Es ist ein bewölkter Mittwochvormittag im Juli. Ich schaue aus dem Fenster meiner Berliner Wohnung auf den Parkplatz der Decathlon-Filiale, während ich Larissa und Carla per Videocall dazuschalte. Die beiden begrüßen mich mit einem freundlichen „Hallooo!“. Larissa, die gerade im Tanktop und mit Palmen im Hintergrund auf einem Balkon irgendwo in Albanien sitzt, ist 24 Jahre alt. Sie ist Studentin und arbeitet nebenbei als DJ. Die 23-jährige Carla hingegen lächelt aus ihrem WG-Zimmer in die Kamera und trägt einen fast schon herbstlichen Pullunder. Sie lebt in Köln und macht gerade eine Ausbildung zur Ergotherapeutin.
Der Grund für dieses Treffen sind die toxischen Beziehungen, in denen Larissa und Carla in der Vergangenheit steckten. Nachdem ich auf Instagram nach Personen gesucht hatte, die Erfahrungen mit besitzergreifendem und eifersüchtigem Verhalten innerhalb einer Partnerschaft gemacht haben, meldeten sich die beiden bei mir.
Wenn zwei Menschen eine Beziehung führen und mindestens eine Person davon merkt, dass diese Partnerschaft nicht guttut, sondern sogar einen Leidensdruck verursacht und sowohl seelisch als auch körperlich krank machen kann, handelt es sich um eine toxische Beziehung. Im Interview erzählen die jungen Frauen von ihren Erfahrungen mit ihren Ex-Partner:innen und was ihnen beim Loslassen geholfen hat.
DIEVERPEILTE: Wie habt ihr eure damaligen Partner:innen kennengelernt? Im Rückblick betrachtet: Gab es schon zu Beginn eurer Beziehungen erste Anzeichen für toxisches Verhalten?
Larissa: Wir haben uns über OKcupid kennengelernt und festgestellt, dass wir an derselben Universität studierten. Unsere ersten Dates waren wirklich schön. Ich habe ihn anfangs als sehr sympathisch, aufgeschlossen und kreativ wahrgenommen. Doch in der Retroperspektive wurde mir bewusst, dass sich die Beziehung sehr schnell entwickelte. Normalerweise bin ich nicht der Typ, der sich sofort auf Dinge einlässt oder von Liebe spricht. Aber bei ihm verlief es anders. Innerhalb weniger Wochen ging es von den ersten romantischen Dates zu „Lass uns zusammen sein“.
Carla: Es war meine erste Beziehung mit einer Frau und ich hatte noch kein richtiges Bild davon, wie eine Beziehung verlaufen sollte. Anfangs war ich sehr glücklich. Wir führten eine Fernbeziehung und es hat mir sehr imponiert, dass sie den weiten Weg nach Köln immer wieder auf sich nahm, um mich zu sehen. Ich fand das romantisch, dass jemand so viel Zeit und Mühe in eine Beziehung steckte, bevor es intensiver wurde. Es dauerte dann schon eine Weile, bis ich merkte, dass gewisse Dinge nicht richtig liefen, um es mal so auszudrücken.
Woran habt ihr erkannt, dass die Beziehung toxisch wurde?
Larissa: Das hat schon eine Weile gedauert. Zuerst ging es eher in Richtung Lovebombing. Selbst meine Freundinnen fragten: „Wo ist der Haken? Er ist so süß.“ Zum Beispiel hat er mir Frühstück an die Wohnungstür gebracht, bevor er zur Arbeit ging, selbst wenn ich noch schlief. Er hat es dann einfach vor die Tür gestellt. Das war natürlich irgendwie romantisch, aber es war auch sehr viel für mich. Ich habe oft mit meinen Freundinnen darüber gesprochen und mich gefragt: „Wo ist der Fehler? Warum ist alles so perfekt? Sollte ich darüber glücklich sein oder mir Sorgen machen?“
Carla: Es fielen oft Sätze wie: „Ich will dich für mich alleine haben“. Sie hat das damit begründet, dass sie mich vor anderen Männern „beschützen“ wollte. Das klang auf den ersten Blick nett, aber dahinter steckte schon ein gewisser Kontroll- und Besitzanspruch. Anfangs bemerkte ich das nicht, denn ich war ja auch noch glücklich mit der Beziehung. Aber dann fing sie an, meine persönlichen Grenzen zu überschreiten, indem sie beispielsweise fragte: „Willst du wirklich noch mit deinen Freunden feiern gehen?“ Das waren Momente, in denen ich mich eingeschränkt und eingeengt fühlte.
Wie lange hat es gedauert, von der Phase der Verliebtheit bis zu dem Punkt, an dem ihr plötzlich negative Gefühle in eurer Beziehung verspürt habt?
Carla: Grob geschätzt vielleicht ein Jahr oder auch nur ein halbes – ich kann es nicht genau sagen. Aber ich muss zugeben, dass von Anfang an ein Teil von mir gesagt hat: Hier stimmt etwas nicht. Eine gesunde Partnerschaft sollte nicht so verlaufen. Obwohl ich keine Erfahrung mit romantischen Beziehungen hatte, kannte ich aufgrund meiner Freundschaften andere Formen zwischenmenschlicher Beziehungen.
Larissa: Auch bei mir ging es irgendwann los mit Kommentaren wie: „Du und deine Freunde, ihr geht immer so viel aus“ oder „ihr feiert zu viel.“ Dann fing er an, diese Themen immer wieder anzusprechen und sogar meine Freunde zu verurteilen. Eine meiner engsten Freundinnen hat eine Drogenvergangenheit. Er hat sie immer wieder schlecht gemacht und tat so, als ob er sie gut kennen würde und einschätzen könne, obwohl er sie vielleicht nur ein oder zweimal getroffen hatte. Das war der Zeitpunkt, an dem ich das erste Mal gedacht habe: Warum sprichst du so über meine Friends? Und warum machst du mir gerade ein schlechtes Gewissen?
Wie hat sich das für euch angefühlt?
Larissa: Ja, komisch. Dadurch begann ich auch, mich selbst zu hinterfragen. Ist das wirklich alles so ungesund, was ich mache? Es gab eine Zeit, in der ich weniger Spaß beim Feiern hatte, weil ich mich ständig fühlte, als würde ich etwas Falsches tun. Ich befand mich in einem inneren Konflikt zwischen seiner Meinung und meiner eigenen.
Carla: Bei mir war es ähnlich. Wenn ich feiern ging, musste ich die ganze Zeit am Handy sein, um erreichbar zu sein. Ich fühlte mich kontrolliert und konnte mich auf Partys nicht mehr wirklich entspannen oder mein Ding machen, ohne mich schlecht zu fühlen.

Habt ihr gemerkt, dass diese negativen Gefühle, die durch eure Partner:innen verursacht wurden, sich negativ auf euch selbst und euren Umgang mit euch selbst ausgewirkt haben?
Larissa: Irgendwie schon. Ich habe automatisch versucht, mein schlechtes Gewissen auszugleichen, indem ich mehr Sport getrieben habe, versuchte, gesünder zu leben und öfter selbst zu kochen. Dadurch entwickelte sich bei mir eine Essstörung. Ich wollte meinen Körper in eine „optimale“ Form bringen und aß nur noch einmal am Tag. Das hatte nicht nur etwas mit ihm zu tun, sondern ich denke, seine Aussagen haben etwas in mir getriggert, mit dem ich in der Vergangenheit bereits Probleme hatte, nämlich der Akzeptanz meines eigenen Körpers. Ich versuchte seine Worte wie „Ihr seid alle so ungesund“ durch eine „gesündere“ Lebensweise auszugleichen.

Carla: Ich hatte eher das Gefühl, als würde ich mehr von mir selbst zurückstecken und meine eigenen Bedürfnisse und Leidenschaften hinten anstellen. Und dafür alles in die Beziehung stecken. Da wir eine Fernbeziehung führten und uns nur alle zwei Wochen treffen konnten, fühlte es sich manchmal so an, als würde ich ein Doppelleben führen. Wenn sie da war, war ich voll und ganz in der Beziehung präsent, aber wenn sie nicht da war, konnte ich machen, worauf ich Lust hatte.
Welche Warnsignale gab es noch?
Larissa: Mich haben vor allem die intensiven Streitigkeiten und emotionalen Achterbahnen wachgerüttelt. Zum Beispiel wollte ich mich nach der Arbeit mit einem männlichen Freund von der Uni treffen und plötzlich stand mein Partner vor mir und wollte mitkommen, obwohl die beiden sich überhaupt nicht kannten. Er hat mir oft gesagt, dass er eifersüchtig auf diese Person sei, weshalb ich nicht glaubte, dass eine gute Absicht dahintersteckte – vielmehr fühlte es sich so an, als ob er einfach nur versuchte, Kontrolle auszuüben. Wenn ich Pläne mit meinen Freundinnen machen wollte, lud er sie zu sich nach Hause ein und schlug vor, dass wir gemeinsam etwas unternehmen könnten. Ironischerweise waren das genau die Menschen, über die er mit mir gelästert hatte – er behauptete, sie hätten einen schlechten Einfluss auf mich, was insgesamt sehr widersprüchlich war. Und im Streit nutzte er meine Triggerpunkte gegen mich, da merkte ich: Hier stimmt etwas nicht. Denn jemand, der mich wirklich wertschätzt und mag, würde niemals so verletzende Dinge zu mir sagen.
Carla: Für mich war es vor allem die Art und Weise, wie meine Ex-Freundin über mein Umfeld gesprochen hat. Sie redete ständig schlecht über sie. Egal, ob es darum ging, dass sie angeblich „zu viel“ feierten oder dass sie „zu“ dünn seien, irgendwas war immer. Ein weiteres Problem war ihre Eifersucht, die sie oft damit begründete, dass sie in einer früheren Beziehung betrogen wurde, was sie sehr verletzt hatte. Aber besonders in Momenten, in denen sie davon sprach, dass sie ihr Leben mit mir verbringen und gemeinsame Kinder haben wollte, fühlte ich mich unwohl. Es fielen dann auch Sätze wie: „Wenn du ein Mann wärst, hätte ich dir schon längst ein Kind untergejubelt.“ Da habe ich gemerkt, dass ich diese Beziehung für mich nicht mehr wollte. Aber gleichzeitig wusste ich auch nicht, wie ich da rauskommen sollte.
Ich frage mich, ob solche Aussagen dazu führen können, dass andere Mitleid mit einem selbst oder der eigenen Situation empfinden.
Carla: Ich glaube schon, dass ihre familiären Strukturen für mich in gewisser Weise eine Erklärung für ihr Verhalten waren – und ich hatte Mitleid mit ihr, da sie aufgrund ihrer Sexualität Probleme mit ihrer Familie hatte. Deshalb wollte ich sie umso mehr in mein Leben integrieren, weil bei mir alles in Ordnung war. Allerdings fällt mir im Nachhinein auf, dass ich nie einen richtigen Einblick in ihr Leben bekommen habe.
Larissa, hattest du ähnliche Erfahrungen? Hat dein Ex-Freund emotionalen Druck ausgeübt, um von dir zu bekommen, was er wollte?
Larissa: Bei uns spielte die Mitleidsschiene auch eine große Rolle. Er erzählte oft von seinen Erfahrungen, wie er von seinen früheren Freundinnen betrogen und schlecht behandelt wurde. Er hatte generell eine schwierige Vergangenheit und hat das oft als Begründung herangezogen. Das mag in gewisser Weise legitim sein, aber man kann das nicht immer als Entschuldigung für alles gelten lassen.
Du meintest, dass dein Ex-Freund deine Trigger für sich in passenden Momenten zueigen gemacht hat. Wie meinst du das?
Larissa: Ich habe eine schlechte Beziehung zu meiner Mutter. Einer der Gründe dafür ist ihr kaltes, egoistisches und distanziertes Verhalten, welches sich durch die ganze Erziehung zog. Als einer der wenigen Menschen, denen ich mich anvertraut hatte, gestand ich ihm meine Angst davor, irgendwann so zu werden wie sie. Wenn wir einen Konflikt hatten, benutzte er das gegen mich, indem er sagte: „Guck mal, du bist doch genau wie sie, wenn du das jetzt machst“.
Zusätzlich dazu drängte er mich aus der Sorge heraus, dass meine Reiselust mich von ihm entfremden könnte, dazu, mir ein Haustier anzuschaffen. Er sagte dann: „Du liebst Tiere, wir schaffen das schon. Wenn du dich nicht darum kümmerst, werde ich es tun“. Also entschied ich mich, einen Hund zu holen, obwohl er eigentlich nicht in meinem Lebensstil passte – ich reise viel und stehe noch nicht fest im Leben. Normalerweise bespreche ich wichtige Entscheidungen wie diese mit meinem Vater, aber aus irgendeinem Grund entschied ich mich, ihn nicht einzubeziehen. Auch hier nutzte mein Ex-Freund die nächstbeste Gelegenheit, es gegen mich zu verwenden. Besonders verletzend fand ich, als er sagte: „Sobald du einen Hund hast, kannst du beweisen, dass du nicht immer nur an dich denkst, sondern auch für andere sorgen kannst.“ Jetzt, drei Jahre später, merke ich, dass der Hund einfach nicht mehr in mein Leben passt, obwohl ich ihn über alles liebe. Ich bin gerade dabei, eine neue Familie für ihn zu finden. Obwohl unsere Beziehung bereits lange zurückliegt, höre ich seine Stimme immer noch in meinem Kopf: „Du kümmerst dich ja gar nicht. Du bist so egoistisch. Du gibst jetzt diesen Hund weg.“
Hast du auch Glaubenssätze aus deiner damaligen Beziehung manifestiert, Carla?
Carla: Es fielen ein paar Sätze, die ich bis heute immer wieder reflektieren muss. Zum Beispiel hatte ich schon immer gerne männliche Freunde, aber meine damalige Partnerin sagte zu mir: „Jeder Mann, der versucht, eine Freundschaft mit dir aufzubauen, will eigentlich nur mit dir schlafen.“ Diese Aussage hat mich stark sexualisiert und mich beinahe zum Sexobjekt reduziert, was mir noch sehr lange hinterher hing. Manchmal denke ich immer noch darüber nach. Der Satz hat schon eingeschlagen.
Begleitet dich dieser Satz, wenn du neue Bekanntschaften machst?
Carla: Am Anfang war es schon schwierig, besonders während wir noch zusammen waren. Wenn ich mit Freunden unterwegs war, kamen mir manchmal diese Gedanken, aber inzwischen ist das nicht mehr der Fall. Es gab so viele abwertende Äußerungen, die mich kleingemacht haben, aber ich habe gelernt, mich selbst zu akzeptieren – und dass ich mir selbst vertrauen muss und nicht auf die Meinung anderer Menschen, die möglicherweise versuchen, sich selbst ein bisschen größer zu fühlen.
Eine Freundin von mir hat aufgehört, Freund:innen zu treffen, seitdem sie mit ihrem neuen Partner zusammen ist.
Larissa: Das kann zu sozialer Isolation führen. Erinnert mich an die Zeit, als mein Ex-Freund begann, schlecht über meine oben erwähnte Freundin zu sprechen. Seine Äußerungen führten dazu, dass ich mich immer mehr von ihr distanzierte. Meine langjährigen Freundschaften sind für mich aber das wichtigste. Glücklicherweise erinnerte ich mich daran und fand wieder zu ihr zurück. Dennoch war ich definitiv emotional abhängig von ihm.
Wie meinst du das?
Sobald es Probleme in der Beziehung gab, spiegelte sich das sofort in meinem emotionalen Zustand wider. Mein eigenes Befinden hing stark davon ab, wie die Beziehung lief oder wie es meinem Partner ging.
Carla: Das kommt mir bekannt vor. Meine Ex-Freundin sagte, sie brauche nichts außer mir und wäre bereit, sogar ihre Familie für mich aufzugeben. Sie hat alles auf mich gesetzt. Aber ich war schon immer ein Mensch, der gerne Zeit mit anderen Menschen verbringt, Freundschaften schätzt und den Austausch mit anderen braucht. Ich würde niemals auf den Kontakt zu meinen Freunden verzichten – hatte aber auch schon Zeiten, in denen ich weniger Zeit mit ihnen verbracht habe. Ich finde es sehr gefährlich, sich komplett von seinem sozialen Umfeld abzuschotten und glaube, dass es schwerwiegende Folgen haben kann, wenn man sich ausschließlich auf eine einzige Person verlässt.
Ihr hattet beide mit vielen Einschränkungen innerhalb eurer Partnerschaften zu tun. Wieso habt ihr das so lange mitgemacht?
Larissa: Am Anfang hatte ich den Wunsch, dass es funktioniert. Ich dachte: „Komm, wir arbeiten daran und wir schaffen das gemeinsam!“. Obwohl die Konflikte intensiv waren, gab es danach auch immer wieder sehr schöne Verliebtheitsphasen. Ich erinnere mich, ein Buch über toxische Beziehungen gelesen zu haben, in dem beschrieben wurde, dass solche Partnerschaften oft wie eine Gefühlsachterbahn sind – mit tiefen Tälern, aber auch sehr schönen Höhen. Deshalb war es für mich schwierig, einen Schlussstrich zu ziehen.
Carla: Anfangs dachte ich, dass in einer Beziehung gelegentliche heftige Streitereien normal sind. Doch im Laufe der Zeit wurde mir immer klarer, dass das nicht normal ist. Ich versuchte mich zu trennen, aber irgendwie wurde mir diese Möglichkeit nicht gegeben. Stattdessen wurden mir Aussagen wie „Wenn du dich jetzt trennst, werde ich nie wieder glücklich sein“ oder „Ich kann nur mit dir und du bist der einzige Mensch für mich“ entgegengebracht. Dadurch fühlte mich in die Enge getrieben und wusste nicht mehr weiter. Ich will ja auch niemandem etwas Böses, also meinte ich zur ihr, dass eine Trennung vielleicht das Beste für uns beide wäre. Aber sie wollte das nicht akzeptieren. Sie hat dann angedeutet, dass sie sich selbst etwas antun könnte. Das fühlte sich für mich schon wie Erpressung an.
Wie hat euer Umfeld auf eure Partnerschaften reagiert?
Larissa: Erst mal fanden vor allem meine weiblichen Freundinnen alles total süß, besonders wegen der romantischen Aktionen von ihm. Zu diesem Zeitpunkt habe ich nicht viel über negative Dinge gesprochen, weil ich mich deswegen schlecht gefühlt und vermutlich auch geschämt habe. Irgendwann habe ich mich dann doch mal geöffnet und ihnen von den Streitereien und den Dingen erzählt, die er so gesagt hat. Meine Freundinnen waren dann schon besorgt und meinten, dass seine Aussagen ziemlich krass seien. Sie betonten, dass ich nicht so sei, wie er versuchte, mich darzustellen, zum Beispiel kalt und egoistisch oder als jemanden, der meiner Mutter ähnelt. Dennoch unterstützten sie mich in meinen Entscheidungen, aber ermutigten mich gleichzeitig auch darauf zu achten, dass es mir gut geht.
Wie dachte deine Familie über ihn?
Meine Eltern haben ihn eigentlich nicht wirklich kennengelernt. Als es dann jedoch immer schlimmer wurde und ich begann, an mir zu zweifeln, rief ich meinen Papa weinend an. Da hat auch mein Vater gemerkt, dass die Beziehung nicht gut für mich ist. Er versuchte dann, mich zu bestärken und sagte: „Wenn du dich so fühlst und wenn du dich oft so fühlst, dann ist es besser, wenn du dich davon löst. Denn jemand, der dich so fühlen lässt, ist vielleicht nicht der Richtige für dich.“
Carla: Anfangs waren meine Freund:innen ziemlich happy und sagten so was wie: „Ach, Carla ist jetzt auch mal in einer Beziehung, unsere Feierkanone.“ Ähnlich wie Larissa habe auch ich nicht gleich alles angesprochen, was sich hinter den Kulissen abspielte. Aber diese Dinge zeigten sich mit der Zeit von selbst. Da meine Eltern und viele meiner Freunde in unserer Nähe wohnten, trafen wir uns oft bei mir zuhause, weil es praktischer war. Dadurch bekamen meine Eltern und auch meine Schwester einen Einblick in unsere Beziehung. Meine Eltern äußerten dann irgendwann ihre Bedenken.
Wie habt ihr euch gefühlt, als ihr ablehnende Kommentare von außenstehenden Personen über eure Beziehung gehört habt? Hat es euch belastet, solche Meinungen zu hören?
Larissa: Es war auf jeden Fall nicht angenehm. Es hat mir ein schlechtes Gefühl gegeben und mich gleichzeitig dazu gebracht, darüber nachzudenken. Um das zu vermeiden, habe ich versucht, weniger von Konflikten zu erzählen. Denn Aufgeben wollte ich noch nicht.
Carla: Ging mir ähnlich. Als meine Familie ihre Zweifel äußerte, wurde mir klar, dass das keine Beziehung für die Ewigkeit ist und dass ich mit dieser Person keine Kinder haben wollte. Ich war einfach noch nicht bereit dafür und trotzdem war es ein großes Thema in unserer Beziehung. Auch die Meinungen meiner Freunde haben mich zum Grübeln gebracht und mich nicht gut fühlen lassen. Wenn die Mehrheit schlecht über die eigene Beziehung denkt, fängt man schon an, sich Sorgen zu machen. Irgendwo wusste ich, dass unsere Beziehung toxisch war, aber wie Larissa sagte, haben wir dennoch versucht, daran zu arbeiten. Doch irgendwann platzt der Knoten.

Was kann man als Freund oder Freundin tun, wenn man das Gefühl hat, dass jemand in einer toxischen Partnerschaft steckt?
Larissa: Ich würde schon sagen, dass man das ansprechen sollte. Allerdings sollte man das mit bedachten Worten tun. Direkt zu sagen, dass die Person blöd ist, wird wahrscheinlich nur eine Abwehrreaktion im anderen auslösen. Ich persönlich hätte mir gewünscht, dass ich mich mehr bei meinen Freundinnen geöffnet hätte, denn dann hätten sie mir wahrscheinlich deutlicher gesagt, dass mir diese Beziehung nicht guttut und dass es nicht läuft. Als außenstehende Person ist das jedoch immer schwierig, aus der Ferne zu beurteilen, was in einer Beziehung vor sich geht. Außerdem möchte man seinen Friends ja auch nichts vorschreiben. Dennoch denke ich, dass es eine gute Idee ist, sich hinsetzen, um ein ruhiges und verständnisvolles Gespräch zu führen.
Carla: Da stimme ich Larissa zu. Auf jeden Fall kann man das Thema ansprechen und die Person fragen, wie sie sich wirklich in der Beziehung fühlt. Wenn man die Person gut kennt und weiß, wie sie normalerweise ist, zum Beispiel offen und gerne mit Freunden unterwegs, kann man nachfragen, was passiert ist, dass sie nun nicht mehr daran interessiert ist. Ist das der Weg, den du wirklich für dich gehen möchtest? Ich glaube nicht, dass man den Partner oder die Partnerin verteufeln sollte, sondern viel eher die Person danach fragen, ob alles in Ordnung ist und versuchen, sie wachzurütteln. Wichtig ist dabei, nicht impulsiv vorzugehen. Und ganz wichtig finde ich, dass man dem Freund oder der Freundin vermittelt: Hey, ich bin da!
Welche Schlüsse habt ihr für euch selbst aus euren Beziehungen gezogen?
Larissa: Meine Beziehung dauerte etwas mehr als ein Jahr und die wichtigste Lehre, die ich daraus gezogen habe, ist auf mein Bauchgefühl zu hören. Man merkt oft selbst, wenn man sich in Situationen befindet, die einem nicht guttun. Es ist besser, ehrlich darüber zu sprechen, anstatt sich etwas schönzureden. Denn eigentlich liegt es auf der Hand, dass sich eine toxische Beziehung wahrscheinlich nie bessern wird. Ein Gedanke, den vermutlich viele Menschen in solchen Momenten haben, ist: „Boa, aber wir passen so gut zusammen!“ Ich dachte, dass ich niemals wieder jemanden finden würde, der so gut zu mir passt, vor allem, weil er auch aus der Kreativbranche kommt. Aber das ist ein Denkfehler, denn man findet definitiv wieder jemanden, unabhängig davon, wie lange es dauert. Das Wichtigste ist, glücklich zu sein und mit sich selbst im Reinen zu sein.
Carla: Nach meiner Beziehung habe ich festgestellt, dass, sobald eine gewisse Grenze überschritten ist, sie oft erneut überschritten wird. Wenn Beleidigungen einmal fallen, kann es wieder passieren. Deshalb ist es wichtig, immer respektvoll miteinander umzugehen, auf sein Bauchgefühl zu hören und auf sich selbst zu achten: Wie geht’s mir mit der Beziehung? Wo will ich eigentlich hin?
Wie geht ihr heute mit Dating und Partnerschaften um? Und wie besprecht ihr eure eigenen Grenzen innerhalb romantischer Beziehungen?
Larissa: Durch diese Erfahrung habe ich gelernt, achtsamer gegenüber meinen eigenen Grenzen zu sein und darauf zu achten, wann Menschen diese überschreiten und wann nicht. Ich habe auch gelernt, daraus Konsequenzen zu ziehen. Eine gesunde Streitkultur ist heute beispielsweise sehr wichtig für mich. Konflikte sind normal und gehören zu jeder Beziehung, unabhängig von der Art der Beziehung. Aber was meiner Meinung nach wirklich zählt, ist, wie man mit Konflikten umgeht. Das ist glaube ich die größte Erkenntnis, die ich aus dieser Erfahrung mitgenommen habe: Wenn ich merke, dass ich nicht gut mit einer Person streiten kann, dann ist das ein Warnsignal für mich.
Hast du ein Beispiel dafür?
Larissa: Eine ungesunde Streitkultur in einer Beziehung zeigt sich für mich darin, wenn die Auseinandersetzungen sehr hitzig und beleidigend werden, wenn bestimmte Trigger gezielt attackiert werden, wenn keine Entschuldigungen ausgesprochen werden können oder wenn versucht wird, die Schuld für den Streit auf eine einzelne Person abzuladen. In meiner aktuellen Beziehung habe ich gelernt, wie wichtig es ist, meine persönlichen emotionalen Trigger zu kommunizieren. Wenn ich mich in Streitsituationen unwohl fühle, bitte ich meinen Freund höflich um eine kurze Auszeit, indem ich sage: „Entschuldigung, ich muss den Raum kurz verlassen und 2 Minuten durchatmen, bevor wir weiterreden.“ Das hilft ihm wiederum dabei, mein Verhalten besser nachvollziehen zu können.
Carla: Ich denke, Communication ist Key! Nach meiner vorherigen Beziehung war ich negativ beeinflusst und wollte erst mal keine neue Bindung eingehen. Stattdessen habe ich mich aufs Dating konzentriert und mir Zeit genommen, um alles zu reflektieren und herauszufinden, wie eine gesunde Beziehung funktioniert. Wenn man von Anfang an offen und auf Augenhöhe kommuniziert und jemanden findet, der verständnisvoll ist, kann es klappen. Nur, weil man eine negative Erfahrung gemacht hat, bedeutet das nicht, dass man feste Beziehungen meiden muss. Im Gegenteil, man kann viel daraus lernen.
Wie wichtig ist es, eine toxische Beziehung aufzuarbeiten?
Larissa: Sehr wichtig! Ich finde, man sollte sich damit auseinandersetzen, da man sonst ungelöste Themen dauerhaft mit sich trägt. Bei mir war das erste, was ich getan habe, mir ein gutes Buch über das Thema zu besorgen und es durchzulesen. Tatsächlich gibt es in meinem Umfeld auch mehrere Personen, die sich gerade in toxischen Beziehungen befinden und nicht wissen, wie sie damit umgehen sollen. Die Auseinandersetzung damit kann auch eine Form der Heilung sein, durch die man sich weiterentwickeln kann.
Carla: Ich denke auch, dass es das A und O ist, sich damit zu beschäftigen. Ich halte es nicht für sinnvoll, sich sofort in eine neue Beziehung stürzen. Stattdessen kann es helfen, sich Zeit zu nehmen, um zu reflektieren, zu analysieren, was schiefgelaufen ist und darüber zu sprechen. Ich selbst bin nicht so die Leserin, aber ich habe viel mit meiner Familie und meinen Freunden darüber gesprochen.
Wenn du das Gefühl hast, übergriffig zu sein oder gewesen zu sein und Hilfe brauchst, um dein Verhalten zu reflektieren und zu verarbeiten, kannst du dich an Straffälligen und Opferhilfe e.V. oder Gewalt überwinden e.V. wenden. Über Männerberatungsnetz.de finden Männer in Deutschland, Österreich und der Schweiz verschiedenen Beratungsstellen, an die sie sich mit verschiedenen Problemen wenden können. Für Betroffene bieten die Beratungsstellen von ProFamilia Hilfe bei Partnerschaftsproblemen an. Eine Alternative ist das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ des Bundesamts für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben, das du ebenfalls kostenlos unter 08000 116 016 erreichen kannst. Außerdem kannst du dich immer an die 0800-111 011 1 wenden, um direkt telefonische Hilfe zu bekommen.

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Autor:innen
Ist in Nürnberg aufgewachsen, brach erfolgreich drei Studiengänge ab und entdeckte ihre Leidenschaft für den Journalismus durch ein Praktikum in einer Musikredaktion. 2019 gründete sie das DIEVERPEILTE-Magazin. Themenschwerpunkte sind Mental Health, Krankheiten, soziale Ungerechtigkeit, Sexualität und Drogen.