Im Moment geht es mir manchmal echt scheiße. Ich habe die Uni seit Monaten nicht von innen gesehen, die meisten meiner Freund:innen wollen sich nur auf einen frostigen Spaziergang treffen, aus meiner letzten Beziehung ist auch nichts geworden, und anstatt dass ich diese schlechte Energie beim Tanzen in einem Club von mir schütteln kann, sitze ich Samstag Nachmittag in meinem Zimmer und schreibe diesen Text.

Gelegentlich überfordern mich all diese Dinge. Wie erblindet taste ich nach dem Seil, das mich durch den Nebel vorwärts leiten soll, aber schwebe haltlos durch das graue All. Wenn mich dann jemand fragt, wie es mir geht, fällt mir die Antwort schwer. Ich möchte aber auch niemandem etwas vormachen. Die Reaktion auf mein ehrliches „Nicht gut gerade“ ist meistens hilflos. Als ich letztens diese Gefühle meinem Vater schilderte, hatte ich das Gefühl, ihn damit traurig gemacht zu haben. Ihm das Gefühl zu geben, dass er nicht genug für mich da wäre.

Ich könnte natürlich auch einfach lügen. Mir ein Lächeln ins Gesicht schminken und mit den Wimpern klimpern. Mich so perfekt darstellen wie auf Instagram. Aber das möchte ich nicht. Ehrlichkeit ist für mich das Fundament, auf dem ich alle meine zwischenmenschlichen Beziehungen aufbaue. Auch wenn ich mein Gegenüber mit einer unangenehmen Tatsache konfrontiere.

Die richtigen Worte auf meine Traurigkeit zu finden, ist natürlich nicht einfach. Wird es zu persönlich, wenn ich genauer nachfrage? Bin ich unsensibel, wenn ich es nicht tue? Muss ich jetzt einen Ratschlag aus der Luft greifen? Soll ich deine Handlinien lesen?

Die Großmutter einer Freundin sagte ihr nach einem Gespräch mit bedrückter Stimme: „Ich wünschte, du wärst glücklicher“ Aber es ist ja gar nicht so, dass wir alle immer glücklich sein müssen. Im Leben geht es bergauf und bergab, da ist es auch okay, wenn ich mal auf Talfahrt bin. Wichtig ist, dass man es auch als das hinnehmen kann — eine Schlechtwetterphase, nach der auch wieder die Sonne kommt. Und aus der man auch wachsen kann. Ich habe oft mehr aus Zeiten gelernt, wo es mir schlecht ging. Diese Gedanken sind es, die mir helfen, weiterzufahren.

So ein gut gemeinter Wunsch leider nicht. Nicht nur bekomme ich das miese Gefühl, mit meiner Unglücklichkeit noch jemand anderen traurig zu machen, sondern auch, dass mein momentaner Zustand schlecht ist, dass ich anders sein sollte. Wo ich es vorhin als normal empfunden habe, eine schlechte Zeit zu haben, zweifle ich jetzt vielleicht daran. Natürlich genieße ich es nicht. Aber es ist nun mal so und das möchte ich auch mit Würde hinnehmen können. Dein Mitleid macht mir das aber schwer. Es macht mich eher zu einem begossenen Pudel mit traurigen Kulleraugen als zu einer starken Frau, die auch einen Marathon durchhält.

Ich schäme mich nicht dafür, dass mein Leben nicht perfekt ist. Manchmal eben mehr Rodeo als Ponyhof. Dabei falle ich öfter auf die Nase, es macht aber auch mehr Spaß. Und wenn alles an mir nagt, beiße ich zurück. Wir können gerne über meine Gefühle reden, über meine Schwierigkeiten und Probleme. Ich freue mich, wenn du ein gutes Wort für mich hast und mir zuhörst. Aber bitte bemitleide mich nicht.

Dieser Text erschien zuerst auf DIEVERPEILTE.

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War bis November 2022 Redakteurin bei DIEVERPEILTE. Hat Wirtschafts- und
Sozialwissenschaften in Wien studiert und befindet sich aktuell im
Philosophiestudium. Themenschwerpunkte sind Gesellschaft, Wirtschaft und
Poltik.   

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