Eigentlich wollte ich letzten Montag nach Bayern zu meiner Familie fahren. Der Zug war gebucht, ich war bereit. Doch dann kam mir der Virus in den Weg. Da sich die Situation stetig verschlechtert, beschlossen wir, dass es das Beste ist, den Besuch auf unbestimmte Zeit zu verschieben. Das letzte Mal hatte ich meine Familie und Freunde zu Weihnachten gesehen, nun wäre es mal wieder an der Zeit gewesen, alle in den Arm zu nehmen. Reisen zu verschieben, das kennt man ja. Aus zeitlichen Gründen schafft man es einfach nicht, oder irgendwas kommt einem dazwischen. Doch aufgrund der aktuellen Umstände nicht fahren zu können, ist ein komisches Gefühl. Vor allem in dem Bewusstsein, nicht zu wissen, wann sich die Situation bessern wird. So habe ich nun auch ein mulmiges Gefühl, was meine Pressereisen dieses Jahr angeht. Nächsten Monat wäre ich nach Schottland geflogen, mittlerweile wurde die Veranstaltung verschoben. Sowie etliche weitere Aufträge, auf die ich den ganzen Winter hinfieberte.
Doch nicht nur auf das Reisen wirkt sich der COVID-19 negativ auf mein Leben aus. Meinen sportlichen Aktivitäten kann ich vorerst nicht nachgehen. Sowohl Fitnessstudios, als auch Kletterhallen sind fürs Erste zu. Der Laden, in dem ich gelegentlich aushelfe, ebenfalls geschlossen. Cafés und meine sonstigen Schreibplätze sind zwar noch offen, doch der Allgemeinheit zu liebe, arbeite ich nun von zuhause aus. Das kann ja mal ganz cool sein, den ganzen Tag im Schlafanzug abzuhängen, doch spätestens ab Tag drei fehlt mir der zwischenmenschliche Kontakt. Mit Spaziergängen im Park, versuche ich dem entgegenzuwirken.
Ansonsten bin ich recht gechillt, was die Lage angeht. In meiner WG haben wir genug Zeug rumliegen, das uns bei Laune hält. Wichtig ist für mich, sich an die Regeln zu halten und für die nächste Zeit erst mal auf sozialen Spaß zu verzichten. So hart es auch für manche sein mag, es ist die beste Lösung für alle. Und nicht nur für das Allgemeinwohl unserer Gesellschaft, auch unserer geliebte Mutter Erde genießt die Pause, die sie gerade hat und stellt ihr natürliches Gleichgewicht wieder her. Mit dem Wissen, dass der Himmel Tag für Tag blauer wird, die Luft immer besser riechen wird und die Tiere ihre natürlichen Freiräume für sich zurückgewinnen, ist die Isolation um einiges erträglicher. Nun kommt es auf jeden Einzelnen von uns darauf an, wie man damit umgeht und was man aus dieser Krise lernt.
Doch was geht eigentlich so bei anderen Menschen ab? Und vor allem, was hat der Virus bisher verändert? Um mehr darüber zu erfahren, habe ich mir mal die Meinungen meiner Leser hinzu geholt und für euch zusammengefasst.
Karolina (25), Köln
„Ich sitze im Home-Office und befinde mich im Zwiespalt zwischen dem Drang, raus unter Menschen zu gehen, weil die Möglichkeit besteht, es bald für längere Zeit nicht mehr zu dürfen und dem klaren Verstand, einfach mal eine Pause einzulegen. Mich mit mir selber auseinanderzusetzen und meinen bisherigen Lebensstil zu hinterfragen. Alte Leidenschaften, wie das Schreiben, Zeichnen, oder Tanzen auferwecken zu lassen. Sich der großen Langeweile stellen, oder der, im digitalen Zeitalter vor ihr zu flüchten. Ansonsten steht natürlich noch Putzen, Ausmisten und vor allem keine Panik bekommen auf dem Plan!“
Philipp (25), Wiesbaden
„Ich bin Student und arbeite nebenbei in einem Casino als Dealer. Zur Zeit bin ich am Überlegen, wie ich meine Miete bezahlen soll. Wenn das Casino länger als zwei Wochen zu bleibt, könnte es knapp werden. Ansonsten bleiben wir zuhause und vertreiben uns die Zeit mit Karten spielen, Büchern und Netflix.“
Leonie (23), Köln
„Diese Woche bekam ich das positive Testergebnis für Corona mitgeteilt. Bis vor Kurzem war ich noch im Skiurlaub in Österreich. Ich war kaum einen Tag zuhause, da fing das Spektakel um das Risikogebiet im Zillertal, in dem wir waren an. Und da zeigten sich auch schon die ersten Symptome, wie Husten, Halsschmerzen und Fieber bei mir und meinen Freunden. Daraufhin meldeten wir uns beim Gesundheitsamt und einige von uns mussten einen Test machen. Das war schon eine ziemlich verrückte Situation, als wir mit Schutzmaske einzeln in unseren Autos warten mussten. Zu dem Zeitpunkt hatten wir das auch noch nicht so ernst genommen. Hätte ja keiner ahnen können, dass wir wirklich infiziert sind. Seitdem sitze ich mit angeordneter, häuslicher Quarantäne zuhause. Zudem müssen wir ein Gesundheitstagebuch führen, in das wir unsere Beschwerden eintragen. Ich bin jetzt seit einigen Tagen zuhause und langweile mich hauptsächlich.“
Isabelle (25), Köln
„Der Virus bringt einige schlechte Dinge mit sich, aber auch ein paar gute. Ich arbeite größtenteils in der Gastronomie, die jetzt erst einmal geschlossen ist. Ich finde es gut, dass gehandelt wird, aber natürlich ist es für einen selber immer blöd, wenn es um die eigene Existenz geht. Auf der anderen Seite stärkt sich der Zusammenhalt unter all denen, die vor dem gleichen Problem stehen. Man geht es gemeinsam an, und versucht sich untereinander zu helfen. Die meisten, die ich kenne, nutzen die Zeit für sich. Gehen spazieren, nehmen endlich mal wieder ihre Umwelt wahr und genießen die Auszeit. Als ich vergangenen Sonntag im Park spazieren war, habe ich gesehen, dass die Leute lesen, jonglieren oder mit dem Rad fahren. Irgendwie wirkten alle, trotz der Situation, für den Moment glücklich. Das war ein sehr schönes Bild. Wenn ich dann aber an Supermärkte, Apotheken und Co. denke, dann frage ich mich wirklich, wann wir zu solchen Egoisten geworden sind. „Ich, ich“ und „Meins, meins“ bekommt man da besonders häufig zu hören und sehen. Als ob wir nicht genug Essen auf der Welt hätten. Ansonsten bereiten wir uns in der WG vorsichtshalber trotzdem mal auf eine Quarantäne vor. Wir haben ein paar Vorräte gekauft, aber nicht übermäßig viel. Außerdem besorgten wir noch Farben, ein bisschen Blumenerde und ansonsten haben wir genügen Beschäftigungen im Haus, um uns gegenseitig zu therapieren. Positiv bleiben, ist das Wichtigste!“
Alisiya (25), Düsseldorf
„Seit dem 16. März läuft mein Vertrag für eine Masterarbeit, die ich zum Abschluss meines Toxikologie-Studiums in einem großen Unternehmen anfertigen wollte. Der Beginn ist durch die aktuelle Situation nicht mehr möglich. Es ist bisher nicht bekannt, ob und wann ich anfangen kann, da die Arbeit im Labor zur Zeit nicht stattfinden kann. Mir wurde zwar zugesichert, dass der Vertrag nicht aufgelöst wird, jedoch muss das Thema angepasst werden. Das heißt, ich könnte eine theoretische Arbeit anfertigen, was nicht meinem Wunsch entspricht, oder ich fange in einigen Monaten an, wenn sich die Lage beruhigt hat. Das ist zwar kein Weltuntergang, aber es widerspricht meinen Plänen. Es macht mich traurig, mich eventuell nicht mit meinem Wunschthema beschäftigen zu können. Wie viele andere werde ich mich in Geduld üben müssen.“
Sarah (20), Aachen
„Seit der Corona-Krise habe ich zum ersten Mal das Gefühl, dass ich aufgrund meiner Herkunft anders bin. Als Halb-Chinesin und Halb-Polin wuchs ich zum Teil in China und in Deutschland auf. Ich war immer stolz auf meine Wurzeln. Doch durch den Virus tauchten auf Instagram viele Videos auf, die zu Hetzereien führten. Beispielsweise die Aufnahme mit der Fledermaus-Suppe, die mir teilweise auch von meinen Freunden zugeschickt wurde. So was macht mich einfach sauer. Solche Informationen sollten nicht verbreitet werden, da sie nicht der Wahrheit entsprechen. Dieses Verhalten unserer Gesellschaft macht mir Angst. Meine Storys nutze ich dafür, um die Leute zu informieren und auch zum Nachdenken anzuregen. Hass zu verbreiten ist in Zeiten wie diesen einfach der falsche Weg. Doch seitdem ich mich persönlich betroffen fühle, ist die Hemmschwelle viel größer, meine Meinung zu äußern. Nicht nur in den Sozialen bekomme ich die Folgen zu spüren. Im Bus setzen sich die Leute teilweise von mir weg oder halten sich die Nase zu. Das löst in mir große Paranoia aus, wenn ich mich in der Öffentlichkeit aufhalte. Meiner Mutter ergeht es nicht anders. Ihre Abteilungsleiterin unterstellte ihr, dass sie die größte Gefahr im Büro sei. Ihre Kollegen schauen sie angewidert an oder machen Witze. Doch sie weiß, dass die Angst in der Natur des Menschen liegt und sie nur aus Selbstschutz heraus so reagieren. Vor der Infektion an sich habe ich überhaupt keine Angst, viel eher vor der Diskriminierung, die ich und andere Asiaten erleben werden. Nun bin ich seit einigen Tagen mit meinem Freund zuhause und sitze die Zeit einfach aus, um weitere Infektionen zu verhindern.“
Maurice (26), Paris
„Ich schätze, meine Sichtweise auf die Corona-Situation ist ein bisschen speziell. In den letzten drei Jahren lebte ich sehr isoliert von Familie und Freunden. Wenn ich in Paris bin, führe ich ein intensives, soziales Leben. 2016 verlies ich meine Stadt und wechselte fortlaufend meinen Wohnort. Erst New York, dann Kopenhagen, Katar, Abu Dhabi und zuletzt Düsseldorf. In dieser Zeit hatte ich nicht wirklich die Zeit, eine tiefe Verbindung zu den Orten herzustellen. Ich lernte somit, die Einsamkeit zu genießen. Ich gewöhnte mich immer mehr daran, an die Freizeit und die Unabhängigkeit, die sie mir gibt. In diesen tiefen und einsamen Momenten finde ich als Künstler meine kreative Energie. Als dann die Sache mit dem Virus anfing, flippten alle aus. Panik trat auf, dass man auf einmal isoliert leben müsste. Die Leute fingen an, sich sehr intensiv in den sozialen Medien darüber auszutauschen. Man schaute nach, ob es den Leuten gut geht, und teilte noch mehr Geschichten über Instagram und WhatsApp mit, wie nie zuvor. Und es wird von der Gesellschaft akzeptiert, in die alltäglichen Gewohnheiten der Menschen einzugreifen und so viele persönliche Informationen preiszugeben. Das auf eine so neue Art und Weise, da so etwas noch nie vorkam. Allerdings und ich kann hier nur für mich sprechen, denke ich, dass mein Alleinsein vorher von höherer Qualität war. Als noch alle damit beschäftigt waren, ihr nicht-digitales soziales Leben zu managen. Ich fühle mich überwältigt von Menschen, die die Isolation für sich entdecken und sich darauf vorbereiten. Aus diesem Grund versuche ich, meine Gefühle bezüglich der durch Corona verursachten Einsamkeit aufzuschreiben.“
Und btw, falls doch mal Not auf der Brille herrscht:
Magste? Dann check doch mal das hier:
Mein Weg zum wahren Selbst
Warum wir ohne Vorbilder öfters mal im Klo landen
Gedankenschleife
Autor:innen
Ist in Nürnberg aufgewachsen, brach erfolgreich drei Studiengänge ab und entdeckte ihre Leidenschaft für den Journalismus durch ein Praktikum in einer Musikredaktion. 2019 gründete sie das DIEVERPEILTE-Magazin. Themenschwerpunkte sind Mental Health, Krankheiten, soziale Ungerechtigkeit, Sexualität und Drogen.