WARNUNG: Der folgende Text thematisiert Zwangsstörungen und Selbstverletzendes Verhalten.
Ich bin am PC, recherchiere zum Thema Pickel aufkratzen. Ich google „Skin Picking“ und lande auf der Seite einer Selbsthilfegruppe in Köln. Dort teilen Betroffene ihre Geschichten und Fotos von ihrer aufgekratzten Haut. Es zielt darauf ab, dass sich Menschen, die unter der Zwangsstörung leiden, nicht mehr allein fühlen und Hilfe erhalten – viele der User:innen schreiben, dass sie durch die Seite erstmals davon erfahren haben, dass es sich dabei überhaupt um eine „echte“ Krankheit handle. Sie alle scheinen erleichtert.
Jeder Mensch drückt vermutlich mal an einem Pickel herum. Doch wenn es zu einem unwiderstehlichen Drang wird, wie Betroffene es selbst beschreiben, immer wieder an bereits geschädigter Haut zu quetschen, kratzen und zu drücken, sprechen Fachleute von der Skin Picking Disorder (Dermatillomanie). Dabei handelt es sich um eine psychische Erkrankung, die zu den Impulskontrollstörungen zählt – und die bisher viel zu wenig erforscht wurde. Dies macht sich auch bei meiner Recherche bemerkbar, denn genaue Zahlen zur Häufigkeit kann ich nicht finden. Es wird jedoch geschätzt, dass ein bis fünf Prozent der Bevölkerung davon betroffen sind – dabei mehr Frauen als Männer.
Beim Lesen der Erfahrungsberichte auf skin-picking.de muss ich sofort an meine beste Freundin denken. Julia kratzt seit der siebten Klasse, also seitdem wir uns kennen – und wahrscheinlich noch viel länger – an ihrem Gesicht. Meistens, wenn sie unter Stress steht. Vor allem im Gesicht sind die blutigen Wunden und Narben dann zu sehen. Das setzt sie oft unter Druck und sie kratzt und drückt noch mehr; ein Teufelskreis. Ich will mehr über Skin Picking erfahren, also nehme ich mein Smartphone in die Hand und wähle Julias Nummer.
DIEVERPEILTE: Wie fühlst du dich gerade in deiner Haut?
Julia: Entstellt.
Wie meinst du das?
Ich habe Flecken im Gesicht – also Narben von aufgekratzten Pickeln.
Sind das frische Narben oder Narben, die du schon länger hast?
Frische Narben, die gerade am Abheilen sind.
Und durch was sind die Narben entstanden?
Durch’s Kratzen. Ich kratze mich viel im Gesicht, vor allem wenn ich lerne oder Aufgaben am Schreibtisch erledige. Und da ich bald die Zwischenprüfung für meine Ausbildung als Landwirtin habe und sehr aufgeregt bin, spiegelt sich dies auch an meiner Haut wider.
Hat das Kratzen demnach etwas Beruhigendes für dich?
Es drückt, glaube ich, meine Unruhe aus. Also so wie manche Leute zittrige Knie haben oder nicht stillsitzen können, äußert sich das bei mir, indem ich in meinem Gesicht rumfummel und Mitesser ausdrücke oder Pickel, die eigentlich gar nicht ersichtlich sind, anfasse.
Wie lange machst du das schon?
Seit meine Haut schlechter geworden ist, also mit 12 Jahren. Mit der Hormonumstellung in der Pubertät fing es an, dass ich immer mehr Pickel bekam. Ich neige generell zu einer fettigen, talgigen Haut und da verstopfen bei mir einfach schnell die Poren und dann bilden sich Pickel. Ich habe das immer mit Unreinheit verbunden und habe die Pickel dann ausgedrückt, weil ich sauber sein wollte.
Hast du dich früher denn dreckig gefühlt, weil du Pickel hattest?
Ja, so unhygienisch. Weil wenn man überschüssigen Talg hat, fettet die Haut schnell und dann ist man eigentlich damit beschäftigt, seinen Talg von der Haut zu reinigen, damit die Poren nicht verstopfen. Was zur Folge hatte, dass ich das Gefühl bekam, verstopfte Poren als Konsequenz zu haben, weil ich mich nicht „genug“ gereinigt habe. Und so verliert man sich in Hygieneartikeln. Alles dreht sich nur noch darum.
In welchem Zeitraum hast du verstärkt dein Geld für Pflegeprodukte ausgegeben?
Das hat sich von meinem 12. bis zum 18. Lebensjahr durchgezogen. Es fing mit Drogerieprodukten an, dann mit Apothekenprodukten, dann kaufte ich eine Zeit lang Produkte, die ich aus dem Fernsehen kannte. Und endete dann im „Douglas“ bei den High-End Produkten, also sehr teuren Kosmetikprodukten.
Da du die Produkte gerade in unterschiedliche Kategorien unterteilt hast: Wo liegt da für dich der Unterschied?
Die Wirksamkeit ist eine andere, die Inhaltsstoffe sind intensiver, geprüfter, aggressiver, weil man bei Apotheken-Produkten meistens eine Beratung dabei hat. Dadurch kann man gezielter auf die Probleme der Kund:innen eingehen. Dementsprechend sind die Produkte einfach spezialisierter.
Ich erinnere mich noch sehr genau daran, wie viel Geld du damals in deine Haut gesteckt hast. Und ich weiß auch noch, wenn wir in den „Müller“ oder zu „Douglas“ gegangen sind, dass das auch ziemlich teure Produkte waren. Deine Lieblingsmarke war doch Clinique, oder?
Ja, oder ich weiß mittlerweile gar nicht mehr, wie die alle hießen, aber Kiehls war so die letzte, die ich probiert hatte. Die hatte ich im „Breuninger“ gekauft. Clinique, Avène gab es auch noch oder La Roche – das waren so meine Klassiker, die ich ausprobiert hatte.
Hat dir etwas davon geholfen?
Es ist halt immer der gleiche Effekt, wenn man neue Reinigungsprodukte benutzt: Die Haut wird erst mal schlechter, weil die Haut einfach darauf reagiert und alles erstmal „raus“ will. Und dann ebbt die Reaktion ab und die Haut wird wieder besser. Irgendwann gewöhnt sich die Haut daran und dann versetzt sie sich wieder in denselben Zustand, den sie zu Beginn der Anwendung hatte.
Also hat eigentlich nichts geholfen?
Langfristig nicht, ne. Das Einzige, was ich wirklich brauche, ist eine Feuchtigkeitscreme. Die macht die Haut schön, befeuchtet die trockenen Hautstellen oder hilft einfach beim Heilungsprozess der Haut. Ich habe die Produkte dazu noch mit meiner Ernährung kombiniert und verschiedene Diäten ausprobiert.
Zum Beispiel?
Ich habe auf Milchprodukte verzichtet. Fleisch aß ich damals aber noch, heute lebe ich vegetarisch. Dann habe ich versucht, mich balaststoffreich zu ernähren, auch auf basische Ernährung zu achten, also keine roten Tees, sondern nur Kräutertees oder grüne Tees. Ich habe Zucker reduziert – aber da war nichts dabei, was mich zufriedenstellen konnte.
Gab es denn jemals etwas, was dich zufrieden gestellt hat?
Ja, wenn ich nicht am Schreibtisch war – also ich habe lange studiert und hatte dann auch einen Bürojob – und wenn ich mal längere Zeit auf Reisen war, habe ich einfach gemerkt, dass sich mein Hautbild total verbessert und entspannt. Klar, gab es da meist andere Wetterbedingungen und mehr Sonne. Und klar ist es auch Urlaub, man ist sowieso entspannter und hat weniger Druck, aber gleichzeitig befindet man sich eben auch nicht hinterm Schreibtisch und hat die Hände frei. Seitdem ich in der Landwirtschaft arbeite, also einen Beruf habe, wo ich auch aktiv mit meinen Händen bin, finde ich, dass sich meine Haut schon stark gebessert hat. Aber ich merke auch, ich kann so viele Produkte benutzen, wie ich will, es ist eine rein emotionale Sache bei mir. Mittlerweile glaube ich nicht, dass ich Akne habe, sondern einfach etwas unreine Haut. Die eben durch Stress ausgelöst wird.
Hattest du denn früher Akne?
Weiß nicht, angeblich nicht.
Was heißt “angeblich nicht”?
Ich war lange Zeit beim Hautarzt. Und die haben das unter Akne eingestuft. Seither hat sich mein Hautbild nicht signifikant verbessert, weshalb ich nicht glaube, dass es Akne ist. Was sich jedoch geändert hat, ist, dass ich heute nicht mehr diese krass entzündlichen Pickel habe, wie ich sie in der Pubertät hatte. Aber dennoch leide ich für meine 29 Jahre noch immer sehr stark unter meiner Haut.
Hast du mal überlegt, eine Therapie anzufangen?
Ja, eigentlich schon. Würde ich auch gerne machen.
Aber?
Ich hatte noch andere Baustellen, irgendwann muss ich das mal angehen. Ich habe aber mal eine Hypnose gemacht.
Was hast du dir davon erhofft?
Dass mir der „Tick“ raus hypnotisiert werden kann.
Und, hat es geholfen?
Am Ende war es eine emotionale Erfahrung. Es war sehr unbefriedigend. Ich war insgesamt nur zweimal dort, da es für 200 bis 300 Euro pro Sitzung auch relativ teuer war. Für ein positiveres Ergebnis hätte ich insgesamt neunmal kommen müssen, hatte aber dann kein Geld dafür, die Therapie weiter zu machen.
Wie sieht es mit anderen Betroffenen aus? Kennst du Leute, die ihre Haut auch aufkratzen?
Meine Schwester. Aber sie hat das in den letzten Jahren so gut in den Griff bekommen, dass ihre Haut total tadellos aussieht. Sie hat es komplett überwunden.
Ich würde gerne noch mal zu dem Punkt zurückkommen, als du vom „unsauber sein“ in Verbindung mit deiner Haut gesprochen hast. Wie ist dein Umfeld mit deiner Haut umgegangen und welche Reaktionen hast du darauf bekommen?
Früher habe ich mich sehr stark geschminkt und die Reaktionen waren: Wenn mich mal jemand spontan an der Haustür besucht hat und ich nicht gestylt war, dass man sich dann schon erschrocken hat oder überrascht war, weil das einfach so ein Kontrastprogramm zwischen dem Make-Up-Ich und dem ungeschminkten Ich war.
Das klingt nach einer schmerzhaften Erfahrung. Wie ging es dir damit?
Es waren halt zwei paar Schuhe: Schlechte Haut und ungeschminkt sein. Rückblickend betrachtet kann ich das auch nachvollziehen, dass sich die Leute bei meinem ungeschminkten Anblick erschrocken haben. Das sind einfach starke Gegensätze und die sind vielleicht auch gar nicht wegen meiner Haut zusammengefahren, sondern vielleicht, weil sie die ungeschminkte Version von mir nicht gewohnt waren. Es ist halt genauso, wie wenn man sich die Haare färbt, da sieht man auch erstmal anders aus. Aber das ist ja keine Wertung.
Aber in dem Moment ist das ja trotzdem verletzend, wenn man eine solche Reaktion auf das eigene Aussehen erhält?
Ja, es war nicht angenehm.
Hast du in solchen Momenten dann auch vermehrt zu kratzen angefangen?
Ne, das Kratzen ist eher eine Schreibtischsache. Es geschieht nicht aus einer reinen Emotion, sondern ich mache das meistens heimlich, wenn ich alleine oder in Gedanken bin.
Wie ging es dir mit deiner Haut, wenn du in einer Beziehung warst?
Das war immer voll witzig, wenn ich, ich sag jetzt mal, zum Sex verabredet war, und ich dabei war, mich fertig zu machen. Ich wusste ja, dass der Abend im Bett enden würde und fragte mich dann schon manchmal, wofür ich mich jetzt eigentlich schminke. Aber ungeschminkt sein wollte ich auch nicht, weil ich mich dann nicht schön fand. Es ging mir ja nur darum, die Pickel und die offenen Wunden zu kaschieren. Es war ungünstig. Und besonders ungünstig ist es, wenn man dann zusätzlich auch noch Hautfetzen von abkrustenden Pickeln im Gesicht hat – die man dann auch noch unterm Make-Up sah. Es war eine lose-lose-Situation. Da war ich eigentlich nie zufrieden. Bis ich das Make-Up dann ganz weggelassen habe.
Wann war das?
Vor drei Jahren.
Wie kam es dazu?
Ich habe angefangen, mich mit wichtigeren Dingen zu beschäftigen, als meinem Aussehen und mich eher mit den inneren Idealen zu identifizieren und auch einfach drüber zu stehen.
Kannst du dich noch an die Anfangszeit erinnern, wie du angefangen hast, ungeschminkt rauszugehen?
Ja, nicht so konkret. Es hat einfach zu meinem neuen Image gepasst, zu dem natürlichen. Ich wollte natürlich essen, ich wollte natürliche Kleidung und ein natürliches Aussehen haben – und dazu gehörte eben auch ein ungeschminktes Gesicht, da ich authentisch sein wollte. Dafür musste die Schminke weg, sonst hätte ich mir selbst nicht glauben können.
Hat das innerlich dann auch was mit dir gemacht?
Es war dann einfacher, ja.
Das ist ja auch so ein Schritt: Hey, ich gehe jetzt ungeschminkt auf die Straße und stehe einfach zu mir. Vorher habe ich mich unter dem Make-Up versteckt und somit auch vor den Außenreaktionen. Aber jetzt gönne ich mir das. Das hat nach so vielen Jahren mit der Haut ja auch irgendwie etwas Empowerendes, dass man sagt: So jetzt scheiß ich drauf! Und wer mich ungeschminkt nicht nimmt, hat Pech gehabt!
So stolz bin ich nicht auf die Straße getreten (lacht). Ich glaube, ich habe einfach andere Menschen gesehen, mit entweder schlimmerer Haut, die auch kein Make-Up trugen, wo ich gemerkt habe: Ey, das juckt die überhaupt nicht. Die sehen, was sie jeden Tag leisten, was sie können und wie besonders wertvoll sie sind und sie haben auch eine schlechte Haut. Und das hat mir gezeigt, dass es nicht wichtig ist, was für eine Haut ich habe, sondern was in mir drin ist.
Welche Gefühle gehen eigentlich mit dem Kratzen einher?
Ich bin in einer Situation, in der ich nicht sein möchte. Das hat also etwas mit “unwohl fühlen”, aber auch mit Unentschlossenheit, Unsicherheit und fehlendem Vertrauen in mich selbst zu tun. Zum Beispiel beim Lernen.

Wie meinst du das?
Dass ich, wenn ich kurz vor einer Prüfung stehe und lernen muss, denke: Ich schaffe das nicht, ich kann mir das nicht merken, ich verstehe es einfach nicht.
Du meinst, wenn bei dir negative Glaubenssätze hochkommen, fängst du an zu kratzen?
Genau, so in etwa.
Kann man das dann eigentlich auch mit einer Form von Selbstbestrafung gleichsetzen?
Vielleicht. Ja, es tut dann auch weh. Mittlerweile habe ich meine Haut so aufgekratzt, dass, wenn mein Partner mich küsst, ich seinen Bart auf meiner Hart spüre. Einfach, weil sie so dünn ist und viele offene Stellen hat.
Krass. Wie geht er damit um?
Ich habe das Thema angesprochen. Er darf mir auf die Finger hauen, wenn er sieht, dass ich mich kratze und er sagt mir trotzdem jeden Tag, wie schön ich bin und ich merke, dass er darüber hinwegsieht. Also, er sieht meine aufgekratzte Haut gar nicht und ich weiß auch, dass er es nicht sieht. Und wenn ich ihn darum gebeten habe, dass er es nicht zulassen soll, wenn ich mich kratze, dass er mich dann einfach darauf anspricht, dass ich es lassen soll. Und mir somit wieder ein Raumgefühl gibt. Weil ich sonst auch bei ihm anfange, rumzukratzen. Und so zieht er mir klare Grenzen und gibt mir damit zu verstehen, dass ich an seiner Haut nichts verloren habe und an meiner auch nicht und das geht eigentlich ganz gut. Ich werde auch nicht aggressiv, wenn er es mir verbietet, an meiner eigenen Haut zu kratzen.
Hast du mal probiert zu tracken, zu welchen Zeiten und in welchen Situationen du dich kratzt?
Beim Telefonieren habe ich auch eine Hand frei.
Jetzt gerade auch?
Voll, ja.
Was? Du kratzt dich, während wir ein Interview übers Kratzen führen?
Ja klar.
Okay. In welchen Situationen noch?
Manchmal, in der Früh, ist das Erste, was ich mache, gleich einen Pickel aufzukratzen.
Was für ein Gefühl schleicht sich danach bei dir ein?
Als erstes bin ich zufrieden, weil ich den Pickel gefunden habe. Dann bin ich wütend.
Du stehst dann also vor dem Spiegel, und dann…
Ich bin noch im Bett, habe die Hand im Gesicht und dann taste ich meine Haut ab und merke: Oh, da ist ein Hubbel, da könnte vielleicht etwas rauskommen. Dann drücke ich.
Und dann?
Dann denke ich ganz oft: Oh nein, der Pickel war noch nicht reif, jetzt gibt es gleich eine Narbe, ohne dass überhaupt etwas rausgekommen ist.
Wie nimmst du die Haut von anderen Menschen wahr – zum Beispiel meine?
Ich fand deine Haut schon immer wunderschön und habe mich halt schon gefragt, warum eigentlich alle eine so perfekte Haut haben, nur ich nicht. Ich hätte auch gerne eine schöne Haut gehabt, dann wäre vieles einfacher gewesen.
Bei mir ist es gerade so: Also ich hatte sehr schönes langes Haar, jetzt habe ich keines mehr, und wenn ich dich jetzt sehe oder andere Freundinnen von mir mit sehr schönem Haar, dann denke ich mir gerade: Oh Mann, haben die schöne Haare! Das habe ich mir vorher nie gedacht, das war mir total egal. Aber jetzt denke ich mir so: Manno, ich hätte die Haare jetzt auch gerne. Das macht mich schon neidisch und es ist auch etwas, das mich, je nachdem in welcher Stimmung ich mich gerade befinde, frustrieren kann. Und es lässt mich manchmal auch kleiner fühlen, einfach aus dem Grund heraus, dass die andere Person etwas hat, was ich gerade nicht habe und wonach ich mich sehne.
Ja, also aufgrund meines Aussehens allgemein und meiner Größe werde ich ja eh so oft jünger geschätzt – und aufgrund meines Hautbildes, glaube ich, auch und das nervt mich schon. Ich werde gefühlt für mein Alter nicht richtig eingeschätzt – trotz der Erfahrungen, die ich durchlebt habe. Das stört mich schon.
Weil du dich nicht ernst genommen fühlst?
Dass ich nicht als erwachsene Frau gesehen werde, sondern: Ah, da ist ja noch eine Pubertierende. Und der Grund dafür, dass ich so gesehen werde, ist unter anderem meine aufgekratzte Haut.
Welche Reaktionen würden dir gut tun?
Was ich zum Beispiel total schön fand, war letztens mit meiner Klasse auf einer Seminarfahrt zu sein. Da habe ich von niemandem einen Kommentar zu meiner schlechten Haut gekriegt. Auch nicht von meinem Mitbewohner oder meinen Eltern – obwohl die meine Haut bei jedem Treffen kommentieren. Das war richtig schön, weil es gerade jetzt im Moment auch sehr extrem ist.
Und andere sprechen dich dann darauf an?
Ja, meine Familie auf jeden Fall.
Was sagen die dann?
Warum kratzt du dich denn schon wieder? Vor allem sagen meine Eltern dann noch: Jetzt hast du schon deinen Traumjob, jetzt hast du doch keinen Stress mehr, warum kratzt du dich denn immer noch?
Was macht das mit dir?
Nur, weil ich meinen Traumjob habe, bedeutet das nicht, dass ich keinen Stress habe.
Welche Reaktion würdest du dir von deinen Eltern wünschen, wenn du nach Hause kommst?
Am besten sollen sie mir das Gefühl vermitteln, dass es okay ist und am liebsten ist es mir, wenn es gar nicht kommentiert wird.
Letzte Frage: Wann fühlst du dich schön?
Wenn ich keine offenen Narben habe oder wenn die Haut nicht so wund durchschimmert. Wenn ich braungebrannt im Urlaub bin und die Sonne in mein Gesicht strahlt – dann fühle ich mich schön.
Danke für das Interview.
Anmerkung: Julia erzählt hier von ihren persönlichen Erfahrungen und Beobachtungen. Für eine konkrete Beratung zum Thema Skin Picking, sowie die Diagnose und erste Hilfestellungen wende dich bitte an Spezialist:innen. Dies können Ärzt:innen, Psycholog:innen oder auch eine Selbsthilfegruppe sein. Auch wenn es schwerfällt: Halte dich von Werkzeugen wie Pinzetten, Nadeln und Messern fern. Falls es gar nicht ohne geht: Desinfiziere! Wenn sich deine Haut entzündet hat, solltest du eine:n Arzt/Ärztin aufsuchen. Wenn du Suizidgedanken hast, vertraue dich umgehend jemandem an.

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Autor:innen
Ist in Nürnberg aufgewachsen, brach erfolgreich drei Studiengänge ab und entdeckte ihre Leidenschaft für den Journalismus durch ein Praktikum in einer Musikredaktion. 2019 gründete sie das DIEVERPEILTE-Magazin. Themenschwerpunkte sind Mental Health, Krankheiten, soziale Ungerechtigkeit, Sexualität und Drogen.