Meine Liebe für Vinyl wuchs letztes Jahr, als ich zum ersten Mal bei Kompakt reinschaute. Anfangs war es noch ein komisches Gefühl, als einzige Frau in einem Plattenladen zu sein. Doch spätestens, als ich die Fächer durchstöberte und mir meine Auswahl nach und nach anhörte, war das auch vergessen. Es ist nicht nur die Musikauswahl, die mir in Kölns bekanntesten Recordstore zusagt. Der Grund, warum ich mich immer wieder dort blicken ließ, war ein anderer. Es war mein Plattendealer Geo, der mir den Store und das Musikstöbern schmackhaft machte. Jedes Mal, wenn ich durch die Tür hereinspaziert kam, begrüßte er mich mit einem breiten Lächeln. Ein kleiner Plausch hinzu und schon fühlt man sich heimisch. Auch dann, wenn der Männeranteil deutlich höher ist, als an anderen Orten. Warum das so ist, ist mir bis heute ein Rätsel. Man muss kein Musiker sein, um Musik kaufen zu können. Auch ist es nicht nötig, dass man sich über die Musik auskennt, die dort verkauft wird. Das ist mit einer der Gründe, warum ich so gerne in Plattenläden gehe. Die Stücke, die ich bisher dort finden konnte, erweiterten meinen musikalischen Horizont auf eine ganz neue Art und Weise. Nicht zu vergleichen mit dem Abspeichern unzähliger Tracks, die ich über Spotify und Co. finde. 

Daher wollte ich mehr über die Erfolgsgeschichte von Kompakt erfahren und bat Tobias Thomas um ein Interview.

Seit nunmehr 26 Jahren ist er ein fester Bestandteil der Kompakt-Familie. Hinter ihm liegen eine 30 Jahre andauernde DJ-Karriere sowie Tätigkeiten als Musikjournalist bei Spex und Festivalleiter des c/o pop Festivals sowie einst der Betrieb des hauseigenen Fanzines House Attack. Zusammen mit Michael Mayer und Superpitcher startete er 1998 im kleinen Kellerclub Studio 672 die mit dem Label eng verbundene Partyreihe Total Confusion. „Es ist nicht nur die Musik, die Köln von anderen Großstädten unterscheidet. Es ist eine ganz eigene Atmosphäre und Offenheit, die die kölsche Mentalität ausmacht. Die Kölner gehen gerne raus und reden miteinander, ein familiärer Spirit liegt in der Luft.“ Kompakt schaffte es, den Kölner Spirit in Musik umzuwandeln, und letztendlich erfand das Label dadurch seine eigene Sprache: „Viele Kölner Produzenten haben sich auf unterschiedlichste Art mit Popmusik auseinandergesetzt, hinzu kam später eine vor allem von Wolfgang Voigt geprägte, sehr minimale Soundästhetik. Auf eine gleichzeitig sehr melodiöse, poppige Art unterschied sich Köln sehr stark von anderen elektronischen Hochburgen wie Berlin oder Frankfurt. So wurde der ‚Sound of Cologne‘ zu einer Marke, die sich Kompakt zunutze machte. Andere Labels haben sich mit dem Begriff immer sehr schwer getan, wir dagegen mochten ihn.“

Im Laufe der letzten Jahre schlossen sich immer mehr Kölner Künstler vereinzelten Gruppen an, wodurch sich verschiedenste Genres entwickeln konnten. „Viele unterschiedliche DJs, Labels oder Clubs wie beispielsweise Space Club oder Warehouse bildeten damals ihre eigenen Lager. Die einen spielten Drum ’n’ Bass, andere Techno oder House. Nach der anfänglichen Acid-House-Welle, Ende der 80er, entstanden viele neue Formen elektronischer Musik, die ersten Mayday- und Loveparade-Events. Dadurch fing die Kölner Szene an zu wachsen und entwickelte sich sehr schnell. Heute gibt es diesen speziellen Sound nicht mehr. Dieser Kreis von Künstlern, die sich damals sehr viel untereinander ausgetauscht haben, ist heute nicht mehr in dieser Form existent. Die 90er waren einfach eine einzigartige Zeit. Heute gibt es längst eine neue Generation, zum Beispiel die Szene rund um den Ebertplatz, wo neue Freiräume für Kunst und Musik entstanden sind. Von der Kunsthochschule für Medien kommen viele junge Leute und experimentieren mit Musik und sorgen für neue Impulse“, sagt er.

Und so bilden die minimalistischen, hypnotisierenden Klänge der Kölner Elektromusiker den Gegepol zum harten Berliner Techno. Fern von Großraum-Techno, Berliner Clubsounds und prominenter Starbesetzung entwickelte sich in den frühen 90er-Jahren Minimal Techno. 1993 eröffneten Wolfgang Voigt, Jörg Burger und Ingmar Koch ihren ersten eigenen Plattenladen Delirium Köln. Michael Mayer, Jurgen Paape und Reinhard Voigt kamen später dazu. Aus dem Freundeskreis rund um ihren Laden entwickelte sich im Laufe der Zeit jene spezielle Technovariante, die als „Sound of Cologne“ um die Welt ging. Anfang 1998 wurde die Firma in Kompakt umbenannt, unter deren Dach nun mehrere Labels, ein Vertrieb sowie eine Künstleragentur und der Plattenladen zu Hause sind. Der Fokus des Recordstores liegt auf elektronischer Musik in Form von Techno, House und Ambient. Kompakt verhalf im Laufe der Jahre vielen namhaften und international gefeierten Künstlern wie Kölsch, DJ Koze oder Gui Boratto zu einer erfolgreichen Karriere.

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Denis

Kompakt
Kompakt 2 scaled

Fotos: Jelena Ilic

 

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Ist in Nürnberg aufgewachsen, brach erfolgreich drei Studiengänge ab und entdeckte ihre Leidenschaft für den Journalismus durch ein Praktikum in einer Musikredaktion. 2019 gründete sie das DIEVERPEILTE-Magazin. Themenschwerpunkte sind Mental Health, Krankheiten, soziale Ungerechtigkeit, Sexualität und Drogen.

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