„Please do not message me on WhatsApp“ – so lautet mein WhatsApp-Status seit einem Jahr. Ende Januar ging dann eine kleine Bewegung durch mein soziales Umfeld, auf die ich lange gewartet habe. In allen Ecken begannen Leute eben diese App infrage zu stellen. Mehr und mehr luden Signal und Telegram herunter, ein paar kündigten sogar an, WhatsApp endgültig zu löschen. 

Noch letztes Frühjahr, als ich dem bösen grünen Messenger still den Kampf ansagte, stieß mein gut gemeinter Vorschlag, doch eine andere App zu nutzen, leider noch öfter auf Unverständnis. Zu kompliziert, zu viele Programme, zu unübersichtlich; lästig eben. Mich bedrückte es ein wenig, dass vielen meiner Freund:innen die scheinbare Bequemlichkeit wichtiger war als ihr Datenschutz, aber ich wollte diesmal nicht die Nervige sein. Und nachdem Familie, WG und viele Freund:innen doch gleicher Meinung waren, konnte ich immerhin den wichtigsten Traffic von WhatsApp fernhalten.

Nun, ein Jahr später, ist der Trend gegen WhatsApp genauso schnell wieder vergangen, wie er gekommen war. Aber diesmal habe ich es geschafft, fast alle privaten Chats auszulagern. Gelöscht habe ich den Messenger trotzdem nicht, obwohl ich es sogar großspurig angekündigt hatte.

Der Grund? Arbeitsgruppen und Vereine. Und während ich auf Zweitere mit persönlichen Abstrichen vielleicht sogar verzichten könnte, ist das in Bezug auf Erstere keine Option. WhatsApp hat es geschafft, ein Medium für Massenkommunikation zu werden, das für mein Studium und für meine Arbeit fast unvermeidbar ist. Doch ich bin es leid, einem Großkonzern mit meinen privaten Unterhaltungen zu verhelfen, Milliarden zu verdienen, Demokratien zu zerstören und nebenbei ein psychologisches Profil von mir zu erstellen. Vor allem, wenn es gleichwertige Substitute dafür gibt.

Obwohl „gleichwertige Substitute“ eine Unwahrheit impliziert. Im Vergleich sind andere Messenger WhatsApp nämlich in vielerlei Hinsicht meilenweit voraus. Grob gesagt gibt es zwei Aspekte, die man bei dieser Beurteilung beachten muss. Einerseits der Datenschutz im Sinne von „Wo gehen meine Daten hin?“ und die Datensicherheit im Sinne von „Welche meiner Daten können von anderen gelesen werden?“. WhatsApp schneidet in beiden Kategorien schlecht ab, wobei die erste bewusst ausgeschlachtet wird.

Das dürfte wohl allseits bekannt sein. Facebook, das sich WhatsApp vor ein paar Jahren einverleibt hat, analysiert uneingeschränkt Nutzungsdaten, wertet diese eigennützig aus und verkauft sie schamlos weiter. Das ist ihr Geschäftsmodell. Und es läuft ziemlich gut: Letztes Jahr haben sie damit 86 Milliarden Dollar Umsatz erwirtschaftet. So viel hat nicht mal ganz Luxemburg verdient. 

Was das für die Nutzer:innen bedeutet, ist in dieser Rechnung nicht wichtig. Mit denen machen sie ja auch kein Geld. Es gilt: Wer nicht bezahlt, ist selbst das Produkt. Daher werden Daten und Werbeflächen einfach an die Meistbietenden vergeben. Der Schaden, den sie damit anrichten, ist immens. Denn mit diesen Daten wurden nicht nur sinnlose Küchengadgets verkauft, sondern auch gezielt eingesetzte Propagandamitteilungen geschaltet. Wer Angst vor Geflüchteten hat, bekommt Fake News über kriminelle Ausländer:innen, um für Trump und seine Mauer zu stimmen. So wurden Wahlen (meist erfolgreich) manipuliert und zwar in über 200 Ländern. Facebook beteiligt sich damit am weltweiten Abbau der Demokratie und lässt sich auch noch dafür bezahlen.

Hinsichtlich Datensicherheit sind sie mäßig gut aufgestellt. Was gut ist: Die Nachrichten, die versendet werden, sind End-to-End verschlüsselt. Das kann man sich so vorstellen, dass sie vor dem Abschicken mit einem Schloss versperrt werden und nur die Person auf der anderen Seite den Schlüssel hat, um sie wieder aufzusperren. Telegram macht das zum Beispiel nicht automatisch, was sehr problematisch ist, da jede:r Hacker:in die Nachrichten im Klartext lesen könnte. Ein weiteres Problem sind die sogenannten Metadaten. WhatsApp speichert nicht nur meine Nachrichten, sondern auch mit wem ich schreibe, wann ich am Handy bin und wo. 

Was Facebook mit all diesen Daten vielleicht anrichten kann, macht mir Angst. Was ist, wenn die Gesetze verändert werden und Facebook in Zukunft nicht mehr darin eingeschränkt wird, was sie mit meinen Nachrichten machen dürfen? Was ist, wenn Versicherungen oder Banken diese Informationen nutzen können und ich deshalb nur mehr schlechtere Konditionen oder gar keine Kredite bekomme? Was ist, wenn die Polizei irgendwann WhatsApp-Nachrichten überwachen kann?

All diesen Risiken sind ich und meine Daten hilflos ausgesetzt. Obwohl ich das nicht möchte und mich intensiv mit der Problematik im Hintergrund auseinandergesetzt habe, kann ich nichts dagegen tun. Netzwerkeffekte halten mich im Griff der Datenkrake fest gefangen, denn je mehr Leute einen Service nutzen, umso attraktiver ist er. Hat sich so einmal ein Standard etabliert, ist es schwierig, zu einer Alternative zu wechseln. Das ist natürlich verständlich. Wenn mein ganzer Umkreis diese App verwendet, ist es für mich praktisch, sie auch zu verwenden. Und wenn ich eine bestimmte App nutze, ist es wiederum für meine Freund:innen umständlich, auf eine andere umzusteigen. Ein Teufelskreis also.

Dieses Rad kann nur unterbrochen werden, wenn sich genug Leute der Probleme bewusst werden und sich dagegen wehren wollen. Dann braucht es eine Alternative, auf die sich die meisten einigen können. Welche das ist, muss sich noch herausstellen, momentan hat Signal gute Chancen, da es schon relativ weit verbreitet ist und in fast allen Aspekten top abschneidet. Bis das passiert, werde ich wohl mit der Datenkrake leben müssen und mein Umfeld noch ein wenig nerven.

Dieser Text erschien zuerst auf DIEVERPEILTE / Bild: Jens Peters

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War bis November 2022 Redakteurin bei DIEVERPEILTE. Hat Wirtschafts- und
Sozialwissenschaften in Wien studiert und befindet sich aktuell im
Philosophiestudium. Themenschwerpunkte sind Gesellschaft, Wirtschaft und
Poltik.   

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