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Als Musikjournalistin hatte ich schon so einige Interviews mit Künstlern. Doch keines, wie mit Guillaume Atlan. Geboren Ender der 70er Jahre in Paris, als Sohn einer Sozialarbeiterin und eines Arztes, der als Schlagzeuger in der französischen Band Mose spielte. Gerade einmal acht Jahre war er alt, als er sein Solfège-Klavier-Studium am Francis-Poulenc-Konservatorium begann. Nach acht Jahren Ausbildung, begann er eine Reise, durch die Welt der Musik. Die 80er ließen seine Liebe für Funk wachsen und so begann er in den 90ern mit der Produktion und Komposition von Musik. Bereits als Kind fing er mit dem Musizieren an, spielte als Keyboarder in diversen Funk- und Acid-Jazz-Bands. Durch seine ersten Platten gelangte er an Künstler wie Larry Heard, Derrick Carter oder Gemini. Live-Acts wie The Chemical Brothers, Daft Punk oder Basement Jaxx ließen ihn 1996 zu dem Entschluss kommen, selbst elektronische Musik zu produzieren. Im Jahr 2000 startete er dann sein Projekt „The Superman Lovers“, was letztendlich mein Interesse für ihn weckte. Mit Family Business bereitete er mir viele schöne Momente. Ob nun tänzelnd in der Wohnung oder einfach gut gelaunt durch die Straßen. Er erklärte sich bereit, für ein Interview auf meinem Blog. Für mich ein Glücksfall. Und hier sind wir. Guillaume und ich im Gespräch.

Hallo Giullaume. Was kannst du mir über deine Kindheit erzählen und wie bist du zur Musik gekommen?
Die Kindheit war cool. Ich komme aus einer Mittelstandsfamilie in Paris. Total gewöhnlich, keine dieser traurigen Geschichten. Mein Vater hat mich nie geschlagen, meine Mutter war nie unter Drogeneinfluss und ich war im Alter von 8 Jahren nicht Prosti. Meine Eltern haben mich im Alter von sechs Jahren für Klavier und Solfège an das Konservatorium in Paris gebracht. Ich blieb dort 8 Jahre und wechselte danach zu Acid Jazz und Funk Bands. Ich begann mit 17 Jahren Klavierbar zu machen und der erste Job war in Eurodisney. Zu dieser Zeit wollte ich Sänger werden, aber das war nicht die beste Idee, die ich hatte. Ich erinnere mich, dass ich in Eurodisney Klavier und Gesang gemacht habe. Aber nur meine Stimme war in den Lautsprechern, so dass die Leute, die ihre Pizza am Ende des Restaurants aßen, nur meine schöne Stimme hören konnten. Drei Wochen, nachdem ich dort angestellt war, kam ich eines Tages dort an und das Mikrofon war nicht mehr da. „Wo ist mein Mikrofon?“ Und der Chef sagte: „Kannst du einfach nur Klavier spielen, die Leute haben sich beschwert.“ Ich war total entsetzt und reagierte: „Was?? Ich bin ein Künstler!!! Wenn du mich nicht singen lässt, gehe ich.“ Sie ließen mich gehen.

Wie kommt jemand, der acht Jahre lang erfolgreich Solfège und Klavier studiert hat, hinter die Plattenteller?
Ich wollte weg von den Funkbands. Es war einfach schwierig, Dinge wie Proben und Kompositionen zu organisieren. Also entschied ich mich, meinen ersten MPC2000 zu kaufen. Ich begann, meine eigene elektronische Musik zu machen. Ich hatte auch einen Freund, der Thomas von Daft Punk nahe stand und mir riet, einen ASR10 ensoniq (das ist eine Sampling-Maschine) zu kaufen. Und so fing ich an, elektronische Musik mit einem MPC2000 und ASR10 zu komponieren und zu produzieren. Ich könnte House Musik machen!

Hast du die Frage schon mal gehört?
Das über BDSM?

Erzähl mal, wie hat das mit „The Supermen Lovers“ angefangen?
Ich gründete mein erstes Label „Lafessé Records“ (die Spank Records) und begann unter dem Namen Stan de Mareuil zu produzieren. Es gab viele Aristokraten, die elektronische Musik in Paris machten. Sie konnten sich mit meinem jüdischen Namen aus Algerien nicht identifizieren. Also beschloss ich, mir ebenfalls einen aristokratischen Namen zuzulegen. Ich machte eine Strecke namens „Marathon man“ und wollte ein neues Projekt starten. Dann hörte ich den Song „Superman Lover“ von Jonny Guitar Watson im Radio und entschied mich für diesen Künstlernamen. Zu dieser Zeit lebte ich in einem sehr kleinen Studio mit all meinen Maschinen. Ich fand eine Schleife und begann, darauf Melodien zu komponieren. Und Starlight erschien mir wie ein Geschenk Gottes.

Wie steht es um deine Klavierkollegen? Lachen sie heimlich über dich, weil du als DJ unterwegs bist?
Ich habe mich nie wie ein DJ gefühlt. Ich verbinde damit einen Vollzeitjob, bei dem man viel Zeit damit verbringt, nach Platten zu suchen. Und ich suche lieber nach Tastaturen und Maschinen. Ich bin mehr Komponist und Produzent, als ein DJ. Ich fing an, auf der Bühne mit einem Live-Act zu produzieren. Das tat ich dann 15 Jahre lang. Erst vor vier Jahren fing ich mit dem DJing an. Es ist überhaupt nicht vergleichbar, aber ich mag tatsächlich beides. Als Live-Act ist es dir nicht erlaubt, dich in vielen Clubs zu präsentieren. Aus diesem Grund fing ich an, als DJ aufzutreten. Ich mag die Stimmung in kleinen, intimen Clubs. Aber auch große Festivals, auf denen ich live spielen kann. Meine damaligen Kollegen konnten das nicht nachvollziehen. Jetzt verstehen sie es (lächelt).

Gibt es etwas, dass du ihnen jetzt gerne sagen würdest? 
Ihr habt den Zug verpasst.

Was ist dein liebstes klassisches Stück?
Oh, ich habe viele. Wie beispielsweise Beethovens Sinfonie Nr. 6 Pastorale, Franz Schuberts Klaviertrio Es-Dur, op. 100  oder Tschaikowskys Der Nussknacker.

Und was gefällt dir aus deinen eigenen Veröffentlichungen am besten?
Belle Nuit

Hast du jemals einen deiner Tracks so krank abgefeiert, dass es dir im Nachhinein peinlich war?
Leider nicht nur einmal. Ich hatte viele Gelegenheiten mich zu schämen, nachdem ich viele Dinge gefeiert habe. Allerdings erinnere ich mich nicht an einen speziellen Moment. Oh warte, da war doch was. 1999, das war bevor ich mein eigenes Label gründete, hatte ich zusammen mit meinem Kumpel Stefan Lebenson mein erstes elektronisches Duo. Wir nannten uns „School“. Wir wurden damals auf dem britischen Label Cyclo Records  unter Vertrag genommen. Larry Heard machte sogar einen Remix dazu. Wir waren so glücklich, unsere erste Platte auf diesem Label unterschreiben zu können. Wir wetteten mit unseren Freunden, dass wir in einem berühmten Pariser Club (Queen), die ganze Nacht mit heraushängendem Schwanz verbringen konnten. Und wir schafften es. Wir waren so unscheinbar, dass es niemand bemerkte.

Hast du schon mal ein Sexangebot von einem Groupie erhalten?
Nach all den Jahren habe ich eine Sache gelernt. Sag niemals nein zu einer Frau.

Fühlst du dich als DJ manchmal sexuell belästigt?
Nur zu, belästige mich. Überhaupt kein Problem. Ich würde sogar behaupten, dass ich dafür bin, „belästigt“ zu werden. Wir Männer sollen uns beschweren, wenn Frauen auf uns zu kommen? Ach komm. Unser Gehirn befindet sich ja nicht in unserem Kopf. Manchmal ist es wirklich peinlich, aber so ist es.

Gibt es französische Klischees, die dir auf den Sack gehen?
Ganz ehrlich, ich liebe französische Klischees. Ich liebe Baguettes. Ich liebe die Vorstellung, dass Franzosen die Swingerclubs gründeten. Ich liebe den Eiffelturm. Ich liebe es, unhöflich mit Fremden in Paris umzugehen. Ich liebe es, mich zu küssen, wie ein Franzose es tut. Ich liebe Disco und ich liebe es zu denken, dass Frankreich das Zentrum der Welt ist. Und das stimmt, sieh dir die Weltkarte an.

Hast du jemals eine Rezension über eines deiner Werke gelesen und wolltest dem Kritiker dafür am liebsten eine reinhauen?
Das würde die Person nur bestätigen, indem was sie tut.

Hat dir schon mal jemand gesagt, dass du zu alt bist fürs Auflegen?
können wir vielleicht unter vier Augen darüber reden?

Warst du bei einem deiner Gigs jemals so betrunken, dass du dein Set wirklich verkackt hast?
Ich trinke nicht. Es ist nicht so, dass ich nicht will. Sondern weil mein Körper allergisch gegen Alkohol ist. Das stimmt, kein Scherz. Gegen Medikamente bin ich allerdings nicht allergisch. Und ja, auf Drogen habe ich wirklich schon viel Scheiße gebaut.

Gab es mal eine Person, die dir besonders als Arschloch in Erinnerung geblieben ist?
Arschlöcher gibt es überall. Und wir sind alle eines Tages das Arschloch von jemandem gewesen. Aber sicher habe ich ein riesiges Arschloch getroffen. Die meisten von ihnen in den Plattenfirmen, vor langer Zeit. Als sie noch mächtig waren. Ich meine, es ist nicht besonders verwunderlich, dass sich diese Menschen zu Arschlöchern entwickeln. Geld, Ruhm und Macht lassen Menschen unglaubliche Dinge tun. Aber du kannst auch jeder Zeit damit aufhören, eines zu sein.

Wenn ich jemals in den Besitz von „The Player“ komme, signierst du die Platte für mich?
Auf jeden Fall. Wenn du sie hast, bekommst du meine Adresse und ich schicke sie dir signiert zurück!

 

www.thesupermenlovers.bandcamp.com
www.facebook.com/thesupermenlovers

www.instagram.com/thesupermenlovers
www.soundcloud.com/the-supermen-lovers

 

Hier geht’s zur Platte:
Family Businessir?t=dieverpeilte 21&l=am2&o=3&a=B00G4FQT0U

 

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Ist in Nürnberg aufgewachsen, brach erfolgreich drei Studiengänge ab und entdeckte ihre Leidenschaft für den Journalismus durch ein Praktikum in einer Musikredaktion. 2019 gründete sie das DIEVERPEILTE-Magazin. Themenschwerpunkte sind Mental Health, Krankheiten, soziale Ungerechtigkeit, Sexualität und Drogen.

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