Warnung: Dieser Text enthält Schilderungen von Body Shaming.

Wir werden es nie allen Menschen recht machen können. Es wird immer Personen geben, die irgendwas auszusetzen haben und auch nicht damit geizen, ihren geistigen Dünnpfiff zu teilen – ob man will oder nicht. Die meisten ungefragten Kommentare bekomme ich zu meiner äußerlichen Erscheinung. Das war schon immer so. Als junges Mädchen knallten mir meine Großeltern gerne Bezeichnungen wie Spargeltarzan, Strich in der Landschaft oder auch halbes Hemd an den Kopf. 

Als ich in die Pubertät kam, veränderte sich mein Körper. In Kombination mit der Pille nahm ich einige Kilo zu und mein Umfeld ließ mich das auch wissen. Muss das zweite Stück Kuchen noch sein? Also die Leggins sieht bei der Figur einfach nicht so schmeichelhaft aus. Du musst aufpassen mit dem Abiball-Kleid, sonst passt du bald nicht mehr rein. Aussagen wie diese brannten sich in mein Gehirn wie das überkochende Nudelwasser auf meine Herdplatte. 

Stress und das Ende der Pubertät beeinflussten meinen Körper ein weiteres Mal. Ich wurde immer dünner und die Sprüche des Umfelds immer dümmer. Gibt es bei dir etwa nichts zu essen? Lang mal ordentlich zu. Du bist viel zu dünn. Du siehts krank aus – um ein paar Beispiele zu nennen. Warum ich das erzähle? Body Shaming gehört für viele zum alltäglichen Leben. Egal ob zu dünn, zu dick, zu behaart oder zu viele Hautunreinheiten. Irgendwas ist immer.

Aber was versteht man genau unter Body Shaming?

Body Shaming ist das Bloßstellen, Beleidigen, Mobben und/oder Diskriminieren von Menschen aufgrund ihres Äußeren. Fat Shaming richtet sich dabei gegen dicke, Skinny Shaming gegen dünne Menschen. Während dicken Personen unterstellt wird, dass sie ungepflegt, undiszipliniert, unsportlich und ungesund sind, wird dünnen Menschen vorgehalten, dass sie krank, unterernährt oder sogar magersüchtig sind. Dass Genetik, Psyche oder auch Hormone in die Physis reinspielen, interessiert die wenigsten. Sowohl Skinny als auch Fat Shaming sind fest in unserer Gesellschaft verankert.

Beides ist zu verurteilen – aber ist es auch das Gleiche?

Lange Zeit hätte ich diese Frage mit Ja beantwortet. Immerhin ist es nie schön, aufgrund des Gewichtes verurteilt, bloßgestellt und/oder diskriminiert zu werden. Allerdings wurde mir mit der Zeit bewusst, dass es große Unterschiede gibt. Im Sommer, wenn sich die unerträgliche Hitze breitmacht, kann ich so viel – oder so wenig – Kleidung tragen, wie ich will. Vielleicht werde ich angestarrt. Vielleicht kommt auch mal ein blöder Spruch. Abgesehen davon muss ich mich aber auf nichts Gravierendes einstellen. Anders sieht das bei dicken Menschen aus. Abfällige Blicke und Sprüche sowie Gelächter machen aus einem entspannten Sommer-Nachmittag einen Spießrutenlauf. 

Ebenfalls muss ich als dünne Person keine Angst haben, dass ich bei der Jobsuche benachteiligt werde. Halo-Effekt heißt die kognitive Verzerrung, bei der von bekannten Attributen auf unbekannte Merkmale geschlossen wird. Du bist dünn und attraktiv – und damit auch schlauer. Dicke Menschen werden von großen Teilen der Gesellschaft als unattraktiv angesehen und diese Wahrnehmung korreliert mit der zugeschriebenen Intelligenz. Das führt letztendlich zu geringeren Chancen auf dem Arbeitsmarkt.

Ein weiterer und vor allem wichtiger Punkt ist die medizinische Benachteiligung. Oft werden Symptome von dicken Patient:innen nicht ernst genommen oder auf das Gewicht geschoben. Ihnen wird unterstellt, dass sie sich ungesund ernähren, keinen Sport machen und das eine Gewichtsabnahme die Probleme lösen würden. Fehldiagnosen sind daher keine Seltenheit – und diese können lebensgefährlich enden. 

Ich sage das an dieser Stelle noch mal: Skinny Shaming ist und bleibt zu verurteilen! Es gibt keine Begründung, die diese Art des Bloßstellens oder Mobbens rechtfertigen würde – niemals! Es kann tiefe Spuren hinterlassen und Selbstzweifel sind nicht selten das Endergebnis solcher Aussagen. Ist es dasselbe wie Fat Shaming? Nein! Denn Fat Shaming geht über das Bloßstellen hinaus und mündet in Diskriminierung auf unterschiedlichen Ebenen. Letztens sah ich ein Video zu genau diesem Thema. Die Macherin des kurzen Clips stellte letztendlich die Frage, ob es für einen selbst okay wäre, dick zu sein und ergänzte, dass wohl die meisten mit Nein antworten werden. Nicht, weil sie ein Problem mit dicken Körpern oder Personen haben, sondern weil niemand Lust auf die damit zusammenhängende Benachteiligung hat. Also stell dir gerne die Frage: Hättest du ein Problem damit, dick zu sein? Wenn ja: wieso?

Dieser Text erschien zuerst auf DIEVERPEILTE.

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Seit 2020 Redakteurin bei DIEVERPEILTE. Hat Kommunikationswissenschaften studiert und machte 2022 ihren Master in Journalismus. Themenschwerpunkte sind Gesellschaftspolitik, Mental Health und Musik.

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