Ich kann mich noch genau daran erinnern, als 2017 der Groove-Beitrag über das Weimarer Kollektiv Giegling veröffentlicht wurde. Der Grund dafür: Mitbegründer Konstantin machte aus dem Interview über das Undergroundmärchen eine Offenlegung des tiefverwurzelten Sexismus. Ja, das ist auch in der ach-so-offenen Techno-Szene immer noch ein Riesenproblem! Seiner Meinung nach wäre es ungerecht, dass weibliche DJs so gepusht werden, obwohl sie doch schlechter auflegen als Männer. Ihm zufolge ist es für Frauen daher wesentlich einfacher, erfolgreich zu werden, denn die wenigen Frauen werden überproportional gefördert. Dass das totaler Schwachsinn ist, muss ich euch hoffentlich nicht erklären. Konstantins Aussagen haben sich aber nachhaltig in meinen Kopf eingebrannt, weswegen ich immer Feuer und Flamme bin, sobald ich neue non-male Künstler:innen entdecke. So war es auch, als ich Girlcast auf Instagram fand. Die Plattform bietet female DJs mehr Möglichkeiten und veröffentlicht alle zwei Wochen einen Podcast. Nachdem ich in ein paar Sets reingehört habe, war mir direkt klar, dass ich euch das Projekt nicht vorenthalten darf! Ich habe mit der in München lebenden Klaudia Kowalski (25) über ihre Arbeit und ihre Serie Girlcast gesprochen, welche sie vor einem Jahr startete.
DIEVERPEILTE: Erzähl mal, wie kamst du damals zum Auflegen?
Klaudia Kowalski: Das Interesse war eigentlich, seitdem ich auf Techno feiern gehe, vorhanden. Irgendwann habe ich dann beschlossen, mir ein kleines Pult zu kaufen und fing an zu üben. Nach einiger Zeit fing ich an, Sets hochzuladen, womit das Interesse verstärkt wurde und die ersten Anfragen reinkamen.
Wieso hast du dich dafür entschieden, Girlcast zu gründen und aufzubauen?
Damals war ich mit einigen Sachen in meinem Umfeld unzufrieden und die einzige Lösung für mich war: etwas Eigenes gründen. Ich wollte ein eigenes Projekt haben, wo ich meine Ideen und Glaubenssätze verfolgen kann. In der Vergangenheit habe ich ausschließlich mit dem männlichen Geschlecht gearbeitet, ist ja auch leider kein Wunder in dieser Szene. Dadurch hab ich großen Wert darauf gelegt, für das Projekt mit Frauen zu arbeiten. Daraus leitete sich dann auch der Name Girlcast ab.
Girlcast wurde vor ein paar Tagen ein Jahr alt. Was waren die Höhen und Tiefen von der Gründung bis jetzt?
Also die Höhen kommen eigentlich jede zweite Woche, wenn wieder ein neuer Podcast rauskommt. Weites Highlight im neuen Jahr war der Zuwachs von Charlotte, unserer neuen Designerin. Das hat auf jeden Fall neuen Schwung reingebracht, wofür ich auch wirklich sehr dankbar bin. Die aktuelle Tiefe ist die Corona-Pandemie!
Inwiefern hat euch das Coronavirus beeinflusst?
Durch Corona konnten wir leider unsere erste Veranstaltung Anfang März 2020 nicht stattfinden lassen. Diese war in Kooperation mit der Plattform BCN in Barcelona geplant. Wir wollten es dann noch in Amsterdam versuchen, aber das Risiko war uns einfach zu groß.
Die Hardtechno-Szene ist ja auch eher Männer-dominiert. Müsst ihr euch oft sexistischen Mist anhören?
Dieses Problem bezieht sich nicht nur auf die Technoszene, das ist ein Gesellschaftsproblem. Ich bin mir sicher, dass hinter meinen Rücken öfters sexistische Sprüche oder gewisse Anmerkungen gefallen sind. Allerdings sollte Frau sich davon nicht aufhalten lassen. Ein weiteres Problem ist, dass man mit wenig Ahnung von Musik und guter Vermarktung einiges erreichen kann – egal ob Mann oder Frau.
Wie sieht euer Feedback sonst aus?
Bis jetzt sehr gut! Vielen gefällt die Idee, dass nur Frauen im Vordergrund stehen. Ich musste mir aber schon ein paar Kommentare anhören wie: „Am Anfang war ich skeptisch.“ Allerdings kamen solche Anmerkungen auch nur von Männern (lacht).
Wie kann man einen Podcast-Platz auf bei euch ergattern?
Die einzige Voraussetzung ist gute Musik und diese sollte auf jeden Fall zum Girlcast passen: Techno im höherem BPM-Bereich! Da gibt es eigentlich fast keine Grenzen. Von Techno bis Trance.
Wo siehst du dein Projekt Girlcast in einem Jahr?
Diese Frage ist aufgrund der aktuellen Lage wirklich schwer zu beantworten, weswegen ich nicht sagen kann, wo wir in einem Jahr stehen. Es gibt viele Ideen und Konzepte, die wir gerne durchsetzen wollen, allerdings müssen wir erst mal abwarten, bis der Corona-Albtraum endlich vorbei ist!
Ich hab‘ euch kochheiß gemacht und ihr wollt euch selbst überzeugen?
Dann hört doch mal in den Girlcast-Podcast …
… und hier findet ihr die Sets von Klaudia Kowalski …
Dieser Text erschien zuerst auf DIEVERPEILTE.
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Autor:innen
Seit 2020 Redakteurin bei DIEVERPEILTE. Hat Kommunikationswissenschaften studiert und machte 2022 ihren Master in Journalismus. Themenschwerpunkte sind Gesellschaftspolitik, Mental Health und Musik.