Ich bin seit zwölf Jahren Single. Finde ich selbst krass, das so zu lesen, aber es bringt auch nichts, das totzuschweigen. Dies wird viel zu oft getan in unserer Gesellschaft, die gerne so tut, als wäre der Single-Status nur eine Übergangslösung. Eine Warteposition, bis man endlich jemanden trifft und zu einem vollwertigen, gesellschaftlichen Mitglied wird. Alles andere kann ja nur ein provisorisches Leben sein.

In diesen zwölf Jahren habe ich viel erlebt. Ich bin achtmal umgezogen, zweimal davon ins Ausland. Habe Freund:innen, Orte und Jobs gefunden – und wieder verloren. Doch egal wo ich gelebt oder gearbeitet habe, eine Frage kam immer zwangsläufig irgendwann auf: „Warum bist du eigentlich nicht in einer Beziehung?“ 

Diese Frage ist genauso verwurzelt in unserer Gesellschaft, wie sie übergriffig ist – ein bisschen herablassend ist sie auch. Als hätte man als Single “noch“ nicht die ideale Lebensform erreicht. Stellt euch mal die andere Seite vor: Dass ein Single eine Person in einer Beziehung fragt, warum sie denn eine Partnerschaft führt. Und wissen will, woran es genau liegt. Warum es “noch“ nicht geklappt hat mit dem selbstbestimmten Single-Leben.

Indem diese Lebensform als überlegen angesehen wird, bekommen Singles auf jeden Fall häufig eine Sache ungewollt um die Ohren gehauen: Mitleid. Dabei finde ich Menschen, die ihr Leben alleine meistern, oft besonders stark. Jede einzelne Entscheidung in unserem Leben müssen wir alleine treffen – und tun das auch. Das kann zwar ein Privileg sein, manchmal aber auch eine Belastung. Wir regeln Umzüge, Jobwechsel oder Erkältungen selbst. Jedes einzelne Möbelstück in meiner Wohnung habe ich selbst aufgebaut. Wir tragen unsere Einkäufe alleine vom Supermarkt über zugefrorene Straßen nach Hause. Mit schmerzenden Armen und frierenden Fingern – weil uns zu Hause eben niemand daran erinnert hat, morgens noch die Handschuhe einzupacken: „Es soll schneien später.“  Wir wissen sehr genau, was wir wollen – und was eben nicht. 

Ich frage mich, ob dieser gesellschaftliche Druck nicht auch dazu beiträgt, dass manche Menschen aus Angst vor dem Alleinsein in ihren Beziehungen bleiben. Weil – so zumindest mein Eindruck – eine schlechte Beziehung immer noch besser ist als gar keine. Da wird nicht so grenzüberschreitend nachgefragt wie bei Singles. Ob die Beziehung denn wirklich so erfüllend ist. Wie oft man noch Sex hat. Ob man noch glücklich ist. Das sind alles Fragen, die mir zu meinem Single-Dasein so oder so ähnlich schon gestellt wurden. Dabei hatte ich Beziehungen in diesen zwölf Jahren – nur eben nicht in der offiziellen, gesellschaftlich anerkannten Form. Monatelange Situationships mit Männern. Freundschaften, in denen sich Gefühle entwickelt haben, beide Seiten aber zu feige waren, es anzusprechen. Bis es irgendwann zu spät war. Fernbeziehungen, die an der Distanz gescheitert sind, bevor sie überhaupt richtig beginnen konnten.

Mit ihr muss etwas nicht stimmen, dass sie es nie schafft, einen Typen zu halten. 

Wisst ihr, was ich glaube? Mit uns allen stimmt etwas nicht. Jede:r von uns hat sein ganz eigenes Set an Unsicherheiten, Verhaltensmustern und Ängsten. Und die lassen uns alle nun mal auf eine bestimmte Weise handeln. Wir alle können Depressionen oder Panikattacken bekommen, völlig unabhängig davon, ob wir in einer Beziehung sind oder nicht.

Unser Beziehungsstatus sagt auch nichts darüber aus, ob unsere inneren, kindlichen Verletzungen geheilt sind. Manche sind vielleicht sogar genau deswegen in einer Beziehung. Weil ein Partner oder eine Partnerin die Sicherheit geben kann, nach der man vielleicht schon immer gesucht hat. Andere sind vielleicht genau aus diesem Grund Single.

Wäre es also nicht an der Zeit, die Vorstellung davon, wie ein erfülltes Leben auszusehen hat, zu überdenken?

Ich glaube, das würde unser aller Psyche gut tun. Nicht nur der von Singles.

Autorin: Franziska Lang, Foto: Kim Oppermann

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