Mit großen Augen und noch größerer Neugier lauschte ich meiner Oma, als sie mir vor vielen Jahren das erste Mal die Geschichte von ihrer ersten großen Liebe erzählte, meinem Opa. Sie war 16 und jeden Morgen vor der Schule sah sie einen Typen, der ihrer Schulfreundin die Tasche zur Schule trug. „Was für ein Trottel“, dachte sie sich da noch kopfschüttelnd. Doch nur kurze Zeit später, die erste Beziehung von meinem Opa war zu diesem Zeitpunkt bereits beendet, erspähte sie ihn wieder in dem Bus, den sie jeden Morgen zur Schule nahm. Auf Instagram adden oder auf Tinder suchen? Fehlanzeige. Die zwei begonnen sich ganz unschuldig Zettelchen zu schreiben und heimlich zuzustecken. Irgendwann fing mein Opa dann an, Rosen aus dem Garten meiner Urgroßmutter zu stehlen, um sie meiner Oma zu schenken. Und dann wurde aus dem Trottel ihr Hansi. Das war vor über 55 Jahren. Auch heute noch schaue ich mit großen Augen, wenn ich die beiden beobachte, wie sie liebevoll, zärtlich und gleichzeitig mit so viel Humor miteinander umgehen … Ihr Geheimnis? Das könnt ihr hier lesen! 🙂

DIEVERPEILTE: Oft habe ich Angst davor, jemandem meine Gefühle zu gestehen, weil ich mir den Glaubenssatz eingeprägt habe, dass ich dann verletzt werde. Davon wegzulaufen und nichts zu sagen lähmt mich jedoch auch. Wie soll ich damit umgehen?
Viktorias Opa: Wenn die Gefühle echt sind, braucht man keine Angst zu haben, diese auch zu gestehen. Auch wenn sie nicht erwidert werden, zumindest weiß man dann, woran man ist und kann wieder Platz für neue Gefühle und Menschen schaffen.

Das erste und wichtigste Vorbild für Kinder und ihre späteren Beziehungen sind ihre Eltern. Meine haben sich jedoch relativ früh dazu entschieden, sich zu trennen und gingen nie sehr liebevoll miteinander um. Welche Aufmerksamkeiten zählen wirklich in einer Beziehung?
Zuhören, um zu erfahren, was dem Partner Freude bereiten könnte. Bei uns war es einfach, da unsere Eltern relativ arm waren und wir beide einen ähnlichen Lebensstil gewohnt waren. Ich habe Oma z. B. fast jeden Tag einen Brief geschrieben und später habe ich ihr täglich eine Rose gebracht. Auto hatten wir damals keines. Wenn wir wohin fahren wollten, musste ich zuerst sparen, um ein Auto bei einem Vermieter zu mieten. Es war nicht leicht und keine Selbstverständlichkeit, doch darum war es umso wertvoller. Die Freude von Christine über die kleinen Aufmerksamkeiten waren ihre Geschenke für mich. Beide waren wir außerdem sportlich interessiert, konnten uns aber fast nichts leisten. Dadurch, dass unsere Interessen sehr ähnlich waren, konnte ich deiner Oma das Skifahren beibringen. Wir waren überglücklich, wenn wir eine Abfahrt in zwei Stunden schafften, für die wir heute nur ein paar Minuten brauchen. Die kleinen Dinge sind entscheidend.

Ich bin sehr ambitioniert und habe viele Pläne für mein Leben. Oft denke ich, dass ich mich niemandem öffnen will, weil ich dann anfangen würde, mich selbst zu komprimieren. Wie schafft man es auch in einer Beziehung seine eigene Person zu bleiben?
Eine Beziehung ist keine Einbahnstraße. Das „ICH“ ist nicht entscheidend, sondern das „WIR“. Darum ist es wichtig, speziell in der Freizeit gemeinsame Interessen zu haben. Wenn dies von vornherein nicht gegeben ist, sollte man versuchen, sich an den Partner anzupassen und eigene Vorlieben etwas zurückzunehmen. Was natürlich für beide Seiten gilt. Gemeinsam macht doch alles viel mehr Spaß. Ich ging vor unserer Beziehung zum Beispiel viel auf den Fußballplatz – Christine interessierte das wenig, dafür war Schwimmen für sie wichtig. Ich war praktisch Nichtschwimmer, aber wir begannen gemeinsam ins Bad zu gehen, somit hatte ich für den Fußball fast keine Zeit mehr. Christine hatte vor unsere Beziehung noch nie einen Tennisschläger in der Hand, aber weil ich gerne Tennis spielte, begannen wir gemeinsam intensiv am Tennisplatz zu sein. Ein paar Jahre später war Christine fast jedes Jahr Vereinsmeisterin und irgendwann sogar 3. in ganz Vorarlberg. Das machte ihr natürlich viel Spaß. Und mir auch, da wir auf dem gleichen Niveau miteinander spielen konnten. Unsere Neigungen im Urlaub waren ebenfalls fast identisch, beide lieben wir das Meer und die Berge.

Eifersucht ist wichtig, zu viel ist nicht gut, denn: Eifersucht ist eine Leidenschaft, die mit Eifer sucht, was Leiden schafft!

Für mich geht es in einer Beziehung in erster Linie darum, was ich geben kann, damit die Person, die ich gern habe, die beste Version von sich selbst sein kann. Wenn der Partner jedoch gerade Schmerzen hat oder leidet, wie geht man damit am besten um?
Schmerzen gibt es viele – seelisch oder körperlich. Was oder wer ist der Auslöser dafür? Ich glaube sagen zu können, dass wir kaum gelitten haben, meistens waren es Verletzungen durch Arbeit, Unfall oder Sport, die bedrückten. Das Ende war aber immer abzusehen. Bei der seelischen Belastung ist die unbewusste Ablenkung in Form von Arbeit und Freizeitgestaltung wichtig. Nachdem unsere Eltern nicht zu den Wohlhabenden zählten, mussten wir uns alles selbst erarbeiten – und das war ein wichtiger Bestandteil unserer Beziehung. Wir haben unser Haus in Dafins mit sehr viel Eigenleistung gebaut, und die Freude war groß, wenn wir Material kaufen konnten, um weiter zu bauen. Das Hausbauen ist ein gemeinsamer Sport geworden und hat unsere Freizeit sinnvoll gestaltet. Gerade am Anfang eines Bauprojektes macht der Fortschritt viel Freude, weil man sieht, wie gut alles vorwärtsgeht und man freut sich auf die nächste Etappe. In dieser Zeit war es sehr wichtig, dass wir viele Freunde hatten, die uns geholfen haben. Nicht mit manueller Arbeit, sondern mit Beziehungen, dass wir zum Beispiel Material günstiger bekamen. Einmal hatte deine Oma den Kontakt, dann ich – und das schweißt zusammen. Wir mussten in dieser Zeit auf vieles verzichten, aber auch das verbindet.

Ich habe mal in einem Podcast gehört, dass die Dinge, welche man in einer Beziehung totschweigt oder nicht kommuniziert, der Teil in einer Beziehung ist, der diese unbewusst leitet. Wie kommuniziert man seine Bedürfnisse richtig?
Am besten mit einfachen Worten, damit der Partner es versteht. Wenn man sich liebt, macht man in der Regel ja nur Dinge, wo man glaubt, der Partner hat daran eine Freude. Christine hat bei größeren Entscheidungen oft eine längere Überlegungsphase, da habe ich mir eine Taktik ausgedacht, wie wir zum gemeinsamen Ziel kommen und für deine Oma die Entscheidungsfindung erleichtert wird. Zum Beispiel der Bau der Wintergärten. Christine ist mit ihren Vorarlberger Freundinnen seit Jahren eine Woche im Winter Skifahren und im Sommer zwei Wochen ans Meer gefahren. Wir haben vorher über die Wintergärten diskutiert, aber nichts entschieden. Als Überraschung organisierte ich den Bau der Wintergärten in der Zeit, wo deine Oma im Urlaub war. Als sie zurückkam, war alles fertig und ich konnte sie überraschen. Natürlich hat das nur einen Sinn, wenn es eine Aktion ist, die für beide von Interesse ist.

Wie geht man mit dem gegenseitigen Altern um?
Das ist ein Prozess, der ganz wichtig ist. In Vorarlberg würde man sagen: „ma hilft anand“. Die Hilfe des Partners ist jetzt wichtiger als in der Jugendzeit. Es macht glücklich, wenn man weiß, da gibt es jemanden, der alles für einen machen würde. Wenn alles mit Freude passiert, dann ist es echt und verbindet immer mehr. Die Zufriedenheit und das Vertrauen ist ein sehr wichtiger Faktor, um glücklich zu sein.

Was kann man machen, um das Feuer in der Beziehung aufrecht zu halten?
Das bleibt durch die unendlich vielen kleinen Dinge im Leben aufrecht. Für den Partner immer da sein, seine Wünsche erahnen und sie dann erfüllen. Nicht vergessen: ICH LIEBE DICH!!! Und viele andere schöne kleine Bemerkungen im Alltag machen jedem Menschen Freude. Wenn am Horizont sich Schlechtwetter bildete, denken wir schnell an die wunderbare Zeit des Beginns unserer Beziehung. Und schon strahlt die Sonne am tiefblauen Himmel und die Schmetterlinge können wieder fliegen. Gewitter haben in unserer Meteorologie keine Chance.

Beziehungstipps Oma und Opa
FOTO: AUS DEM URLAUBSFOTOBUCH  (v.l. Hansi und Christine)

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War bis April 2022 Redakteurin bei DIEVERPEILTE. Hat Information, Medien und Kommunikation mit der Vertiefung Journalistik in Österreich studiert. Ihre Themenschwerpunkte sind Gesellschaftpolitik und feministische Themen.

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