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Es ist der 30. April, Anfang der 2000er. Der darauffolgende Tag ist der erste Mai – ein Feiertag. Wieso genau wir dort frei haben, weiß ich nicht. Was ich aber weiß, ist, dass heute Walpurgisnacht ist. Ich ziehe mir mein Hexenkostüm an, bekomme von meiner Mutter ein gruseliges Make-up verpasst und mache mich mit ihr auf den Weg zum großen Hexenfeuer auf dem Domplatz. Mit dabei mein Hexenhut und Besen. Der eigentliche Gedanke hinter dem Feuer ist die Vertreibung von bösen Geistern – oder früher auch Hexen. Wir gehen allerdings nicht zum Feuer, um „Hexen“ zu verjagen, sondern weil wir an diesem Abend welche sind.

Ein paar hundert Kilometer weiter sitze ich mit vier Jungs im Auto. Bewaffnet mit Eiern, Mehl und einem Maibaum auf dem Dach ballern wir die Straßen der Eifel hinunter. Alle rauchen und grinsen, denn die Mainacht ist immer was Besonderes. Ab und zu fliegt ein Ei aus dem Auto auf irgendeinen armen Willi am Wegesrand. Wir wollen der Freundin des Fahrers den Baum stellen und ihn danach bis zum nächsten Morgen bewachen. Wir erreichen das Dorf, in dem sie lebt. Auf der Straße zum Dorfeingang stehen Feuerkörbe und Blumenkübel, Einkaufswagen und ein Dutzend Männer der Dorfwache. Wir geben ihnen einen unserer Bierkästen als Zoll. Sie wollen aber anderes Bier, werfen den Kasten gegen die Tür des Autos und dann müssen sich alle prügeln.

Der 1. Mai ist der erste Tag der wiedererlangten Freiheit. Die Sonne beglückwünscht uns und wir prosten ihr zu. Zum ersten Mal wieder die bekannten Gesichter sehen, zum ersten Mal wieder neue Gesichter kennenlernen. Nur das kalte Bier schmeckt wie immer, alles andere fühlt sich ungewohnt abenteuerlich an. Endlich wieder laute Musik hören, als hätte ich sie noch nie so laut gehört. Der Kanal fließt der untergehenden Sonne entgegen. In ein paar Stunden, wenn sie untergegangen ist, wird ein unbekannter Freund meiner Mutter am Telefon zum Geburtstag gratulieren. Dann fahren wir weiter und ich werde endlich wieder tanzen, als hätte ich noch nie so getanzt.

Und so tanzen auch die Gäste der Frühschoppen-Party der FPÖ auf den Bierbänken, Arm in Arm und dicht gedrängt, ganz nach dem Motto „Immer wieder Österreich“. Tag der Arbeit für den Staat und Tag des Freibiers für die FPÖ-Wähler:innen. Ist doch fast dasselbe. Hauptsache der HC steht unter ihnen, schwenkt seine rot-weiße Fahne im Takt der Volksmusik und sorgt für Stimmung in dem aufgeladenen Bierzelt mitten in Linz. Der einzige Mann, der für Tumult sorgt, ist Peter Klien, der die ganze Meute damit auf den Arm nimmt. Irgendwie ganz lustig und irgendwie auch paradox. Wenn man bedenkt, für was der Feiertag steht und wer ihn sich wieder zu eigen macht. Naja, ich nehm’s mal mit Humor. 

Während ich stirnrunzelnd über dem Bildschirm hänge, verwundert darüber, wie einprägsam die Walpurgisnächte meiner Kolleg:innen gewesen sein müssen, frage ich mich, wo meine Erinnerungen geblieben sind. Ein Blick in meine Vergangenheit hilft nicht. Das Einzige, was ich mit diesem Tag verbinde, sind die besonders langen Partynächte und der Missmut darüber, nie am Myfest in Berlin teilgenommen zu haben.

Dieser Text erschien zuerst auf DIEVERPEILTE.

Autor:innen: Anne Lange, Jens Peters, Charlotte Koi, Sophie Unterbuchberger und Sofia.
Illustration: Pia Rehwald

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