War es erst gestern?
Nein, aber es fühlt sich so an. So einen Tag vergisst man nie wieder. Es ist der Tag meiner Festnahme, der augenscheinlich damit begann, wie jeder andere Tag. Zumindest bis zur Frühstückspause.
Die Werksicherheit, eine Drei-Mann-Armee taucht an meinem Arbeitsplatz auf. „Es gab Probleme mit ihrer Zugangskarte. Bitte kommen Sie mit uns mit, damit wir das überprüfen können“. Ein kurzer Blick reichte, um zu erkennen, dass da mehr dahinter steckt. Die Ablehnung mir gegenüber war deutlich wahrnehmbar. Ich ahnte schon was da gleich auf mich zukommen wird. Ich hatte Angst, aber irgendwann musste es soweit kommen. Ich behielt recht.
Als der Wagen der Werksicherheit mit mir Richtung Pforte fährt, ich eingezwängt zwischen zwei Sicherheitskräften auf der Rückbank sitze, sehe ich schon den schwarzen Kombi bei der Torwache. Kriminalpolizei, nicht in Uniform aber gut erkennbar. Noch bevor ich aussteigen konnte, waren meine Arme verdreht und durch ein Metallarmband, welches mich noch lange begleiten sollte, miteinander verbunden. Kurz eine Jacke über meinen Rück geworfen, damit nicht alle Arbeitskollegen sehen können, was Sache ist und schon brachte mich in das Besprechungszimmer der Torwache.
„Shiit!!“, ich sage keinen Ton mehr.
Der Kommissar eröffnet mir den vorläufigen Haftbefehl und erwähnt ganz nebenbei, dass meine Wohnung gerade durchsucht wird. „Shiit!!“, werde ich mir der Situation jetzt endgültig bewusst und sage keinen Ton mehr. Mein Kopf aber schreit. Meine schwangere Frau und mein Sohn sind zuhause. Nicht mehr alleine, sondern mit fünf Polizisten, die die penible Ordnung meiner Frau zerstören, um vielleicht brauchbare Beweise zu finden. Gedanke um Gedanke schießt mir durch den Kopf . Warum habe ich das damals gemacht; Wie DUMM kann man sein; Jetzt ist alles vorbei, meine Frau verzeiht mir das nie. Die Beamten sind nur zu zweit, das schaffe ich und dann komme ich nach Hause und wir verschwinden gemeinsam.
Die Aufforderung meine Taschen zu leeren und mich zu entkleiden, holt mich aus dem Gedanken zurück in die Realität. Die Beamtin, kaum älter als ich selbst, schaut mich auffordernd an, bis ihr klar wird: Mit Handschellen kann ich nichts leeren, geschweige denn mich entkleiden. „Sie bleiben ruhig wenn wir die Fesseln entfernen und folgen unseren Anweisungen!“ – Zu Befehl – und halb verwirrt entweicht mir ein einfaches „Ja“.
Als dann schließlich Handy, Schlüssel, Tabak und der übliche Kram meiner Hosentaschen auf dem Tisch lagen, meine Kleidung kontrolliert wurde und ich mich wieder angezogen hatte, wurden meine persönlichen Gegenstände in einen Beutel gepackt und verschlossen. Ab diesem Moment konnte ich nicht mehr über meine Gegenstände verfügen.
Ich wurde festgenommen und zur Demonstration dessen war das Accessoire, das nun wieder mein Handgelenk schmückte, beim Abführen zum Auto auch nicht mehr verdeckt. Jeder soll es sehen und zum Abschluss ruft mir die Werkssicherheit noch „Ihre Zugangskarte werden sie wohl nicht mehr brauchen, wir werden sie gleich einbehalten“ zu.
So saß ich nun hinten im Kombi. Auf der Fahrt ins Ungewisse. Die Hände am Rücken gefesselt. Schmerzen in Schulter und Handgelenken. Ich starre aus dem Fenster, gedankenlos, aber in dem Bewusstsein, dass es jetzt erst richtig los geht. Der Weg wird lange und schwer sein und vor allem mein bisheriges Leben auf den Kopf stellen.
Es war zu erwarten und doch kaum unerwartet.
Anmerkung der Redaktion: Bei „Notizen aus der JVA“ handelt es sich um eine Reihe, die von einem anonymen Gastautor verfasst wird. Wie der Titel bereits verrät, befindet sich dieser in der Justizvollzugsanstalt, wo er seit 2019 seine Strafe wegen Betrugs absitzt. Weil er seine Zeit im Gefängnis sinnvoll verbringen möchte, bewarb er sich bei uns, um sein Können als Autor unter Beweis zu stellen. Weitere Teile folgen.
Dieser Text erschien zuerst auf DIEVERPEILTE.
ILLUSTRATION: MORITZ GRUNEWALD
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