Michael Schulte-Austum, 22, ist Mediendesigner aus Münster. Seine Überzeugung: Je mehr Menschen wissen, dass sie mit ihrer besonderen Haut nicht allein sind, desto freier und gelassener fühlen wir uns. Michael hatte in seiner Jugend sehr mit Akne zu kämpfen. Hier spricht er über seine Erfahrungen und den Umgang damit.
„In meiner Haut selbst fühle ich mich mittlerweile wohl. Aber das ist bei mir immer ein bisschen phasisch bedingt. Wenn du mit deiner Haut nicht zufrieden bist, überträgt sich das 1:1 direkt auf die Psyche. Zumindest meiner persönlichen Erfahrung nach. Man kommt sich schlechter vor, wenn die Haut schlechter ist, verglichen zu anderen. Dadurch reduziert man sich selbst auf sein Äußeres. Früher, in meiner Jugend, hatte ich sehr viel mit Akne zu kämpfen. Den Auslöser für meine Akne kenne ich nicht, aber mein Bruder und Vater hatten es in ihrer Jugend auch sehr ausgeprägt. Sobald man nach und nach aus der Pubertät herauskommt, wird das Selbstbewusstsein ein bisschen besser. Ich hatte zumindest das Gefühl, dass ich etwas damit abgeschlossen habe. Aber es war ein längerer Prozess, es geht nicht einfach nach der Pubertät weg. Ich glaube, es wäre hilfreich gewesen, wenn man sich in diesem Alter leichter über Gefühle unterhalten hätte können. Wenn ich damals die Möglichkeit gehabt hätte, offen über das zu sprechen, was in mir vorgeht, hätte ich weniger Stress mit mir selbst gehabt und damit vielleicht sogar mein Hautbild positiv beeinflusst.

In der Jugendphase hatte ich das Gefühl, psychisch nicht auf einer Höhe mit anderen Teenager zu sein. Vor ein paar Jahren habe ich nachgedacht, was vielleicht Stellschrauben wären, die es ermöglichen könnten, mich besser zu fühlen. Ich habe überlegt, wie es wäre, wenn sich mein Hautbild um einiges bessert und ich mich so fühle wie andere, zumindest auf diesem oberflächigen Level, was sich meiner Meinung nach auch auf das eigene Wohlbefinden auswirkt. Dann habe ich mit den Medikamenten angefangen, weil ich es als eine Möglichkeit angesehen habe, aus dieser Gefühlsspirale herauszukommen und mich dann auch irgendwann einmal „normal“ zu fühlen. In den letzten zwei Jahren hatte ich viel Kontakt mit meiner Hautärztin und sie hat mir Tabletten empfohlen, die ich seit fast einem Jahr nehme. Anfangs hatte ich ein bisschen Angst davor, weil ein Bekannter, der das auch genommen hat, davon ausgeht, dass das Mittel bei ihm Depressionen ausgelöst hat und das steht auch in der Packungsbeilage als Nebenwirkung. Ich habe mich aber trotzdem dazu entschieden die Tabletten zu nehmen.

Der Wirkstoff Isotretinoin sorgt dafür, dass sich die Poren verkleinern und die Talgproduktion verringert wird. Während dieses Prozesses trocknet es den Körper total aus. Ich muss die ganze Zeit meine Lippen eincremen, zwischendurch hatte ich Nasenbluten und weil meine Augen sehr trocken waren, hatte ich Augentropfen.

Dadurch, dass Depressionen eine mögliche Nebenwirkung sind, habe ich mir tatsächlich die gesamte Packungsbeilage von oben bis unten durchgelesen. Und das hatte ich dann immer im Hinterkopf. Wenn man ein Medikament einnimmt, dann beobachtet man sich selbst und interpretiert vielleicht auch andere Punkte, die nicht zwingend damit zusammenhängen, mit zu den Nebenwirkungen. Normalerweise wird das Medikament für acht Monate bis zwei Jahre verschrieben. Ich bin gespannt, wie sich das bei mir äußern wird. Es wäre natürlich gut, wenn die Akne damit einfach für immer weg ist. Mein Bruder hat das früher auch eingenommen und bei ihm ist es nach dem Absetzen nicht zurückgekommen. Deswegen bin ich eigentlich sehr zuversichtlich.
Schon früher kannte ich mich ein bisschen in Photoshop aus und habe teilweise eine Stunde an einem Foto retuschiert, wenn ich es posten wollte. Und das waren dann nicht mal nur Pickel, sondern eben auch Mitesser oder Muttermale, sodass ich ein komplett reines Gesicht hatte, was natürlich gar nicht der Wahrheit entsprach. Vor allem Muttermale gehören zu dem Menschen dazu und es hat meiner Meinung nach eigentlich auch einen sympathischen Faktor, wenn das Gesicht nicht komplett rein ist.

Auf jeden Fall hätte es geholfen, auch in den Medien, den Filmen z. B. eine größere Diversität an Hautbildern zu sehen. Ich finde es auch immer interessant bei Produktwerbungen, für Hautcremes z. B., dass die Modelle eine komplett reine Haut haben und die Pickel dann im Nachhinein darauf gesetzt werden. Was ist denn das für eine Logik? Seid doch zumindest authentisch und nehmt eine Person, an der man das auch wirklich sehen kann, dass sich etwas verbessert hat.
Ich persönlich habe in dem Sinne keine schlechten Erfahrungen damit gemacht, dass jemand mich dafür offensichtlich verurteilt hat. Ich hatte aber trotzdem das Gefühl, dass das passiert und ich mich deswegen nicht so zeigen kann, wie ich es gerne würde. Ich hatte vor allem den Eindruck, dass das Hautbild das Innere nach außen spiegelt und mich dadurch angreifbar gefühlt. Meine Sorge war, dass andere denken, ich hätte psychische Probleme, weil ich Akne habe. Ich weiß nicht, warum. Je „perfekter“ Menschen aussehen, umso eher denkt man, dass sie gesund und glücklich sind und ein schönes Leben haben. Bei Menschen, bei denen das nicht der Fall ist, könnte gedacht werden, dass die Person stark mit sich zu kämpfen hat, unsicher ist, sich nicht wohl in ihrer Haut fühlt und vielleicht nicht gut auf andere Menschen zugehen kann. Ich projiziere meine eigene Denkweise dann auf andere und meine, dass ich verurteilt werden könnte. Obwohl oder gerade, weil ich das auch mache. Dadurch verfestigen sich diese Gedanken nochmal mehr. Wenn ich eine Person kennenlerne, der es ähnlich geht, dann ist das eigentlich kein Gesprächsthema, vielleicht weil ich weiß, dass es ein Thema ist, dass verletzlich macht.
Ich denke, dass Akne oft mit Unreinheit assoziiert wird und davon ausgegangen wird, dass sich Menschen mit Akne nicht richtig pflegen, sich selbst vernachlässigen oder mit sich selbst nicht im Reinen sind. Ich glaube, dass es oftmals auch ein bisschen gehässig sein kann: „Guck mal den an, der könnte doch wenigstens mal ein bisschen mehr für sich tun.“ Das sind dann teilweise auch nur Blicke, die ich interpretiere. Ich hatte mal ein Gespräch über Akne mit einem sehr gut aussehenden Freund. Er hatte sich über einen Pickel auf seiner Stirn aufgeregt und ich habe versucht ihn zu beruhigen, und meinte, er solle froh sein, dass es nur einer ist. Er sagte daraufhin, dass er ja auch sehr viel für seine Haut mache. Darin ist leicht die Aussage mitgeschwungen, dass ich meine Haut nicht genügend pflegen würde und deswegen Akne hätte. Das stört mich so sehr an dieser ganzen Thematik, dass es so ein großes Unverständnis gibt und davon ausgegangen wird, dass Akne bedeutet, die betroffene Person sei faul und unrein. Menschen, die so denken, waren selbst niemals in irgendeiner Form mit dieser Problematik konfrontiert.
Es ist interessant, dass jeder Mensch denkt, er hätte die perfekte Lösung parat. Das ist meiner Meinung nach sehr unreflektiert, denn auch bei Akne existieren sehr große Unterschiede zwischen den einzelnen Formen und Ausprägungen und wie sie zu behandeln sind. Wenn mir ungefragt Tipps gegeben wurden, habe ich das bisher immer runtergeschluckt und nichts weiter dazu gesagt. Weil ich Akne schon für eine lange Zeit hatte, war ich mir sicher, dass es ein Teil von mir ist, den ich nicht loswerden, aber auch nicht akzeptieren konnte. Deswegen habe ich über die Ratschläge auch nicht weiter nachgedacht. Mittlerweile ist mein Hautbild deutlich besser, vor allem im Gesicht, und am Rücken sind es größtenteils nur noch Vernarbungen, deswegen bin ich nicht mehr wirklich mit dem Thema konfrontiert.

Der größte Druck kam von mir selbst. Ich war nicht zufrieden und habe mich selbst dafür verurteilt, solch ein Hautbild zu haben. Wenn man selbst so denkt, geht man davon aus, dass andere das genauso tun. Grundsätzlich hatte ich aber ein Umfeld, das sich nicht viel darüber unterhalten und Pickel auch nicht als etwas Schlimmes angesehen hat. Es hat sicherlich auch geholfen, dass ich beim Schulwechsel in die Oberstufe schnell Anschluss gefunden habe. Aber ich hatte dort auch viele gutaussehende Freund:innen, was dann bei mir unterschwellig Druck ausgelöst hat, als ob ich nicht zugehörig wäre.
Wenn ich darüber nachdenke, dann ist das Schönste ein ehrliches Lachen, das ansteckend ist und Positivität in anderen hervorruft. Das ist für mich ultimative Schönheit. Ich finde, dass Lächeln Menschen schöner macht. Das ist auch ein Punkt, der mir früher bei Menschen, die Akne haben, aufgefallen ist: Sie lachen weniger. Zumindest in der Öffentlichkeit. Ich glaube, das kommt davon, dass man sich aufgrund der Haut beobachtet fühlt und das ist unangenehm. In solchen Momenten möchte man, selbst durch ein Lachen, auf keinen Fall Aufmerksamkeit auf sich ziehen.
Die Problematik mit der Akne hat definitiv dazu beigetragen, dass ich heute so bin, wie ich bin. Klar, wünsche ich mir manchmal, dass ich nie so starke Akne gehabt hätte. Vor allem, weil ich denke, dass es Leichtigkeit mitgebracht und mir den Alltag entlastet hätte. Außerdem hat es Spuren hinterlassen, die immer noch sichtbar sind. Anfangs hatte ich das Gefühl, diese Narben verstecken zu müssen, das hat sich mittlerweile aber verflüchtigt. Ich habe das Gefühl, dass mich diese Problematik sehr darin geformt hat, wie und was ich über andere Menschen denke. Es hat mich sensibilisiert, vor allem für psychische Themen.

Bei zwei Narben an meinem Rücken bin ich mir sicher, dass die niemals weggehen werden. Eine Narbe habe ich direkt auf dem Schulterblatt und das ist ein bisschen störend. Grundsätzlich schränkt mich das in meiner Bewegung nicht ein, aber wenn ich mich mit der Schulter irgendwo anlehne, dann bekomme ich so einen stechenden Schmerz, der teilweise noch Minuten danach spürbar ist.“
Text & Bilder: Kim Oppermann / Instagram @_kleinedinge_
Dieser Text ist Teil des fotografischen Projekts „ein Teil von Mir“ von Kim Oppermann. Die Texte dieser Serie basieren auf Interviews, die in Form von persönlichen Gesprächen mit den Teilnehmenden geführt wurden. Umgangssprachliche Wendungen werden vielfach unverändert wiedergegeben, um den persönlichen Charakter beizubehalten. Auf Wunsch einzelner Teilnehmender, wurden die Namen geändert.
Weitere Arbeiten von Kim findest du auf ihrer Homepage. Du kannst ihr auch auf Instagram folgen.

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