Ja, ich bin schuldig. Schuldig im Sinne der Anklage. Ich bin auf TikTok und ich finde es verdammt noch mal geil! Facebook hat sich zum Altersheim verwandelt, Instagram macht mich depressiv, … aber TikTok, well hello Serotonin. Ich habe die Schnauze voll, mich ständig vor Leuten zu rechtfertigen, die sich darüber lächerlich machen, dass ich die besagte Plattform feiere. Sorry Keil, what are you doing in your free time? Scratching your balls? Dachte ich mir.

Mir ist durchaus bewusst, dass der Grund, warum ich Löcher in mein Smartphone starre, der ist, weil mein Hirn süchtig nach Glückshormonen ist. TikTok gibt mir das, was ich brauche, so schnell wie möglich. Und ganz so verschwendet ist die Zeit dort gar nicht, also wirklich. Immer wieder stolpere ich über ein Rheel dass sich mit Persönlichkeitsentwicklung, lebensnotwendigen Life-Hacks oder mit dem Anfangsbuchstaben von meinem zukünftigen Lebenspartner befasst. Ein Video, welches mir in den letzten Wochen immer wieder vom Algorithmus ausgeworfen wurde, erregte jedoch meine Aufmerksamkeit für mehr als nur Fünfzehn Sekunden. Darauf zu sehen waren sichtlich aufgelöste Menschen, denen Tränen über die Wangen liefen. Der Grund? Ein Video auf Youtube: Meet your spirit Guides. Und da war auch schon die Hexe in mir aktiviert. Insgeheim hoffe ich ja immer noch, dass ich die fünfte Schwester von Charmed bin, Piki? Bereit für ein Abenteuer ins Geisterland, suchte ich nach dem Video in Youtube. Beschrieben wird es folgendermaßen:

Meet Your Spirit Guide, geführte Meditation soll Ihnen helfen, in einen wertschätzenden, entspannten Zustand zu kommen, sodass Sie leichter mit dem Nicht-Physischen, das Sie führt, unterstützt und liebt, in Kontakt treten können. Sold. In meinem Kalender notierte ich also ein Date mit meinem spirituellen Guide für Samstagabend.

Die Zeilen, die ich jetzt schreibe, finden nach der Meditation ihren Weg auf den Bildschirm. Normalerweise wäre ich jetzt irgendwo in einem Berliner Club, verschwitzt zwischen zu vielen Menschen und würde am Dancefloor meditieren. Aber ich sitze zu Hause in meiner Bude in Neukölln. Mit frisch gewaschenen Haaren unter dem Turban zünde ich eine Yankee Candle, die den Raum mit dem Duft von frisch gewaschener Bettwäsche erfüllt, an. Aufgeregt drehe ich das Licht ab und platziere mich im Schneidersitz vor der Kerze am Boden. Ich muss zugeben, ich bin nervös und ein bisschen ängstlich gegenüber dem, was mich erwarten wird. Das Smartphone liegt neben mir und ich drücke auf Play. 

Die Erfahrung, die ich in den knapp 25 Minuten gemacht habe, möchte ich lieber für mich behalten. Außerdem sollst du liebe:r Leser:in dein eigenes Erlebnis frei von meinen Eindrücken machen können. Soviel nur vorweg, Ja, auch mir sind die Tränen gekommen. Doch ich weine regelmäßig, wenn ich meditiere. Es ist kein Heulen, weil ich unfassbar traurig bin, viel eher würde ich es als eine Erleichterung beschreiben. Loslassen und gleichzeitig ankommen. Es fällt mir ehrlich gesagt schwer, die passenden Worte zu finden, die diesem Gefühl gerecht werden. 

Falls du noch nie meditiert hast, dann lass dich davon nicht unter Druck setzen. Ich praktiziere Meditation seit nun gut über zwei Jahren, mal mehr, mal weniger. Nur durch die konstante Übung ist es mir möglich, diese Gefühle und Zustände zuzulassen. Warum ich damit begonnen habe? Mir ging es eine Zeit lang richtig schlecht und ich wusste, ich habe genau zwei Möglichkeiten: Entweder ich gebe mich diesem Gefühl von Traurigkeit hin und lass mich davon verschlingen, oder ich helfe mir selbst. Da ich mich selbst liebe und schätze, habe ich mich für Zweites entschieden. Nach kurzer Zeit bin ich auf der Suche nach Methoden, die mir helfen könnten, auf Meditation gestoßen. Auch ich hatte vor meinem ersten Mal das Bild eines alten Mannes, der mit langem weißem Bart, Turban auf dem Kopf und mit geschlossenen Augen auf einem löchrigen Teppich sitzt, vor den Augen. Im Duden heißt es, Meditation ist eine „sinnende Betrachtung“.

Das sagt der Duden, wie beschreibt sie ein ehemaliger Mönch?

Das Leben ist ein Tanz. Meditation hilft dir herauszufinden, welchen Schritt du im Tanz machen musst. In der Meditation finden wir Klarheit über die Person, die wir jetzt in diesem Moment sein müssen, damit wir unser Bestes geben können. Unser Atem verbindet sich mit unserem Verstand, unsere Seelen werden im Einklang angehoben und an diesem Ort der Energie und Einheit finden wir Antworten. – Jay Shetty, Think Like a Monk, S. 276

Klingt schlüssig. Für mich ist Meditation ein Tool, welches mich beruhigt, wenn im Außen alles zu laut und chaotisch wird. Durch sie kann ich mich meinen tiefsten Ängsten stellen. Sie lässt mich wachsen, Probleme lösen und ja sogar Traumata oder Glaubenssätze kann ich damit auflösen. Dein Verstand wird dich kontrollieren, wenn du nicht anfängst, ihn zu verstehen. Sie stärkt mich und spricht mir Mut zu. Ich mache mir selbst das größte Geschenk, wenn ich meditiere und Zeit mit mir selbst in absoluter Zufriedenheit und Glück verbringe. Wie mit allen Dingen, die man lernt, muss man das üben, aber mit jedem Mal wird man besser. Wir alle haben unsere eigenen Methoden, die uns helfen, das Leben ein bisschen leichter und glücklicher zu leben. Wenn du aber auf der Suche bist, kann ich es dir ans Herz legen, es einfach mal auszuprobieren. Du kannst nichts falsch machen und ein bisschen Unterstützung beim Tanzen kann ja nicht schaden, Om.

Dieser Text erschien zuerst auf DIEVERPEILTE / Foto: Sofia

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War bis April 2022 Redakteurin bei DIEVERPEILTE. Hat Information, Medien und Kommunikation mit der Vertiefung Journalistik in Österreich studiert. Ihre Themenschwerpunkte sind Gesellschaftpolitik und feministische Themen.

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