehe eine Vertrauensbasis. Eines ist sicher: Du bist nicht der Mann, der mir meine Offenheit rauben wird. Und obwohl du mich wie ein Stück Scheiße behandelt hast, empfinde ich Mitleid für dich.

Illustration: osaydon

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Ist in Nürnberg aufgewachsen, brach erfolgreich drei Studiengänge ab und entdeckte ihre Leidenschaft für den Journalismus durch ein Praktikum in einer Musikredaktion. 2019 gründete sie das DIEVERPEILTE-Magazin. Themenschwerpunkte sind Mental Health, Krankheiten, soziale Ungerechtigkeit, Sexualität und Drogen.

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