So wie wahrscheinlich alle Menschen heutzutage lebe ich in meiner kleinen, aber feinen Wissens-Bubble. Meine Bubble: Perfekt geformt, auf meine Interessen angepasst – herzliche Grüße gehen raus an die algorithmische KI hinter den Kulissen von Instagram. Sie besteht größtenteils aus Öko-Kram und Feminismus. Ich bin daher in letzter Zeit auch manchmal auf den Begriff des Ökofeminismus gestoßen. Letztens wurde mir in einem Werbebeitrag der NGO „Women Engage for a Common Future“ (WECF) ein Test vorgeschlagen: „Bist du Öko, Feminist*in oder Ökofeminist*in?“.

Da ich mich gerade viel mit dem Thema beschäftige, weil es Teil meiner Bachelorarbeit ist, machte ich den Test nur spaßeshalber. Manche Fragen und vor allem die Auswahlmöglichkeiten sind manchmal etwas unpassend gewählt, wie ich finde. Doch wenn man sich daran nicht aufhängt, kann es impulsgebend für das Thema sein.

Nichtsdestotrotz verkünde ich hier feierlich: Ich bin eine Ökofeministin! Jetzt ist es raus, ich oute mich.

Oder eben auch nicht.

Der Test hat mir gesagt „Glückwunsch, du hast die komplexen Zusammenhänge zwischen Klimagerechtigkeit und Feminismus erkannt!“. Ja, das weiß ich. Aber ich scheue mich dennoch davor, mich „Ökofeministin“ zu nennen. Und zwar aus einer ähnlichen Herleitung, weshalb sich viele Menschen, die eigentlich feministische Sichtweisen vertreten und ausleben, nicht als Feminist*innen betiteln möchten.

Aber jetzt noch mal von vorn. What the f*** is Ökofeminismus? Quasi genau das, wortwörtlich. Eine Mischung aus Öko und Feminismus. Angefangen hat alles mit einer Französin, die in den 1970er Jahren ein Buch schrieb mit dem pathetischen Titel „Le feminism ou la mort“ – zu Deutsch: Feminismus oder Tod. Der Gedanke, der hinter dieser Spate des Feminismus steckt, ist der, dass durch die Macht- und Herrschaftsbestrebungen im Patriarchat die Welt mit all ihren Lebewesen früher oder später in Gänze zerstört sein werde. Feminismus strebe eine Gleichberechtigung aller Lebewesen auf dem Planeten an, und nur unter dieser Prämisse könne das Leben auf dem Planeten Erde auch in Zukunft fortgeführt werden.

Bei dieser Argumentation gehe ich voll mit. Für mich sind es logische Schlussfolgerungen, wenn ich mir anschaue, wie die Welt funktioniert. Es wird Kohle abgebaut, anstatt dass Solarenergie von der Politik, der Energie-Lobby und anderen entscheidungsmächtigen Institutionen for real gefördert wird. Der Auto- und Flugverkehr wird subventioniert, der massenhafte Schadstoffausstoß damit toleriert und unterstützt, während die Deutsche Bahn unfaire Preise erhebt, weil sie eben keine vergleichbare Summe vom Staat erhält. Es wird lieber hektarweise Regenwald abgeholzt, um Tiere zu halten, zu töten und zu essen, obwohl die Tiere ihre Nährstoffe aus den Pflanzen erhalten und Menschen diese Pflanzen auch einfach direkt essen können. Die Aufzählung könnte noch weiter gehen. Ich käme immer zu demselben Schluss: Es ist unlogisch. Vor allem, wenn Menschen gecheckt haben, dass sich das Klima auf der Erde gerade so rasant wandelt, weil wir Menschen zu schnell zu viel verbrauchen und zerstören.

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Und ja, meiner Ansicht und Analyse nach ist das Schneller-Weiter-Höher-Zerstören- Denken ein patriarchales. Kapitalismus ist ein patriarchales System. Die gesellschaftlichen Strukturen sind traditionellerweise ausschließlich auf Cis-Männer* zugeschnitten und bieten oft weder Platz für andere Geschlechter noch für Natur und Tiere. Also: Ja! Smash the patriarchy, not the climate!

Trotzdem habe ich ein Problem damit, mich als Ökofeministin zu bezeichnen, auch wenn der auf Wissenschaft basierende Sockel dieser Bewegung es genauso meint, wie oben beschrieben. Doch was ich in meiner Bubble auch beobachte, ist, dass die Natur verweiblicht wird, Klima- und Umweltschutz zur Frauen-Sache gemacht wird. Und das wäre fatal. Nach wie vor leben wir in einer Welt, die politisch zu einem sehr großen Teil von alten weißen Cis-Männern bestimmt wird, die sogenannte „Frauen- Sachen“ mit einem herzlich aufgesetzten Lächeln und einem übergriffigen Schulterklopfer abtun. Klimaschutz darf nicht zum „Kaffee-Kränzchen-Thema“ werden.

Genau das befürchte ich allerdings. Wenn ich sehe, wieviel DIY-Hacks es von Bloggerinnen zum Thema Kosmetik, Putzen und Kochen gibt, stets mit der Verfolgung eines nachhaltigen Lebensstils. Wenn ich sehe, wie das Bündnis zwischen Frauen und der Natur hergestellt wird, weil Frauen menstruieren und empfänglicher für Spiritualität und die Weltenseele seien. Wenn ich sehe, wie Naturschutz in Illustrationen und Erzählungen verniedlicht wird. All diese Umsetzungen des eigentlichen Ziels, Klimaschutz gesellschaftsfähig zu machen (oder die Gesellschaft klimafähig?), verlaufen, meiner Meinung nach, im Sand. Tatsächlich sind diese Ansätze nicht feministisch und auch nicht nachhaltig.

Es werden alte Geschlechterrollen reproduziert, die Diversität aller Geschlechter wird nicht beachtet und eine der größten Gesellschaftsgruppe neben der der Frauen, die Gruppe der Männer, wird ausgeschlossen (weil viele sich einfach nicht angesprochen fühlen). Für meine Bachelorarbeit habe ich einen jungen Cis-Mann interviewt, der sagte, es sei an der Zeit, dass die Bude aufgeräumt werde, weil Männer sie schon genug zerstört hätten. Wenn ich sowas höre läuten bei mir die Alarmglocken. Abbruch! Frauen haben hier gar nichts aufzuräumen, räumt euren Dreck allein weg!

patriarchy

Wenn Feminismus mit all den zukunftsfähigen und gleichberechtigten Inhalten erfolgreich sein will, muss er subtiler sein. Denn ansonsten passiert vor allem eins, was auch jetzt schon zu oft passiert: die Spaltung der Gesellschaft. Eine Kluft zwischen den unterschiedlichen Gesellschaftsgruppen. Zwischen Männern und Frauen, zwischen „Ober- und Unterschicht“ (wenn es das überhaupt noch gibt), zwischen Jung und Alt, links und rechts.

Was eigentlich durchbrochen werden muss, wenn wir in irgendeiner Sache irgendwie gesellschaftlich vorankommen wollen, sind genau diese Strukturen, in denen sich zwei Fronten gegenüberstehen, zwischen denen sich eine Kluft auftut, die niemand mehr überqueren und über die hinweg sich nicht mehr zugehört werden kann. Das Kategorisieren in eine Untergruppe des Feminismus in einer Zeit, in der Feminismus bei einem Großteil der Gesellschaft auf Ablehnung stößt, ist dabei nicht förderlich.

Der Klimawandel und soziale Ungerechtigkeiten sind gesellschaftliche Herausforderungen, für die ich in diesem Text leider auch keine perfekte Lösung parat habe. Meine Lösung geht auf jeden Fall in die Richtung, dass endlich kommuniziert wird. Und zwar verdammt noch mal ehrlich und auf Augenhöhe. Es wäre doch schöner, wenn es nicht mehr nötig ist, dass man sich einer bestimmten Gruppe zuordnen muss, um gehört zu werden. Denn im Endeffekt geht es ja doch nur wieder um Macht und in einem Matriarchat möchte ich auch nicht leben. Sondern in einer Welt, in der alle Menschen, alle Tiere und die Natur mit Respekt behandelt werden und in der alle unterschiedlichsten Eigenschaften und Bedürfnisse Platz finden.

*der Begriff „Cis“ beschreibt die geschlechtliche Identifikation mit dem bei der Geburt zugeordneten Geschlecht.

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3 Comments on “Ich bin eine Ökofeministin – oder?”

  1. Hi! Hier ist Julika von WECF. Meine Kollegin ist zufällig auf deinen Artikel gestoßen. Witzig, dass du unseren Test gemacht hast. Das freut uns. Ich habe eine Frage: Brauchen wir nicht Namen einer Idee, um aus dieser ganzen Mistkacke herauszukommen? Das was du „Zuschreibung zu einer Gruppe nennst“ – würde ich Konkretisierung einer Idee nennen.
    Und ja, ich weiß was du meinst mit der Subtilität, aber wird das genügen? Ehrlich gesagt habe ich keinen Bock mehr auf Subtil-Andersmachen sondern will ganz genau das, was dein Interviewpartner gesagt hat: Dass alle ihren Scheiß endlich mal wegräumen. Ich glaube nicht, dass das subtil funktionieren wird.
    Ups, das waren doch zwei Fragen. Und ich habe sogar noch eine im P.S.:

    P.S.: Du hast soooo recht, dieses ganze angebliche Naturverbundenheits-Ding von Frauen ist Bullshit – und hat nichts mit Ökofeminismus zu tun. Wir wollen die eigentliche Idee davon wiederbeleben. Wurde das in dem Test nicht deutlich? (ernst gemeinte Frage, die sich über eine ehrliche Antwort freut).

    1. Hi Julika, ich freu mich über deinen Kommentar! Bis kurzem dachte ich auch immer, dass es wichtig ist dem Kind einen Namen zu geben. Aber ich stelle echt fest, dass ich damit immer wieder gegen verschlossene Türen renne. Ich finde mich oft in der Situation wieder, mich erklären zu müssen, dass ich mich überhaupt Feministin nenne, weil es einfach in der Öffentlichkeit so unterschiedlich dargestellt wird und dann auch oft in meinen Augen falsch aufgenommen wird. Ich kann dich auch voll verstehen, dass du keinen Bock hast auf Subtil-Andersmachen. Ich meinte damit auch nicht, dass man die Inhalte nicht mehr selbstbewusst und laut nach Außen tragen sollte – das halte ich für sehr wichtig. Wenn ich mich dann allerdings als Ökofeministin präsentiere, stoße ich direkt auf Ablehnung bei den Gruppen, die die Themen eigentlich erreichen müssen. Und ich finde allgemein Labels aller Art schwierig, weil es stets eine Freund-Feind-Dynamik offenbart und das ist ja eigentlich die Grundlage (fast) aller Probleme.
      Ich finde euer Test ist auf jeden Fall ein guter Einstieg und macht auf die wichtigen Inhalte aufmerksam, anstatt Natur und Nachhaltigkeit zu verweiblichen. Vor allem die Fakten find ich super (nur die Auswahl der „Urlaubsbilder“ und die Antwortmöglichkeit bei der Frage zum Buch von Liv Stroemquist finde ich unpassend). Wenn man sich intensiv mit den Inhalten auseinander setzt, passiert diese Verweiblichung auch vermutlich nicht. Im Endeffekt glaube ich, dass wir das selbe Ziel verfolgen und auch fast den selben Weg wählen, außer dass ich dieses Label problematisch finde 😀

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