Neulich, da wurde ich zu einer etwas ungewöhnlichen Party mitgeschleppt. Kopfhörerparty nannten sie es. Hab‘ mir zuerst nichts Großes darunter vorgestellt. Dachte, da treffen sich ein paar Leute in einem Raum und laufen im Kreis herum. Musik läuft dabei über Kopfhörer und man schaut mal, wie sich die anderen dazu verhalten. So was wie eine Musiktherapie. Da hab ich Köln wohl unterschätzt. Die Veranstaltung fand in den Räumlichkeiten des Vereins Kulturraum 405 e.V. statt. Bereits in der Schlange kamen uns Leute mit unterschiedlich farbig leuchtenden Ohrhörern entgegen. Die einen wippten im Takt, andere wirkten verträumt, wieder andere total in Fahrt. Doch etwas hatten alle gemeinsam, sie wirkten glücklich. Die Münder zu einem Lächeln geformt, die Augen am Strahlen. Und nach einiger Wartezeit ging es dann auch für uns los. Entgegen aller Erwartung gelangten wir auf eine richtige Party, auf der drei DJs zur selben Zeit spielten. Doch im Gegensatz zu den Feten, die ich kannte, kam es hier nicht darauf an, auf welchem Floor man sich befand. Die Musik war ja nur über die Kopfhörer zu hören und ertönte nicht aus Lautsprechern. So konnte man sich überall aufhalten und hatte immer Musik im Ohr. Mithilfe der drei verschiedenen Kanäle war das auch richtig abwechslungsreich. Wenn die Lust auf Techno verflog, ging es einfach weiter zum nächsten Channel, wo dann mal Disco, House, Hip Hop oder Dubstep lief. Sogar ein LiveSet war mit am Start. Und das über Kopfhörer genießen zu können, hatte für mich noch mal einen ganz anderen Wert. Keiner quatscht dir dazwischen, man kann sich komplett auf die Musik konzentrieren. Zudem faszinierte mich die Interaktion auf der Party zu anderen Gästen. Nicht selten kam es mal vor, dass ich von Leuten mit demselben Channel einen bestätigenden Grinser abbekam. Man lachte sich gegenseitig an oder buhte sich gegenseitig aus, je nachdem, was man gerade hörte. Andere tanzten währenddessen kreuz und quer durch den Raum, während sie auf einem komplett anderem Sound unterwegs waren. War total witzig zu beobachten.

Nachdem ich einen super Abend im Kulturraum 405 hatte, wollte ich ein bisschen mehr darüber erfahren. Also traf ich mich mit Ole, er ist eines der Vorstandsmitglieder des Vereins. Er erzählte mir, dass er bereits seit der ersten Infoveranstaltung, die im September 2018 stattfand, mit an Bord ist. Durch ein paar Leute aus seinem Bekanntenkreis, die das Ganze initiierten, wurde er auf den Verein aufmerksam. „Damals hatte ich vor allem den Fokus, dass ich hier vielleicht einmal die Woche Jonglieren könnte. Gerade im Winter ist es schwierig, dafür eine Location zu finden“, erinnert er sich zurück. Mittlerweile wurde er als Kassenwart in den Vorstand gewählt. Hauptsächlich kümmert er sich also um das Geld, das ein- und ausfließt.

Zur Gründung des Vereins kam es, nachdem die Autolackiererei, die zuvor in der Halle beheimatet war, auszog. Während der Renovierung standen die Räumlichkeiten dann erst mal leer und so fand das minha galera Kollektiv mit der Organisation von Flohmärkten schnell einen Nutzen für das Gebäude. Nachdem die Renovierung abgeschlossen war, wollten die Vermieter wieder verpachten. Doch was daraus werden sollte und wer die Halle bekommt, war noch nicht so ganz klar. „Einige Leute fanden die Idee schade, dass man daraus einen Lagerraum oder eine Werkstatt macht und der Platz dann nicht mehr nutzbar wäre. Daraufhin wurden Leute aus dem Verteiler vom Zugvøgel Festival zusammengetrommelt und wollten hier einen Freiraum schaffen, den alle gemeinsam nutzen können“, erzählt Ole. Wie man das am besten anstellt, wurde dann auf einer Infoveranstaltung besprochen, auf der verschiedene Konzepte vorgestellt wurden. Und wenig später ging es dann auch schon los. Ole erinnert sich noch an die riesige Brainstormsession, die damals stattfand. Als klar war, was mit der Halle passieren sollte, teilten sie sich in kleine Gruppen auf, die sich später um bestimmte Bereiche kümmern sollten, und meldeten den Verein an.

Mittlerweile hat der Verein ca. 400 Mitglieder. Wer Mitglied werden möchte, verpflichtet sich für ein halbes Jahr, den Mitgliedsbeitrag von zehn Euro monatlich zu bezahlen. Doch nicht alle Beteiligten sind auch wirklich aktiv. „Ich denke, es ist eine Gruppe von ca. 50 Leuten, die wirklich regelmäßig etwas macht“, sagt er. Natürlich gibt es da wieder Unterscheidungen in der Aufgabenverteilung. So tragen nur ca. 20 der Mitglieder die Hauptlast auf sich. Zwar würde sich der Verein wünschen, dass man zur Anmeldung auch ein Gesicht zu sehen bekommt, jedoch ist ein persönliches Erscheinen dafür nicht nötig. Jeder kann Mitglied werden, ganz ohne Ausnahmen. „Man kann sich einfach online eintragen und mitmachen. Es soll ein offener Ort sein, wo jeder dabei sein kann“, so Ole. Wer sich nicht einfach blind anmelden möchte, sondern lieber erst mal reinschnuppert, für diejenigen werden offene Abende zum Kennenlernen angeboten. Dienstags und freitags gibt es keine festen Programmpunkte, somit bietet sich hier die Möglichkeit, dass man mit seinen Freunden einfach mal vorbei schaut. Ansonsten gäbe es da noch den Brunch am letzten Sonntag im Monat, Mitglieder nennen es Brunch & Brief.

Und was wird jetzt hier so geboten? Ole erzählt, dass die Grundidee sei, dass es sich dabei um eine Art kollektives Wohnzimmer handelt, das von allen genutzt werden kann. Im Endeffekt kann man dort seine Veranstaltungen organisieren, Workshops veranstalten oder einfach nur abhängen. „Die Mitglieder bieten das Programm an, wir versuchen nur, das Ganze zu koordinieren, sodass die Sachen nicht gleichzeitig stattfinden“, erklärt er. Wenn man also eine Idee hat, kann man sich einfach bei den Leuten, die sich um das Programm kümmern melden, um die Rahmenbedingungen abzuklären und zu koordinieren. Den Programmpunkt kann das Mitglied dann selbst durchführen. Und solange zeitlich nichts gegenspricht, wird die Anfrage im Normalfall auch angenommen. Somit bietet die Mitgliedschaft im Kulturraum ganz neue Möglichkeiten, die eigenen Veranstaltungen auszuführen. Finanziert wird das Ganze über die Mitgliedsbeiträge und Spendeneinnahmen. Hauptsächlich wird davon die Miete bezahlt, denn alle Angebote, werden kostenlos angeboten. „Natürlich gibt es auch immer wieder mal Workshops, für die Materialien benötigt werden. In solchen Fällen wird dann um eine kleine Spende gebeten, um die Kosten zu decken“, ergänzt er.

Das Geld steht hier also nicht im Vordergrund, viel mehr geht es um ein Miteinander. Etwas gemeinsam auf die Beine stellen zu können uns sich da einzubringen, wo man auch Lust drauf hat. So auch Veranstaltungen wie der Silent Rave, den ich besuchte. Drei DJ-Pulte und insgesamt 18 Acts sorgten für Musik, die man über drei Kanäle genießen konnte. Zum ersten Mal fand dieser Anfang 2019 statt. „Die Idee kam uns zum einen dadurch, dass viele unserer Mitglieder gerne feiern gehen und auch Partys veranstalten. Zudem kannten wir das Konzept schon von anderen Partys. Nur haben wir das Problem, dass wir uns inmitten von Wohnhäusern befinden, direkt an der Straße. Somit ist das nicht die optimale Location, um die ganze Nacht laut zu sein. Da hat man sonst sofort die Polizei vor der Tür stehen. Also war das für uns eine gute Zwischenlösung, ab und zu mal Veranstaltungen zu machen, die wie Partys aufgebaut sind, jedoch ohne das mit sich führende Lautstärkeproblem“, schließt Ole ab.

Orte, wie den Kulturraum 405, gibt es nur, weil Menschen viel Liebe, Zeit und Arbeit dort hineinstecken. Alles ehrenamtlich. Freiräume wie diese können nur bestehen, wenn sie mit derselben Liebe behandelt werden, mit der sie auch großgezogen wurden. Auch kleine Spenden tragen dazu bei, dass Veranstaltungen, wie diese, lebendig bleiben.

 

Aufgrund der aktuellen Situation kann der Kulturraum 405 keine Veranstaltungen mehr durchführen, bis das Thema Coronavirus durch ist. Zwar werden die Mitgliedsbeiträge weiterhin bezahlt, jedoch kommen keinerlei andere Einnahmen mehr ein, doch viele Ausgaben laufen weiterhin. Wir fänden es super, wenn ihr sie unterstützt und für diesen besonderen Ort spendet. Somit könnte ein Teil der Kosten gedeckt werden, damit auch weiterhin viele schöne Angebote stattfinden. Hier könnt ihr das Team kontaktieren. 

 

Du bist jetzt richtig heiß drauf, Mitglied zu werden? Dann klick doch mal hier.

 

kulturraum 405

Du bist gar nicht so heiß und willst dich nur informieren? Na dann schau mal hier.

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Ist in Nürnberg aufgewachsen, brach erfolgreich drei Studiengänge ab und entdeckte ihre Leidenschaft für den Journalismus durch ein Praktikum in einer Musikredaktion. 2019 gründete sie das DIEVERPEILTE-Magazin. Themenschwerpunkte sind Mental Health, Krankheiten, soziale Ungerechtigkeit, Sexualität und Drogen.

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