Ein guter Produzent ist für mich jemand, der sich der Musik voll und ganz hingibt. Einen Bund mit ihr eingeht, sich Zeit nimmt und auf ihre Bedürfnisse eingeht. Für Nachtbraker aka Maurits Verwoerd war nicht immer klar, dass er mal eine so tiefgründige Beziehung zur Musik haben würde, wie es heute der Fall ist. Der Holländer verliebte sich zwar schon als kleiner Junge in Queen-Texte, die er zusammen mit seinen Eltern im Auto mitsang, doch das Vertrauen in sie entdeckte er erst später. Während seiner Schulzeit fiel es ihm schwer, sich selbst als einen kreativen Menschen wahrzunehmen, da er weder zeichnen noch ein Instrument spielen konnte. Seine Einstellung änderte sich, als er anfing, selbst Musik zu machen. Ein Instrument brauchte er dafür nicht. Lediglich den Keller seiner Eltern, einen Computer und Programme wie eJay, Mixmeister oder FL Studios. Mit der Zeit wurde er immer besser und so verbrachte der heute 28-Jährige seine Nächte auf YouTube und erforschte zusammen mit seinen Freunden die Welt der Klänge. Dabei verfeinerte sich sein Geschmack immer mehr, sodass er der Popmusik schnell den Rücken kehrte und fortan mehr Jazz, Blues oder Funk verfiel.Im Alter von 18 Jahren kaufte er sich eigenes Equipment und startete seine DJ-Karriere, organisierte Partys und spielte zusammen mit seinen Freunden. Mit seiner House-Partyreihe Voorwaarts verschaffte er sich Zugang zur Amsterdamer Szene.

Maurits begriff schnell, dass er eine Gabe besitzt, die er zu seinem Vorteil nutzen kann. „Um Musik zu machen, muss man ein sehr einfühlsamer Mensch sein und Gefühle wirklich verstehen. Ich denke, jeder ist auf eine gewisse Art empathisch. Ich glaube, man wird auch sensibler, wenn man Musik macht und ein Instrument spielt, aber auch dann, wenn man nur zuhört. Wenn ich über meine Zeit im Studio nachdenke, ist die einzige Richtung oder Leitlinie, die ich habe, mein Gefühl“, erzählt er. Mit dieser Einstellung ließ der Erfolg nicht lange auf sich warten. 2014 veröffentlichte er auf Heist seine erste EP „Gute Laune“. Dabei verlor er keinen Gedanken daran, wie sich die Platte verkaufen könnte. Vielmehr achtet er immer auf die richtige Balance zwischen tanzbar und hörbar. „Wenn ich eine EP rausbringe, gibt es auf ihr immer einen Track, der etwas interessanter klingt und mehr in die Tiefe geht.“ Sein Können zeigt sich unter anderem in „Intermezzlow“ oder dem Trip-Mix seines Tracks „Havel“. Werke wie diese konnten nicht nur die Aufmerksamkeit anderer Künstler erregen; so reist er nun schon seit seinem 23. Lebensjahr als Vollblutmusiker um die Welt und feiert hinter seiner Mischanlage seinen Traum.

Die Entwicklung, die er im Laufe der Jahre durchmachte, steht für ihn an erster Stelle. „Ich fand es schon immer interessant, Künstlern dabei zuzusehen, wie sie sich mit der Zeit entwickeln. Das ist für mich essenziell – ein Künstler, der ein Jahr lang immer dasselbe macht, wird schnell langweilig. Jedes Jahr ist anders für mich. Wenn ich Musik kreiere, ist das im Grunde eine Momentaufnahme meines Lebens“, sagt er. Seinen persönlichen Weg, Gefühle auszudrücken, fand er in der Housemusik. Die Kombination aus Produktion und der Möglichkeit, diese auf der Tanzfläche hören und darauf tanzen zu können, ist für ihn das, was man vollkommen nennt. „Der beste Moment überhaupt ist für mich, wenn ich gerade einen Track aufgenommen habe, nachts mit dem Fahrrad vom Studio nach Hause fahre, ihn mir über meine Kopfhörer anhöre und dieses Yes-Feeling bekomme. Und ich genau weiß, dass ich diesen Song nächstes Wochenende spielen und im Nachhinein sehen werde, dass er funktioniert hat“, lächelt er. Ein Beispiel dafür ist seine neueste Veröffentlichung „Fatoe Morgana“ auf der gleichnamigen EP, die zuletzt auf Aus erschienen ist.

Neben einer guten Prise an Emotion steckt der Nachtfalke noch eine andere wichtige Zutat in seine Musik. „In meinen Releases findet man auch immer ein bisschen Humor. Manchmal ist es eine Art Witz. Doch normalerweise mache ich das mit einem seltsamen Arrangement, einem kleinen Detail oder einem komischen Titel. Je sonderbarer etwas ist, desto mehr mag ich es. Und das ist auch das, was ich manchmal in der Musik anderer Leute suche“, lacht er. Dass er das Leben nicht so ernst nimmt, ist es, was ihn besonders authentisch und sympathisch macht. Schaut man sich auf seinen Accounts in den sozialen Netzwerken um, sieht man, dass er Spaß hat bei dem, was er tut. Aus diesem Grund gründete er 2016 auch sein eigenes Label Quartet Series, auf dem freche, funkige Housemusik zu finden ist. Besonders ausgefallen sind die Plattencover, die, wenn es nach Maurits geht, später mal zu Sammlerstücken werden sollen.

www.soundcloud.com/nachtbraker
www.nachtbraker.bandcamp.com/
www.www.instagram.com/nachtbrakermusicc/

Zusätzlich zum Interview, gewährte mir Maurits einen Blick in seinen Plattenschrank und offenbarte mir seine aktuellen fünf Lieblingsstücke: 

01 Kasjmir – Polterguys (Spiritual) 1994

02 Kosh – Virtual Reality (Distrikt Paris) 2020

03 Various – Sunday on Andromeda EP (Partisan) 2019

04 Len Lewis – Liquid Acid / Edge of Life (Physical Education) 2019

05 Basic Bastard –  Signals EP (Spiral Handshake)

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Ist in Nürnberg aufgewachsen, brach erfolgreich drei Studiengänge ab und entdeckte ihre Leidenschaft für den Journalismus durch ein Praktikum in einer Musikredaktion. 2019 gründete sie das DIEVERPEILTE-Magazin. Themenschwerpunkte sind Mental Health, Krankheiten, soziale Ungerechtigkeit, Sexualität und Drogen.

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