Das Thema dieser Woche lautet: Autoritäten. Das erste Bild, das mir bei diesem Wort in den Kopf schießt, ist Nordkorea und Kim Jong-un. Das ist natürlich maßlos überspitzt. Frage ich Google, präsentiert die allwissende Searchbar mir Bilder, auf denen ein kleiner Mensch von einem großen mit mahnendem Finger gemaßregelt wird. “Unbedingten Gehorsam fordernd”. Was ist das Gegenteil von autoritär? Nun zumindest in der Führungspsychologie, spricht man dann von einem sogenannten Laissez-Faire-Führungsstil. Auf Deutsch: Man lässt die Mitarbeiter:innen machen, was sie wollen. Chaospartie. Letztens wurde ich von meinem Chef gefragt, ob ich ernsthaft eine Domain mit der Endung dieverpeilte.de besitze. Aufgrund dieser schockierten Frage könnte man daraus schließen, dass Menschen den Eindruck hätten, bei DIEVERPEILTE ist tatsächlich etwas, nun ja, verpeilt. Ist das wirklich so? Wäre DIEVERPEILTE eine Person, was würde sie dazu sagen? Wie behandelt sie ihre Mitarbeiter:innen? Ist Hierarchie wichtig? Neugierig, ob sich unter unseren Reihen ein kleiner Kim Jung-un befindet? Ich habe alle Menschen, die zusammen DIEVERPEILTE ausmachen, genau das gefragt.

Viktoria: DIEVERPEILTE gibt es nun schon seit 1,5 Jahren. Wie kann man sich die Anfänge vorstellen?DIEVERPEILTE: Da höre ich direkt die Stimme meiner Mutter im Hinterkopf, wie sie sagt: „Schön geschrieben, aber bist du sicher, dass du das veröffentlichen möchtest? Was ist, wenn das jemand liest?“ Gemeint sind potenzielle Arbeitgeber:innen. So sehr mich die Worte meiner Mutter nervten, ein bisschen Wahrheit steckte schon darin. Früher waren die Themen provokanter und politisch unkorrekt. Es wurde weniger auf die Gefühle anderer Rücksicht genommen und ging mehr darum, eigenen Balast abzuwerfen. Anecken war Teil des Konzepts, dabei habe ich auch oft danebengegriffen. Unter der Einführung unseres wöchentlichen Redaktionsmeetings änderte sich das und DIEVERPEILTE wurde ein anderes Magazin, als jenes, dass ich damals gründete. Heute habe ich das Gefühl, dass ich dank ihr erwachsen geworden bin, reifer und sensibler. Auch der Austausch mit Künstler:innen war nicht so präsent, wie er es heute ist. Was DIEVERPEILTE jedoch schon immer war: offen. Für alles, was kommt und gelesen werden soll. Und das soll auch so bleiben.

Was unterscheidet DIEVERPEILTE von einem klassischen Online-Magazin?
Bei DIEVERPEILTE gibt es viel Raum für Diskussionen und Debatten. Hier haben alle Mitspracherecht und meiner Erfahrung nach ist das ein großer Unterschied zu vielen anderen Plattformen. Zudem unterscheidet sich die Aufbereitung der Beiträge. DIEVERPEILTE widmet sich relevanten und aktuellen Themen, bleibt dabei aber persönlicher. Dadurch sind die Themen greifbarer. Letztendlich sind es nur wenige Unterschiede, die allerdings einen riesigen Effekt haben.

Müssen Hierarchien sein? Wie läuft das bei euch?
Nein, müssen sie nicht. Ich finde DIEVERPEILTE ist dafür ein tolles Beispiel. Unsere Struktur ist eher wie ein Netzwerk, als eine Pyramide. Jede:r hat spezielle Aufgabenbereiche, für die wir verantwortlich sind. Das kann sich durchaus thematisch überschneiden oder aufteilen. Klassisch getrennte Teams gibt es bei uns nicht. Somit gibt es auch nicht unbedingt eine:n Teamleiter:in, sondern eher Leute, deren Aufgaben mehr und weniger im Treffen von Entscheidungen liegen. Das bedeutet auch, dass Sofia zum Beispiel in manchen Dingen das letzte Wort hat, was es aber für mich noch nicht hierarchisch macht. Das wäre es erst, wenn nur von oben herab bestimmt wird.

Warum bist du Teil von DIEVERPEILTE?
Ich möchte Teil eines jungen und unabhängigen Projektes sein, mich selber entfalten können, Neues ausprobieren und meine Fähigkeiten testen. Ich hoffe, dass mir DIEVERPEILTE diese Möglichkeiten bieten kann und mein Wissen und Können das Magazin zukünftig voranbringt.

Was macht DIEVERPEILTE für dich besonders?
Für mich ist es der Raum, den wir uns gegenseitig schaffen und in dem jede:r und alles Platz hat. In dem wir einen Platz für unsere Meinungen, Ansichten, Wünsche und Anregungen haben, die wir dort bequatschen, diskutieren und tolerieren können. Was meiner Meinung nach nicht selbstverständlich ist, gerade mit vielen verschiedenen kreativen Köpfen, die alle schon individuelle Erfahrungen gemacht haben. So einen Platz zu finden, in dem man wachsen und voneinander lernen kann, sich gegenseitig bestärkt und unterstützt ist für mich das Besondere an DIEVERPEILTE.

Worüber lacht bei DIEVERPEILTE niemand?
Würde, Gerechtigkeit und Einfühlsamkeit stehen bei uns ganz oben. Es wird eine Menge gewitzelt und gelacht. Niemals aber verletzt oder ausgeschlossen. Für jeden Schmerz gibt es offene Ohren und Herzen. Nicht immer eine Lösung, aber einen Kummerkasten. Weltschmerz ist uns allen ein großes Anliegen. Marginalisierung, Diskriminierung, Rassismus, Sexismus und jede Form von Verletzung, die Leben hemmt, hat hier keinen Raum. Gelacht wird über Glück und Freude und Peinlichkeiten. Mit Liebe. Niemals mit Hass.

Wer übernimmt Verantwortung, wenn was schief geht?
Aufgaben nur halbherzig erledigen, weil die Arbeit am Ende von Vorgesetzten nochmal kontrolliert wird? Fehlanzeige. Diesen Luxus genießt man vielleicht, wenn man wo angestellt ist. Baut man sich aber selbst etwas auf, vor allem ein Online-Magazin, das einen journalistischen Mehrwert bieten soll, ist man selbst sein härtester Richer. Jede:r Redakteur:in lernt für seine Beiträge selbst Verantwortung zu tragen und prüft die geschaffenen Inhalte mit Adleraugen, einer großen Portion Hirn und Herz. Unterstützt werden wir dabei von zwei unfassbar kompetenten Menschen Rosa Stone und SeenoKami

Wie viel Eigenverantwortung haben die Redakteur:innen bei DIEVERPEILTE?
Schon viel. Innerhalb unserer Aufgabenbereiche sind wir relativ frei, wie wir damit umgehen. Auch, wann wir etwas tun, solange Deadlines eingehalten werden. Das gleiche gilt für die Texte. Wir überlegen uns, worüber wir schreiben wollen und besprechen das im Team. Damit beginnt ein kleines Projekt. Wir kümmern uns dann selbst darum, was für ein Bild der Beitrag bekommt, dass er ins Lektorat kommt und natürlich, dass alles rechtzeitig fertig wird. So hat jeder Text diese persönliche Note und ermöglicht uns, unseren eigenen Stil zu entwickeln.

Seitdem du bei DIEVERPEILTE dabei bist, gab es schwierige Momente? Wie wurden diese gelöst?
Natürlich gab es die. Wenn man mit mehreren Individuen zusammenarbeitet, kann man nicht immer einer Meinung sein. Allerdings kann immer alles offen angesprochen werden und es wird nach einem gemeinsamen Nenner gesucht. Diskussionen finden auf einer respektvollen Ebene statt und niemand muss Angst haben die eigenen Argumente vorzubringen. 

Was ist dir im Team wichtig?
Kommunikation auf Augenhöhe, aufmerksames Zuhören und ein zurückhaltendes Ego sind die drei wichtigsten Attribute, auf die ich Wert lege. Außerdem sollte man dem Gegenüber sagen, wenn sie/er etwas zwischen den Zähnen hat. Auch im Zoom-Meeting. 🙂

Wie kann man sich ein Redaktionsmeeting vorstellen?
Ein Redaktionsmeeting kann man sich so vorstellen, dass viele tolle Menschen aufeinander treffen, sich über ihre Woche austauschen, Zeit haben, sich alles von der Seele zu reden und dann gemeinsame und individuelle Projekte besprochen werden. Dann kommt meistens noch von allen Seiten ein geiler Input, womit dann ohnehin schon coole Ideen, gemeinsam noch geiler gemacht werden. Wir haben aber auch immer Platz, Zeit und ein offenes Ohr für Anregungen oder konstruktive Kritik, da wir offen für alles sind, gemeinsam wachsen und einen Fortschritt erreichen wollen.

Wäre die DIEVERPEILTE eine Person, was wären ihre Schwächen?
Die VERPEILTE als Person wäre ein ganz bisschen Recherche-faul, dafür aber sehr kreativ. Sie tut sich schwer darin, sich zu konzentrieren und zu fokussieren, steht gerne im Mittelpunkt und braucht viel Aufmerksamkeit – ist manchmal ein bisschen sensationsgeil.

Was war dein DIEVERPEILTE-Moment?
Ich habe mich sehr gefreut, als ich allen von meiner Holzschlange berichten konnte. Da habe ich mich richtig verpeilt gefühlt!

Stell dir vor, der gesamte Content von DIEVERPEILTE wäre verschwunden. Niemand erinnert sich mehr daran. Was wären deine drei Wahrheiten, von denen du dir wünschen würdest, dass die Welt sie von DIEVERPEILTE in Erinnerung behält.
Ich glaube, ich würde erst mal sehr sehr lange weinen. Ich denke es sind weniger die einzelnen Geschichten, um die ich trauern würde, sondern das verlorengegangene Gesamtbild, das wir uns mit der Zeit aus dem Nichts erschaffen haben. Die vielen Illustrationen und Fortschritte der einzelnen Autor:innen. Es hängen ja nicht nur unsere eigenen Werke und Emotionen daran, sondern auch die unserer Leser:innen. DIEVERPEILTE ist für mich meine – und die vieler anderer – Persönlichkeit. Ohne DIEVERPEILTE würde ich abends immer noch traurig in meinem Zimmer sitzen und mich fragen, wann die Welt endlich ein bisschen Sonne für mich bereithält. Und ohne all diese Erinnerungen hätte ich morgens eine Sache weniger, auf die ich bei meiner morgendlichen Routine – Kaffee und Kippe – stolz schauen würde. Die Wahrheit, die die Welt von uns in Erinnerung haben soll, ist jene, dass man sich trauen darf, über Dinge zu sprechen, die unangenehm sind. Zu sich selbst stehen. Dazu zählen besonders die Schwächen. Füreinander da sein und miteinander Liebe erschaffen. 

Dieser Text erschien zuerst auf DIEVERPEILTE.

Illustration © Marius Malarius

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War bis April 2022 Redakteurin bei DIEVERPEILTE. Hat Information, Medien und Kommunikation mit der Vertiefung Journalistik in Österreich studiert. Ihre Themenschwerpunkte sind Gesellschaftpolitik und feministische Themen.

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