Als Kind habe ich mich immer gefragt, wann sind Künstler:innen eigentlich Künstler:innen? Wenn sie ihre ersten Kunstwerke verkauft haben? Wenn ihre Kunst etwas in anderen Menschen auslöst? Wenn sie ihre eigenen Werke als Kunst bezeichnen? Heute bin ich erwachsener und weiß, dass diese Frage schwer zu beantworten ist. Es gibt keine einheitliche Definition, jeder Mensch interpretiert den Begriff „Kunst“ anders.
Deswegen möchte ich mich mit Künstler:innen verschiedenster Gattungen treffen und über ihre Kunst, ihren Werdegang und ihren eigenen Mut sprechen. Starten wird diese Reihe mit der Berliner Künstlerin Johanna Strahl.
Johanna ist sechsundzwanzig, lebt und schafft in Berlin und steht nicht so gerne mit ihrer Person in der Öffentlichkeit, was wir vollkommen respektieren, deswegen nur dieses kurze Intro. Aufmerksam geworden bin ich auf Johanna im Frühjahr 2020, irgendwann im ersten Lockdown. Mein Algorithmus spülte sie mir auf den Dash und begeistert nahm ich dieses Kunst-Angebot an. Seitdem folge ich ihr und verfolge die Kunst, die sie macht. Als ich las, dass sie eine eigene Soloausstellung in der Galerie „Graumalerei“ im Reuterkiez in Berlin-Neukölln macht, wusste ich, dass ich mit ihr eine gute Partnerin für meine Interview-Reihe habe.
DIEVERPEILTE: Hey Johanna, schön, dass wir uns kennenlernen und danke für die Führung durch deine Ausstellung. Als Erstes würde ich gerne wissen, ob es einen Moment in deinem Leben gab, als du merktest, dass du Kunst machen willst?
Johanna Strahl: Das war weniger ein Moment als vielmehr eine Entwicklung. Ich war als Kind sehr ruhig, habe mit kaum jemanden geredet und eigentlich ständig nur gemalt, also wirklich immer. Und dafür wurde ich dann auch gelobt, so kam das.
Aber gab es keinen Aha-Moment?
Doch schon, als ich als Kind selber anfing, Kinderbücher zu lesen, erklärte mir jemand, dass die Zeichnungen in den Büchern von Menschen gemalt werden. Eigentlich ja logisch, nur für mich als kleines Kind nicht. Als ich begriff, Menschen tun das, da wusste ich, das will ich auch mal machen.
Das ist echt ein cooler Moment. Von da an wolltest du dann Kunst machen?
Genau und habe ich dann ja auch.
Viele Menschen machen ja Kunst und bezeichnen sich selber nicht als Künstler oder Künstlerin, wann kam bei dir dieser Moment?
Erst sehr spät und dann auch als Prozess. Ich habe mich lange Zeit nicht selbst als Künstlerin definiert. Ich habe zwar immer erzählt, ich mache Kunst, aber mich nie als Künstlerin bezeichnet.
Warum nicht?
Vielleicht weil ich keinen Abschluss in dem Bereich habe. Ich habe zwar angefangen, Illustration und Design zu studieren, es aber vor drei Jahren abgebrochen und mache seitdem so mein Ding.
Und damit sind wir schon beim Kern. Beschreib doch mal, was du eigentlich machst.
Manche bezeichnen es als Pop-Art. Ich arbeite meist mit großen, plakativen und immer wiederkehrenden Motiven. Dazu benutze ich nur kräftige Primärfarben sowie schwarz und weiß als Kontrast. Meine Motive haben oft einen popkulturellen Charakter, zum Beispiel der Wagen oder die Sneaker.
Bist du ein Sneaker-Head? Stehst du auf Schuhe?
Eigentlich gar nicht, ich habe auch kein Auto oder Führerschein. Trotzdem arbeite ich gerne mit diesen Motiven. Aber mein Lieblingsmotiv sind meine Figuren.
Ja, die sind echt cool. Magst du bisschen was über sie erzählen, sie wirken sehr urban?
Sie sollen in erster Linie „chillig“ aussehen und keinem Geschlecht zugeordnet werden können. Deswegen die weiten Klamotten, damit sich jeder mit den Figuren identifizieren kann.
Und warum die Primärfarben, kannst du dazu was erzählen?
Dabei geht es um Einfachheit. Wenn ich an einem Werk arbeite, dann nehme ich Motive und Farben, fange an und schmeiße die Hälfte am Ende raus. Ich reduziere alles auf das Minimum. Ich will es simpel und trotzdem farbenfroh.

War das ein Prozess für dich? Dich zu vereinfachen?
Auf jeden Fall. Früher habe ich Bilder mit dem dünnsten Fineliner gemalt, den ich finden konnte. Alles war sehr detailliert, heute benutze ich dicke Marker. Aber ich muss auch zugeben, ich sehe sehr schlecht, das spielt da sicherlich auch mit rein. Weniger Farben, große Motive, das kann ich besser erkennen.
Und seit wann verfolgst du diesen Stil?
Seit letztem Jahr erst vorher habe ich in anderen Stilen gemalt. Aber als ich die ersten Figuren gemalt hatte und sie mir nach einigen Wochen immer noch gefielen, bin ich die Schiene einfach weitergefahren, und so lange es mir Spaß macht, so zu malen, werde ich das weiterhin tun. Denn das gab es vorher nicht, da fand ich meine eigenen Werke nach einer Weile nicht mehr gut.
Aber jetzt findest du deinen Stil ja so gut, dass du sogar eine eigene Solo-Ausstellung machst. Kannst du uns erzählen, wie es dazu kam?
Eigentlich wollte ich die Ausstellung schon vor einem Jahr machen, aber wegen Corona ging das nicht. Der Grund ist, dass ich wollte das Menschen meine Bilder in echt sehen können, denn dann wirken sie ganz anders. Sie sind nämlich eigentlich recht groß (A.d. R: Können wir bestätigen) und wirken in echt ganz anders als im Netz.

War es schwer, einen passenden Raum zu finden?
Eigentlich ist das in Berlin superschwer, aber ich hatte einfach Glück. Die Empfehlung kam über Instagram und dann war der Raum noch frei für meine Zeit. Bei anderen Galerien sind die Wartelisten echt lang, da muss man sich schon sehr bemühen.
Hattest du Angst vor deiner ersten eigenen Ausstellung?
Angst, dass nicht zu packen? Nein. Angst, dass keiner kommt? Ja. Aber zum Glück kamen Leute.
Das freut uns total. Zum Schluss haben wir noch eine Frage: Was kannst du jungen Kunstschaffenden mit auf den Weg geben?
Glaubt mehr an euch selbst. Macht Dinge, probiert euch aus, geht damit an die Öffentlichkeit. Und bezeichne dich als das, was du bist. Wenn du Kunst machst, kannst du sagen, dass du Künstlerin bist, dann nehmen dich andere auch so wahr. Ich wäre froh gewesen, wenn man mir das früher gesagt hätte. Das hätte meinen eigenen Prozess, denke ich, verkürzt.
Danke für das angenehme Gespräch Johanna.
Danke euch.
Johannas Ausstellung in der Galerie „Graumalerei“ ist leider schon vorbei. Aber ihr findet sie, ihre Werke und ihren nächsten Projekte auf Instagram oder im Netz auf www.johannastrahl.de.

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Autor:innen
War bis 2022 Redakteur bei DIEVERPEILTE. Hat Brandmanagement im Master
studiert. Seine Themenschwerpunkte sind Gesellschaftpolitik, Kultur- und
Arbeitsthemen.