Vor ungefähr einem Jahr bekam ich die Frage „Wer ist dein literarisches Vorbild?“ zu hören. Darauf wusste ich erst mal keine Antwort. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich auch keines, da ich den Stil eines anderen Autors nicht kopieren wollte. Mir wurde dann ans Herz gelegt, dass ich mir jemanden suchen sollte, zu dem ich aufschaue. Das sei wichtig, um meinen Horizont zu erweitern, und meine persönliche Entwicklung als Autorin voranzubringen. Ein paar Wochen später verliebte ich mich in das Cover von Charles Bukowskis „Schlechte Verlierer“ und so wurde er vorerst zu meinem Vorbild.

Danach machte ich mir fürs Erste keine Gedanken mehr zu diesem Thema. Bis ich vor Kurzem eine Unterhaltung mit meinem Mitbewohner über seinen neuen Job führte. Er war felsenfest davon überzeugt, dass er schon bald seine beruflichen Ziele erreichen wird. Als ich fragte, wie er das denn schaffen will, meinte er nur, dass er wie eine Schnecke an seinem Chef kleben wird. Nicht um sich einzuschleimen, sondern um zu lernen. Um in einem bestimmten Bereich wirklich gut zu werden, braucht man andere Menschen, zu denen man aufschaut und von denen man abschaut. Mein Schattenkind in mir, also der Teil meiner Persönlichkeit, der von Misstrauen in andere Menschen geplagt ist, redete mir immer ein, dass ich alles alleine schaffe. Ein Glaubenssatz, der mich mein Leben lang begleitete und mich überzeugte, dass ich keine Vorbilder brauche. Für mich waren Menschen, die sich an anderen orientieren und keine „eigene Meinung“ besitzen einfach nur einfallslos. Demnach wollte ich nicht mitziehen und mein eigenes Ding machen. In gewisser Weise klappte ich das auch, doch wirklich vorankam ich so nicht.

Vorbilder haben eigentlich eine so wichtige Aufgabe in unserem menschlichen Leben und Handeln, inspirieren und motivieren uns im besten Fall. Sie stehen für Werte wie Mut, Gerechtigkeit, Erfolg und Freiheit. Fähigkeiten, die wir erlernen können. Idole zeigen uns einen Weg und geben uns damit Halt. Wir gewinnen Mut und Hoffnung dadurch. Durch sie lernen wir fürs Leben und manchmal auch zu leben. Damit eine Vorbildfigur ihre Aufgabe auch wirklich erfüllt, sollte sie uns aufzeigen, was in Zukunft aus uns werden könnte. Damit ich zu einer Person aufschauen kann und diese als Identifikationsfigur für mich in Betracht kommt, ist es wichtig, dass ich eine gewisse Ähnlichkeit in ihr erkenne. In Bukowskis Fall könnte das eine Karriere als großartige Schriftstellerin sein. Sein Schreibstil, die Art, wie er sein Leben führte, oder sein Blick auf die Gesellschaft – ich konnte mich in allem davon wieder erkennen und so fiel es nicht schwer, seine Bücher zu verschlingen und etwas von seinen Weisheiten mitzunehmen. Wie angesehen diese Taktik in unserer Kultur ist, entdeckte ich nun mit 27 Jahren für mich.

Wir alle wollen bewundert werden, für das, was wir tun. Dabei haben die Menschen, die uns täglich umgeben, einen so starken Einfluss auf unser Verhalten, dass wir dieses oft scheinbar blind übernehmen. Das fängt schon bei so banalen Dingen wie der Sprache an. Ich kam als Fränkin nach Nordrhein-Westfalen. Dadurch, dass ich den Akzent meiner Freunde bereits kurze Zeit später übernahm, konnte ich mich in NRW schnell integrieren. Niemandem hier fällt auf, dass ich ursprünglich aus Bayern komme. Im Gegenteil, die Leute hier orientieren sich an meiner Mentalität, die eher der einer Kölnerin gleicht. Das alleine zeigt schon, dass wir mehr mitnehmen, als uns bewusst ist. Durch Imitation lernen wir besser als irgendwo sonst.

Das Bewusstsein über diese neue Erkenntnis in meinem Leben, gibt mir das Gefühl, dass nichts unmöglich ist. Wie oft nur habe ich die Hände über den Kopf geschlagen, als ich mal wieder den Job verlor. Als der Kontakt zu jemanden abbrach, oder mein Leben aus dem Ruder lief. Mein alltägliches Chaos, das kein Ende zu nehmen schien. Doch der Weg zu mehr Freude ist greifbarer denn je. Auch bezogen auch meine Persönlichkeit und das fehlende Empathievermögen, habe ich mithilfe von meinen sogenannten „Empathienährern“, also Personen, die meiner Meinung nach eine natürliche und glückliche Ausstrahlung haben, ein wenig abschauen können. Angewendet auf den Umgang mit meinen Mitmenschen, in meinem Job und vor allem im Leben, verankern sich die kleinen, positiveren Herangehensweisen in mein Unterbewusstsein. Kontinuierliche Wiederholungen sorgen dafür, dass diese auch dauerhaft bleiben.

 

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Ist in Nürnberg aufgewachsen, brach erfolgreich drei Studiengänge ab und entdeckte ihre Leidenschaft für den Journalismus durch ein Praktikum in einer Musikredaktion. 2019 gründete sie das DIEVERPEILTE-Magazin. Themenschwerpunkte sind Mental Health, Krankheiten, soziale Ungerechtigkeit, Sexualität und Drogen.

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