Ein Sonntagnachmittag. Ich sitze hier und trinke meinen Kaffee. Er hat es sich auf meiner Zunge bequem gemacht, wie eine leichte Sommerdecke auf der Haut. Mein Bauch ist warm und mein Gehirn arbeitet halbwegs konzentriert. Für heute ist es die erste Tasse. Ungewöhnlich spät, aber ich bin müde und meine To-do-Liste noch nicht abgearbeitet. Normalerweise bin ich eine Genießerin, doch heute ist er Mittel zum Zweck. Mit jedem Schluck kribbeln meine Fingerspitzen ein bisschen mehr. Ich male mir aus, wie viele kleine Koffein-Monster über meinen Magen und Dünndarm in mein Blut klettern und Achterbahn fahren. Es ist aufregend. Adrenalin pur. Meine Beine wippen taktvoll. Die zweite Tasse folgt und das Kribbeln wird stärker. Meine Stirn zieht sich zusammen und die Monster tanzen unter meiner Schädeldecke. Der dumpfe Druck bereitet mir Kopfschmerzen. Mein Blut nimmt die Beine in die Hand und rennt. Mit ihm der Schweiß in meinen Achseln. Ich schwitze kalt und mir ist ein wenig schwindelig. Mein Körper kommt mir der zweiten Portion Koffein nicht klar.

Kaffee ist ein Wundermittel. Ja, er kann verdammt gut schmecken. Aber er ist weit mehr als das. Er ist das temporäre Heilmittel gegen Müdigkeit, Prokrastinationshilfe, Pausenüberbrücker, Hungerunterdrücker, Warmmacher, Absacker und das liebste Getränk zum Kaffeekränzchen unter Freund:innen.

Die schwarze Flüssigkeit, die wir gerne mal wie Wasser inhalieren, hat viele Funktionen in unserer Gesellschaft. Sie ist ein kulturelles und soziales Verbindungsmittel. Sie ist aber auch ein Aufputschmittel, das die Funktionen unseres Körpers beeinflusst. Genauer gesagt, der Wirkstoff Koffein. Koffein zählt nämlich zu den stimulierenden Substanzen und trägt in Maßen konsumiert dazu bei, unsere Leistungsfähigkeit zu verbessern. Es verdrängt die körpereigenen Müdigkeitssignale, regt die Durchblutung an und stimuliert das zentrale Nervensystem. Stresshormone wie Adrenalin und Cortisol werden ausgeschüttet. Hormone, die dem Körper Gefahr signalisieren. Die Folge: Wir sind wacher und konzentrierter. Unser Blut steht unter Spannung.

Nur wenige wissen, dass Entzugserscheinungen auftreten können, wenn die gewohnte Koffein-Dosis auf einmal ausbleibt. Kopfschmerzen, Reizbarkeit, Müdigkeit und natürlich Lust auf einen Kaffee! Auch eine Überdosis Koffein ist möglich, wenn auch eher selten. Aber es braucht eben nicht mal eine Überdosis, um „zu viel“ zu sein und danebenzugehen. Wie etwa bei mir.

Kaffee ist eine gängige Alltagsdroge, wenn man so will. Und doch gilt er als Genussmittel und ist uneingeschränkt für jede:n zugänglich. Auch für Kinder. Alle reden über Geschmack, Intensität und Qualität. Niemand redet von Abhängigkeit, Überdosis und Droge. Warum? Ist es mangelnde Aufklärung innerhalb unserer Gesellschaft? Wo sind die Kampagnen, die erklären, wie Koffein im Körper wirkt? Wo sind die Labels auf den Verpackungen oder Hinweise auf Speisekarten, dass Kaffee Koffein nicht nur enthält, sondern dieses auch stimulierend wirkt. Dass das Herz davon schneller schlägt oder dass man es in Maßen konsumieren und genießen sollte? Von Wertschätzung, Herkunft und Arbeitsbedingungen mal abgesehen.

Kaffeebohnen gibt es als Lebensmittel in jedem Supermarkt, Café, Kiosk und Restaurant zu kaufen. Und ich behaupte, dass jeder zweite Haushalt Pulver oder Bohnen zu Hause hat. Er mag bei Weitem nicht so wirken wie das, was wir üblicherweise als Drogen bezeichnen. Er macht auch nicht krank. Im Gegenteil, schwarzer Kaffee kann sich sogar positiv auf die Gesundheit auswirken. Dennoch möchte ich euch ans Herz legen, mit Bedacht zu entscheiden und hinterfragen, womit ihr eueren Körper füttern. Wenn er nach Erholung und Schlaf schreit, dann sollte Kaffee nicht die Dauerlösung sein. Stattdessen die Frage: „Warum braucht mein Körper eine Pause?“. Unser Körper ist schließlich das, was uns durchs ganze Leben trägt und funktioniert am besten, wenn wir auf seine natürlichen Signale hören.

Text erschien zuerst auf DIEVERPEILTE / Foto: Paula Schür

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