Mein heutiges Interview dreht sich um das Thema Homosexualität. Durchgeführt habe ich es mit einem Freund, den ich vor einem Jahr auf einer Party kennenlernte. Es war einer dieser Momente, wo man auf eine Person trifft und einfach Bock auf diesen Menschen hat. Er war vermutlich der einzige Homosexuelle auf der Party. Machte mir Komplimente, ich ihm. Wir fanden uns cool und tanzten miteinander. Lachten. Alberten rum. Es war toll. Danach verloren wir uns eine Weile aus den Augen. Doch dann, im Sommer trafen wir uns zufällig in einer Bar. Und wieder hatten wir einen tollen Abend zusammen. Er ist für mich das Paradebeispiel und Aushängeschild der Gayszene, wie ich sie bewundere. Denn was mich daran fasziniert, ist, dass Homosexuelle das Leben in vollen Zügen genießen. Sie leben, als könnte jeder Tag der Letzte sein. Stets guter Dinge, offen gegenüber Neuem und allem voraus sind sie tolerant. Für sie spielt es keine Rolle, was du bist oder wie du aussiehst. Sie akzeptieren dich einfach so, wie du bist. In einer Welt, in der man sich sonst wie ein Außenseiter vorkommt, empfangen sie dich mit offenen Armen.
„Ich finde es wichtig, dass man sich richtig über Homosexualität informieren kann und sich nicht versteckt und traurig ist. Man muss sich nicht in einem Schrank verkriechen und Angst haben. Man ist, was man ist. Und wenn man bereit ist, muss man das auch rauslassen.“ – Kenny Abassi
Mein Freund Kenny ist ein besonders lebensfroher Mensch. Doch ich möchte nicht behaupten, dass er nur am Lachen ist. Doch der Mann, den ich kenne, tänzelt gut gelaunt durchs Leben. Mit seinen 27 Jahren, weiß er genau, was er will. 2015 kam er der Liebe wegen nach Düsseldorf. Zuvor lebte er in der französischen Kleinstadt Forbach. Er selbst möchte nicht als „Schwuler“ bezeichnet werden. Nicht, dass es eine Beleidigung für ihn wäre. Im Gegenteil. Doch er bevorzugt es, „Queer“ genannt zu werden. Ein Begriff aus der Schwulenszene, der eigentlich alles miteinander vereint. Er charakterisiert eine Art Sammelbecken aus Schwulen, Lesben, Transsexuellen uvm. Die Bezeichnung „schwul“, fühlt sich hingegen wie ein Etikett für ihn an. Einen Stempel, den man nicht mehr losbekommt. Denn das würde bedeuten, dass er nur mit Männern kann. Kenny hingegen ist wie ein bunter Kanarienvogel. Der überall willkommen ist und sich mit allen Etiketten versteht. Zudem finde ich es bemerkenswert, wie genau er über seine Sexualität informiert ist. So viele Begriffe, für so viele Dinge. Wichtige Dinge. Denn eines der größten Probleme für Homosexuelle ist die Unwissenheit. Und das möchten wir hiermit ändern.
Hallo Kenny, erzähl mal. Wie war das mit deinem Umzug nach Düsseldorf?
Das war im Jahr 2015. Über das Internet lernte ich einen Mann kennen. Anfangs chatteten wir nur miteinander. Wenig später besuchte er mich bei meinen Eltern in Forbach. Zu Beginn hatten wir nur ein paar Dates. Da die Entfernung zwischen uns zu groß war, konnten wir uns nur alle zwei Wochen sehen. Manchmal auch öfter. Dann verliebten wir uns. Doch die Fahrerei wurde uns zu teuer und brachte uns nicht näher zusammen. Irgendwann ging die Beziehung jedoch in die Brüche und wir trennten uns. Ich blieb in Düsseldorf.
Und wie war das Leben in Forbach so?
Als junger Mann war es anstrengend und langweilig. Der Bus fuhr nur bis 20 Uhr und es gab nicht viel zu tun. Dort gibt es nur ein paar kleine Märkte, Geschäfte und wenige Bars. Ich war immer schon sehr gesellig. Probierte mich in verschiedenen Gruppen aus. Mal war ich bei den Emos, dann bei den Rockertypen oder Metals. Wir waren sehr gemischt, jeder hatte seinen Stil.
Ist es dort, ähnlich wie in dt. Kleinstädten, dass sich Ereignisse wie ein Outing schnell rumsprechen und die Leute reden?
Ja, das geht flott.
Wann hast du gemerkt, dass du schwul bist?
Ich glaube, ich war acht Jahre alt. Ich weiß noch, dass ich Frauen immer hübsch fand. Jungs jedoch auch. Ich hatte keine Ahnung, was Bisexualität ist. Mir war jedoch bewusst, was Hetero- und Homosexualität ist. Meine Eltern sind sehr offen und haben mich früh aufgeklärt. Anfangs waren es nur ein paar Küsse mit Heteros, doch mehr aus Spaß, im Alkoholrausch. Für sie war das Spaß, für mich war es mehr. Ich habe es genossen. Zu dieser Zeit hatte ich noch Beziehungen mit Frauen, weil es für mich normal war. Weil man das so von klein auf aus Fernsehen oder Büchern kennt.
Gab es Plattformen oder Personen, an die du dich zu dieser Zeit wenden konntest?
Nein. In Frankreich gab es den Skyblog, das ist so eine Mischung aus Facebook, Twitter und Myspace. Man konnte Bilder und Nachrichten verschicken. In meiner Emophase habe ich mich viel damit beschäftigt und las mir Beiträge von Usern durch, die ähnlich waren wie ich. Das hat mir geholfen. Dadurch fühlte ich mich normal. Ich hatte das damals nicht verstanden und dachte ich wäre nicht normal.
Wann und wie hattest du dein Outing?
Mein Outing war für mich sehr schlimm. Ich war 16, und mit meinen Freunden unterwegs. Damals dachten sie sich schon, dass ich schwul bin. Dann machte ich offiziell mit meiner damaligen Freundin Schluss und outete mich als gay. Daraufhin meinten sie schon, dass sie Bescheid wussten. Das war voll okay. Doch ein paar Leute verlor ich auch dadurch. Alte Schulkameraden, sowohl Männer als auch Frauen. Die Männer konnten auf einmal nichts mehr mit mir unternehmen, da sie dachten, ich wäre geil auf sie. Bei den Frauen waren es hingegen eher religiöse Gründe, sie konnten es einfach nicht verstehen. Einige Zeit später traf ich mich mit meinen Leuten in unserer Bar. Das machten wir immer Samstags. Und an diesem Abend war ich rotzevoll. Ich musste meine Mutter anrufen, damit sie mich abholt. Sie wollte nicht. Sie dachte einfach, ich spiele das nur und meinte zu mir, dass sie mich dafür zu gut kennt. Daraufhin erwiderte ich, dass sie mich nicht kennt; denn zu diesem Zeitpunkt war ich schon seit ca. drei Jahren schwul und sie hatte keine Ahnung. Ich beendete das Telefongespräch. Nach unserem Gespräch schickte sie mir eine Nachricht, die ich aufgrund des schlechten Empfangs erst später erhielt. Darin stand, dass sie nicht mehr mit mir reden möchte. In meinem Zustand tickte ich natürlich komplett aus und meinte daraufhin total verzweifelt, dass ich nicht mehr nach hause komme. Es stellte sich jedoch heraus, dass es sich um ein Missverständnis handelte. Sie schrieb mir erneut, dass sie mich abholen kommt. Als sie kam, stieg ich ins Auto. Total verheult. Ich hatte damals so große Angst, meine Eltern zu enttäuschen – dass sie nie Großeltern werden können, das war mein erster Gedanke. Auf der Heimfahrt unterhielten wir uns und sie erzählte mir, dass es ihr egal sei, wie ich bin. Sie sagte mir, sie hätte doch nicht ein Kind bekommen, damit es Nachwuchs bekommt, sondern damit sie ein Kind hat. Das hat mich sehr getroffen. Als wir zuhause ankamen, wollte ich verhindern, dass sie meinem Vater alles erzählt. Doch er wusste bereits Bescheid. Mein Vater war ok mit Gays, jedoch nicht so offen. Er war geschockt. Er hätte nie gedacht, dass sein Sohn schwul ist. Er gab sich die Schuld, dachte, er hätte mich mit „Jungsspielen“ in diese Richtung gedrängt. Das Thema wurde erstmal totgeschwiegen. Wie früher war es aber auch nicht mehr. Er brauchte einfach seine Zeit. Nach ca. zwei Wochen fing er wieder an mit mir zu reden. Er meinte dann zu mir, dass er nur Zeit für sich bräuchte, um klar zu kommen. Auch, dass er mich noch genauso lieb hat, wie vorher – währenddessen hatte er Tränen in den Augen. Er wollte nur nicht, dass ich auf einmal mit Highheels und Handtasche ankomme, für ihn war das einfach ein Klischee; schwule Männer seien auch gleich feminin. Heute akzeptiert er meine feminine Seite und es ist ihm egal. Das einzige was er sagt ist, dass ich verrückt bin. Er ruft mich fast wöchentlich an, weil er mich vermisst. Er akzeptiert mich wie ich bin. Ob im Crop Top, mit Lippenstift oder in bunten Farben. Er hat überhaupt kein Problem damit. Wenn er Dragqueens sieht, sagt er immer, dass das meine Freunde sind, wie in RuPaul’s Drag Race beispielsweise. Er findet das eben lustig.
Wie kann man sich das Sexleben eines Schwulen vorstellen?
Sehr offen. Es ist genauso wie bei Heteros – nur das wir offener sind, darüber zu sprechen. Kommt aber auch auf den Charakter der Männer an.
Was törnt dich bei Männern an und was an einer Frau?
Bei Frauen mag ich die Kurven; ihre Brüste, die Hüfte – die weibliche Ästhetik. Weil sie nicht so grade wie bei einer Skulptur ist. Einfach taillierter, als ein Mann.
Beim Mann mag ich es, wenn er größer und breiter ist als ich. Ich mag es haarig. Wenn er wie ein Block vor mir steht, gibt mir das ein Gefühl von Sicherheit. Ich habe auch eine Schwäche für schöne, geformte Beine.
Gibt es Drogen für Schwule, die besonders „geil“ machen?
Ja klar, Poppers. Das ist eine legale Droge, die deinen Puls schneller schlagen lässt. Dir wird warm davon und deine Muskeln entspannen sind. Es eignet sich sehr gut zum Ficken. Das ist ein Trend in der Schwulenszene, wie beispielsweise Koks, Extasy oder Speed bei anderen. Man nennt das Chemsex. Der Extremfall wäre hier mit Spritze – was super gefährlich ist.
Du bist sehr zierlich. Wie springen andere Homosexuelle darauf an?
Es kommt darauf an, wen du ansprichst. Es gibt Leute wie mich, die sind eher Queer. Obwohl sie trainiert sind, sind sie offener. Die durchtrainierten Männer nennt man Masc 4 Masc; das sind die Männer für Männer, also alles was keine Muskeln hat, ist kein Mann. Das ist die sexistische Variante der Schwulen. Ich bin zwischen einem Twink und Otter, also etwas sportlicher und behaart. Man könnte auch sagen, nicht zu sportlich, aber auch nicht zu dünn. Und dann gibt es noch den Bear, das sind entweder dicke oder sehr muskulöse Männer mit Behaarung. Der Daddy ist die ältere Variante, meistens so Anfang 40. Die Körperform spielt hier keine Rolle. Daddys stehen auf junge Menschen bis 30. Alles darüber ist ihnen schon zu alt. Sie sind das klassische Vaterbild; mögen es, sich um die jungen Typen zu kümmern und ihnen Sicherheit zu geben.
Können Daddys gefährlich werden?
Aus meiner persönlichen Erfahrung würde ich sagen nein. Aber sagen wir so, es gibt in jeder Schwulenart eine Gefahr. Es gibt immer einen Psycho, der sehr eifersüchtig ist oder dich manipuliert. Manche nutzen dein minderwertiges Selbstvertrauen aus und machen dich von ihnen abhängig. Benutzen Geld, um dein Leben zu verschönern. Sie kaufen deine Liebe. Aber das gibt es überall. Ob schwul oder nicht schwul. Man sollte immer vorsichtig damit umgehen.
Was ist der Unterschied, zwischen Sex mit anderen Homosexuellen und mit einem Hetero?
Es gibt keinen Unterschied. Es ist einfach ein Mann.
Wenn du jetzt Lust auf Sex bekommst, wie lange würde es dauern, um dir jemanden zu organisieren?
Fünf bis Zehn Minuten. Mit Grindr geht das schnell. Du gibst deinen Standort raus und man trifft sich. Wenn man sich dann gegenseitig gefällt, hat man Sex.
Mit wie vielen Heteros hattest du schon was?
Ca. fünf.
Wie fühlen sich Berührungen von Heteros für dich an?
Genauso wie bei einem Homosexuellen.
Gibt es schmerzhafte Momente, die dir aufgrund deiner Sexualität widerfahren sind?
Erfahrungen, die ich gemacht habe, weil ich schwul bin? Ja, ganz viel Scheiße. Ich habe Freunde verloren, nur weil ich schwul bin. Dabei dachte ich, es wäre ihnen egal. Mir wurden Fragen gestellt, zum Beispiel, was falsch mit mir wäre, wenn ich durch die Straße laufe. Bekomme blöde Blicke zugesteckt. Ich fühle mich immer verurteilt. Besonders schwer fällt mir, dass ich nicht Hand in Hand mit einem Mann in der Öffentlichkeit laufen kann, ohne dass ich böse, angeekelte Blicke zugeworfen bekommen. Wenn ich mich vor anderen Menschen küsse, dann bekomme ich Beleidigungen wie Schwuchtel, oder dass wir ekelhaft wären zu hören.
Kommt das oft vor?
Die paar Male, als ich es auf der Straße gemacht habe, ist es nahezu jedes Mal vorgekommen. In der Stadt immer. Ich bin zwar jemand, wo man sofort merkt, dass ich schwul bin, aber ich mag es nicht, mein Privatleben zur Show zu stellen. Unter Freunden auf Konzerten etc. ist das was anderes. Ich mag es eher süß, verspielt und nicht zu sexuell auf der Strasse. Ob nun Hetero oder Homo. Ich würde mir da mehr Toleranz wünschen.
Welche Menschen sind besonders homophob?
Typische homophope Personen gibt es nicht wirklich. Die Hintergründe bei ihnen sind meistens Ängste; meiner Meinung nach, weil sie das Schwulsein nicht kennen. Es gibt aber auch konservative Gründe, wie die Erziehung oder Religion (egal welche) und es kommt auf das Land an. Es gibt Länder, da muss man als Schwuler sterben. Meiner Meinung nach geht es aber generell um Unwissenheit.
Was würdest du diesen Menschen jetzt gerne sagen?
Die Leute, die es nicht verstehen, dass sich Gleichgeschlechtliche lieben können oder Leute, die Transgender sind, die müssen sich eigentlich nur eine Frage stellen – warum sollten wir diesen Weg wählen, wenn wir dafür sterben könnten?
Ist das Wort „schwul“ ein Schimpfwort für dich?
Ich sage selbst, dass ich schwul bin. Aber es kommt darauf an, wer das sagt und wie es gesagt wird.
Wie wichtig ist die Kommunikation für dich, bei der Wahl deiner Sexpartner?
Sehr wichtig. Dadurch kann man erfahren, wie weit man gehen kann, was der andere mag und wie er es mag. Dadurch ist der Sex nicht so egoistisch.
Schlimmstes Schimpfwort, mit dem du beleidigt wurdest?
Tunte.
Wie würdest du die Schwulenszene beschreiben?
Die Schwulenszene hat einen hohen Spaßfaktor, doch jede schwule Party hat ihren eigenen Background. Da gibt es beispielsweise die Mainstream-Szene, wo sich alle Klischees bestätigen. Es gibt alternative Szenen, die der Hetero-Technoszene ähneln. In Oberhausen gibt es einen Club namens bang!, den ich Homosexuellen wirklich empfehlen kann. Dort kannst man verteilt auf fünf Floors feiern gehen. Das Publikum ist sehr gemischt, von Schwulen bis hin zu Dragqueens; aber auch Hetero- oder Transsexuelle sind dort vertreten. Die Party findet einmal im Monat statt. An sich ist unsere Szene sehr schön, jedoch kommen immer mal wieder kleine Streitereien untereinander zustande. Eigentlich geht es bei uns um Toleranz und Akzeptanz, doch ich empfinde das im Moment nicht so. Ich finde, wir sollten uns nicht zu sehr an unser Umfeld anpassen, wie zum Beispiel hier in Düsseldorf, wo viele den schicken Look bevorzugen. Man sollte so sein, wie man sein möchte. Ich würde mir da eine Entwicklung unserer Mentalität wünschen. Die älteren Homosexuellen sollten mehr Rücksicht auf die jüngere Genration nehmen und die junge Generation sollten noch mehr erleben und sich nicht zu viele Gedanken über ihr Aussehen machen; man muss sich für nichts verstecken. Was Dates angeht, hatte ich anfangs noch Probleme. Seitdem ich einen Bart trage, habe ich jedoch mehr Glück. Es spielt keine Rolle, was ich anhabe oder ob ich zu feminin bin, ich werde so akzeptiert wie ich bin.
Wie ist die Schwulenszene in Forbach?
Es gibt keine Gayszene in Forbach. Ich musste nach Saarbrücken fahren, um in Schwulenbars gehen zu können. Und auch dort war es nicht so toll. Die meisten dort waren sehr alt; viele von ihnen hatten sich erst spät geoutet, da es zu ihrer Zeit einfach noch nicht so akzeptiert wurde. Dort gab es immer „warme Nächte“, das war in einer Konzerthalle – anfangs war es noch super, doch auch die starben irgendwann aus. Die Musik war sehr mainstream, für elektronische Musik musste man dann schon nach Frankreich fahren. Was das Styling anging, war ich dort sehr eingeschränkt. Jetzt bin ich etwas ausgefallener unterwegs und die Leute dort würden das wahrscheinlich nicht akzeptieren und mich beleidigen; sie sind einfach konservativer eingestellt. Würde ich zurück gehen, müsste ich mich komplett anpassen. Saarbrücken war da ganz anders, viel offener.
Seit etwas mehr als zwei Jahren gibt es nun die Ehe für alle in Deutschland. Wie fühlt man sich, wenn man aufgrund seiner Sexualität nicht heiraten kann, obwohl man sich ja genauso wie ein Heterosexuelles Paar liebt?
Man fühlt sich unnormal, scheiße und verurteilt. Ich finde das einfach nicht fair. Zwei Frauen oder Männer, die sich lieben, haben nicht das Recht, zu heiraten. Wenn einer der beiden Partner stirbt, hat dieser überhaupt keinen Anspruch auf die Besitztümer. Und das nur aufgrund ihrer Sexualität. Heterosexuelle müssen sich über so etwas keine Gedanken machen. Genauso bei Adoption, wenn mein Mann beispielsweise als erster auf den Papieren steht und stirbt, habe ich keine Berechtigung darauf, das Kind zu behalten und es geht an seine Familie. Es ist ein endloser Kampf. Als ich von der Legalisierung hörte, freute ich ich für meine Freunde, die heiraten wollten. Ich habe zwei Paare in meinem Bekanntenkreis, die in Belgien heirateten. Andere in Frankreich. Sie konnten es endlich so feiern, wie sie es wollten. Es war einfach schön, das miterleben zu können.
Willst du mal Kinder haben?
Gute Frage. Ich möchte ganz viele Babyhunde. Aber im Moment sehe ich mich nicht in der Lage, so eine Frage beantworten zu können und würde eher zu nein tendieren.
Hattest du schon mal mit jemanden Kontakt, der HIV-infiziert ist?
Ja sehr oft. Ich habe seropositive Freunde, die hatten so gesehen kein Problem. Ich hatte auch einmal eine Beziehung zu einem Mann, der seropositiv unter der Nachweisgrenze ist. Das heißt, er hat den Virus in sich, aber kann niemanden damit anstecken. Ich hatte nie Probleme damit, war immer safe. Ich kann nur den Tip weitergeben, bevor man miteinander ohne Kondom schläft, sollte man sich testen lassen und gegebenenfalls auch zusammen zum Arzt zu gehen – auch wenn man sich sicher ist, ist es wichtig, das überprüfen lassen. Es gibt auch sogenannte Blocker, die man nehmen kann. Dadurch wird die Krankheit nicht übertragen. Viele Menschen sind serophobisch veranlagt, dafür gibt es meiner Meinung nach keinen Grund. Am besten ist es, wenn man sich im Internet oder mithilfe von Dokus informiert.
Letzte Worte?
Ich würde künftig gerne „Neuschwule“ über unseren speziellen Lifestyle aufklären. Ich hatte mal überlegt, mich ehrenamtlich in einer Beratungsstelle zu engagieren. Wichtige Themen für mich sind Safer Sex, Drogenaufklärung und die Vorbereitung auf neue Situationen. Ich habe in meinem bisherigen Leben einige Erfahrungen sammeln können, die ich mit anderen teilen möchte. Nur weil man sich im Internet über alles informieren kann, heißt das noch lange nicht, dass diese Informationen auch vertrauenswürdig sind. Dagegen möchte ich etwas ändern. Ich würde gerne Schwule über Krankheiten und mögliche Gefahren aufklären. Falls du Fragen oder Anregungen haben solltest, kannst du mich gerne auf Instagram kontaktieren.
Alle Inhalte in diesem Interview beinhalten Kennys persönliche Meinung und Empfindungen. Sollte er sich bei dem Gesagten vertan haben, schreibt mir doch bitte in die Kommentare. Die Richtigkeit aller Informationen ist für uns von höchster Priorität.
Kennys Hymne:
Dieses Interview soll über das Leben Homosexueller aufklären. Junge Homosexuelle, die noch kein Outing hatten, sollen die Möglichkeit haben, sich richtig informieren zu können; aber auch Menschen, die generell keinen Plan haben oder noch keine Ahnung haben, was sie genau sind. Kein Mensch soll sich schlecht fühlen müssen, nur weil er/sie sexuell anders orientiert ist.
Zeichnung: Luisa Peek
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Autor:innen
Ist in Nürnberg aufgewachsen, brach erfolgreich drei Studiengänge ab und entdeckte ihre Leidenschaft für den Journalismus durch ein Praktikum in einer Musikredaktion. 2019 gründete sie das DIEVERPEILTE-Magazin. Themenschwerpunkte sind Mental Health, Krankheiten, soziale Ungerechtigkeit, Sexualität und Drogen.