WARNUNG: Dieser Text enthält Schilderungen von Alltagsrassismus.

Hallo, mein Name ist Thavaanaa Kunabalasingam und ich bin 24 Jahre alt. Ja, mein Name verrät, dass ich einen Migrationshintergrund habe. Meine Eltern kommen ursprünglich aus Sri Lanka und sind aufgrund des Bürgerkrieges in den 1990er Jahren nach Deutschland geflohen. Oft werde ich gefragt, wo ich herkomme und darauf sage ich: „Aus dem Bauch meiner Mama.“ Natürlich weiß ich, worauf die Frage abzielt. Dann kommt immer die Gegenfrage: ,,Ich meine, wo kommst du wirklich her?“

Ob du es glaubst oder nicht, diese Frage ist rassistisch, obwohl du dich selbst noch nicht mal als Rassist:in bezeichnen würdest, weil du wahrscheinlich Freund:innen oder Bekannte mit Migrationshintergrund hast und du dich politisch eher in der Mitte einordnest. Wie kann eine Frau mit brauner Hautfarbe und schwarzen Haaren behaupten, dass sie eine Deutsche ist? Ja, vermutlich bist du von meinem Erscheinungsbild ausgegangen und hast daraus abgeleitet, dass ich keine Deutsche sein kann.

Bevor wir in dieses Thema einsteigen, sollte man sich mit dem Begriff Rassismus auseinandersetzen. Die UN-Antirassismuskonvention definiert rassistische Diskriminierung als „jede auf der vermeintlichen ethnischen Herkunft, ‚Rasse‘, Hautfarbe, Abstammung oder nationalen Ursprungs beruhende Unterscheidung, Ausschließung, Beschränkung oder Bevorzugung, die zum Ziel oder zur Folge hat, dass dadurch ein gleichberechtigtes Anerkennen, Genießen oder Ausüben von Menschenrechten und Grundfreiheiten im politischen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen oder jedem sonstigen Bereich des öffentlichen Lebens vereitelt oder beeinträchtigt wird.“

Rassismus ist wesentlich vielfältiger als man es selbst für möglich hält. Rassismus heißt nicht nur Weiß gegen Schwarz.

Ich wurde oft ohne Grund beleidigt, zum Beispiel mit „Du siehst nicht nur scheiße aus, du bist scheiße.“ Es hat mir jemand beim Feiern mitten ins Gesicht gespuckt. Es wird mit mir langsamer und lauter gesprochen, weil man denkt ich wäre der deutschen Sprache nicht mächtig. Als die indische Corona-Variante ihr Unwesen trieb, sind Menschen in der U-Bahn vor mir weggelaufen. Dazu wurde ich massiv bedrängt, indem mir die Schuld für die Corona-Krise gegeben wurde. Es wurde mir deutlich gezeigt, dass ich hier nicht erwünscht bin.

Das macht was mit einem. Ich habe mich oft minderwertig gefühlt. Ich hatte das Gefühl, ich sei wertlos und einfach nicht genug. Ich habe mich für mein Aussehen gehasst und es fiel mir schwer, mich im Spiegel anzusehen, ohne zu denken „Du bist hässlich.“ Ich habe mich geschämt für die Person, die ich bin und habe immer den Fehler bei mir gesucht. Ich habe es mir nicht ausgesucht, braune Haut und schwarze Haare zu haben. Ich wurde für etwas verurteilt und diskriminiert, wofür ich rein gar nichts kann.

Während diese direkten rassistischen Attacken mich gezielt ausgrenzen und verletzen sollen, steht hinter der Frage „Woher kommst du?“ bestimmt nicht diese Absicht. Dennoch gibt man mir dadurch das Gefühl, kein Teil dieser Gesellschaft zu sein. Trotzdem wissen viele nicht, was Sie mit dieser Frage in mir auslösen, nämlich, dass ich mich rechtfertigen muss, warum ich hier lebe.

Meine Haare werden einfach angefasst ohne mich zu fragen – ich bin doch kein Tier im Streichelzoo. Würde es dir gefallen, wenn ich dir ins Gesicht fasse und sage: „Boah, Alter – bist du weiß!“

Ich fühle mich in vielen Bereichen der Gesellschaft systematisch benachteiligt. BIPoC (Black, Indigenous, and People of Color) haben es schwerer, eine Wohnung zu finden und erhalten öfter eine Absage zu einem Vorstellungsgespräch aufgrund des Namens oder Aussehens. Ist das fair?

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„Ich fühle mich in vielen Bereichen der Gesellschaft systematisch benachteiligt“: Thavaanaa Kunabalasingam Anfang Februar in Köln. © Lea May

Ob das jemand hören möchte oder nicht: Weiß oder hellhäutig zu sein, ist ein Privileg, – ohne jemals etwas dafür geleistet zu haben. Ich muss hundertmal mehr beweisen, dass ich ebenbürtig bin.

Es wird oft von Fremdenhass und Ausländerfeindlichkeit gesprochen. Ich frage mich nur, wie kann das sein? Ich lebe und arbeite hier. Meine Familie und meine Freund:innen leben hier in Deutschland. Mein gesamter Lebensmittelpunkt ist hier und trotzdem bin ich eine Fremde oder eine Ausländerin in dem Land, das ich meine Heimat nenne. Ich finde es nicht richtig; es ist schlichtweg falsch. Es muss klar werden, dass Menschen wie ich  – mit Migrationshintergrund – auch Teil dieser Gesellschaft sind. Der erste Artikel im Grundgesetz lautet: „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geist der Brüderlichkeit begegnen.“ Ich möchte nur anmerken, dass das Grundgesetz seit 1949 existiert.

Was kann man konkret gegen Rassismus tun?

Es ist großartig, wenn Menschen in sozialen Medien Beiträge gegen Rassismus posten und ihre Haltung verdeutlichen. Die mächtigste Waffe, die wir Menschen besitzen, ist und bleibt unsere Sprache. Wir müssen miteinander ins Gespräch kommen und wirklich zuhören. Es geht nicht darum, die “Weißen” als die Bösen und die “Schwarzen” als die Opfer darzustellen oder jemanden von der eigenen Meinung zu überzeugen. Es ist enorm wichtig, unsere Erfahrungen auszutauschen und uns dieses Problems bewusst zu werden. Jede:r soll mitsprechen dürfen und an der Diskussion teilnehmen. Es ist egal, ob Weiß oder Schwarz. Es sollte jeder Person die Möglichkeit gegeben werden, die individuellen Meinungen, Erfahrungen und Eindrücke frei zu äußern. Es ist ein gesellschaftliches Problem und nicht das Problem einer bestimmten Gruppe. Nur zusammen kann eine Lösung gefunden werden.

Ich wünsche mir, dass ich mich nie mehr dafür rechtfertigen muss, wo ich herkomme. Es ist meine Entscheidung, wem und was ich mich zugehörig fühle. Es ist maßgebend, dass ich als gleichberechtigter Teil dieser Gesellschaft wahrgenommen werde und einen Platz am Tisch verdient habe. Ich bin ebenfalls mit Vorurteilen aufgewachsen und reproduziere diese manchmal, ohne es zu bemerken. Doch es ist wichtig, sich und – versteckt sowie offensichtlich – diskriminierende Vorurteile bewusst zu reflektieren. Wir sind alle nicht fehlerfrei, aber trotzdem sollten wir anderen Menschen mit Respekt und Achtung begegnen. Wir sollten auf unsere Sprachwahl achten und Worte wie Fremdenhass oder Ausländerfeindlichkeit vermeiden, weil genau diese spaltende Wortwahl impliziert, dass es um “die Anderen”, “die Fremden”, “die Ausländer” geht. Diese Bezeichnungen verstärken die Spaltung der Gesellschaft,  anstatt sie zu vereinen. Menschen mit Migrationshintergrund gehören genauso zur „deutschen“ Gesellschaft wie Personen ohne Migrationshintergrund.

Die Politik muss sich klar bekennen, dass Rassismus kein Kavaliersdelikt ist und für Täter:innen muss es härtere Konsequenzen geben.

Ein wichtiger politischer Schritt wäre, dass das Wort „Rasse“ aus dem Gesetz gestrichen wird, da es keine Menschenrassen gibt.

Ein Beispiel: Menschen, die im Fußballstadion Affengeräusche machen oder farbige Fußballspieler:innen mit Bechern bewerfen, haben nichts im Stadion zu suchen. Das Spiel sollte ab diesem Moment abgebrochen werden. Dieses Verhalten hat rein gar nichts mehr mit einem Spiel zu tun. Menschen, die so eine Scheiße veranstalten, gehört der Eintritt in das Stadion verwehrt sowie die Dauerkarte entzogen. Der Respekt sollte vor dem Profit stehen – und vor jedem einzelnen Ego. Die Vereine sind in der Pflicht, dieses Thema aktiv anzugehen. Es reicht nicht, wenn Fußballspieler:innen ein UEFA-Bändchen am Arm tragen, auf dem „RESPECT“ steht. Es reicht nicht, einen Beitrag in sozialen Medien zu posten, in dem steht, wie sehr man diesen Vorfall bedauert. Den Täter:innen sollte man ein direktes Gespräch mit den betroffenen Spieler:innen anbieten und fragen, warum sie so etwas machen. Es ist fraglich, ob diese Leute dann immer noch so selbstbewusst sind. Ich würde mal behaupten Nein.

Der DFB geht in die richtige Richtung. Im Dezember 2021 wurde das Fußballspiel MSV Duisburg gegen VfL Osnabrück abgebrochen, da der Fußballspieler Aaron Opoku mit Affengeräuschen massiv beleidigt wurde. Das ist das erste Mal im deutschen Fußball, dass ein Spiel wegen eines rassistischen Vorfalls komplett abgebrochen wurde. Das Duisburger Stadion spielte daraufhin das Lied „Schrei nach Liebe“ von der Band Die Ärzte ab und alle Fans, egal ob von Duisburg oder Osnabrück, sangen dieses Lied mit absoluter Entschlossenheit zusammen. Es wird immer wieder davon gesprochen, dass die deutsche Gesellschaft gespalten sei, aber in diesem Moment waren sich alle im Stadion einig: Rassismus hat nichts in unserer Gesellschaft verloren! Das Lied wurde 1993 veröffentlicht und hat an seiner Bedeutung nichts verloren. Man könnte dieses Lied auch als „die deutsche Hymne gegen Hass und Hetze“ betiteln. Den Song können die meisten eher auswendig mitsingen als die deutsche Nationalhymne selbst.

Es ist ein Privileg, dass so viele Menschen mit verschiedensten Hintergründen zusammenleben. Darauf könnten wir absolut stolz sein. Ich bin stolz, eine waschechte Düsseldorferin zu sein und es gibt keinen Ort, wo ich mich so heimisch fühle wie hier.

Wenn wir wollen, dass Rassismus irgendwann kein zentrales Thema der Gesellschaft mehr ist, dann müssen wir bei uns selbst beginnen. Kein Gesetz wird stärker sein als unsere innere Einstellung und Überzeugung. Ich bin immer noch davon überzeugt, dass Liebe zweifellos stärker ist als Hass und Hetze.

If you want to make the world a better place,
Take a look at yourself,
and then make a change.

(Michael Jackson, Man in the Mirror, 1988)

Autorin: Thavaanaa Kunabalasingam

*Anmerkung der Redaktion: Dies ist ein Erfahrungsbericht und gilt mitnichten für alle Menschen, die von Alltagsrassismus betroffen sind. Es geht hier um eine persönliche Perspektive, nicht um Pauschalisierung. 

Dieser Text erschien zuerst auf DIEVERPEILTE.

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