Ich begegnete Piet auf Korfu. In der Villa KaliMeera war das, ein Familienhotel in Marathias. Da arbeitete ich im Sommer 2021 als Naturpädagogin. Schwitzende Männer, die mit schweren Maschinen Olivenholz zurechtschneiden, achtzehn Kinder und vier Betreuerinnen, die bewaffnet mit Pinsel und Farbe, die massiven Tore der Schreinerei bemalen. Dazwischen dampfende Souvláki, fünfundzwanzig Hunde, eine undefinierbare Anzahl an Katzen und meine Canon. So sah unser Kinderprogramm eines Mittwochs im Oktober aus. Piet ist acht Jahre alt und geht in die dritte Klasse einer Berliner Grundschule. Sein erstes Foto machte er vermutlich mit der Handykamera seiner Mutter, mit der er die Kochplatte seiner Kinderküche fotografierte. Die erste eigene Kamera schenkte ihm seine Kita – da war er noch nicht mal drei. „Wir haben sie so lange für ihn aufbewahrt, dass der Film schon nicht mehr gut war“, erzählt seine Mutter.
Mit vier Jahren probierte Piet die Einwegkamera zum ersten Mal aus. Das war im Harz. Die dort entstandenen Bilder ließen seine Eltern im Anschluss entwickeln. „Sie waren leider alle unscharf“, erinnert sich die Mutter. Später, mit sechs Jahren, schenkten ihm seine Eltern eine Nikon Coolpix: „Auf einer Harz-Reise haben wir eine Familie kennengelernt. Das Kind hatte eine Coolpix und so haben wir dann nächste Weihnachten auch Piet eine geschenkt.“

Ich weiß noch, wie mir Piet von der Unterwasserkamera erzählte. Das war am Freitag. Grund dafür war ein Erlebnis am Mittwochabend, als ich in meinem Bett lag und die Fotos unserer Malaktion anschaute. WOW, dachte ich, wer hat diese Bilder gemacht? Während ich über die Monate Juni bis November die Leitung des Kinder- und Jugendprogramms hatte, wurde es für mich und die Kinder zur Selbstverständlichkeit, dass meine Canon EOS 60D frei zugänglich war für alle, die sich daran ausprobieren wollten. Zu Beginn unserer Treffen stellte ich meine Kamera vor und platzierte sie an einer sichtbaren Stelle. War es leichtsinnig von mir, den Kindern eine Spiegelreflex in die Hand zu drücken? Vielleicht. Aber Kinder brauchen Vertrauen. Und ich finde es schön, wenn sie die Möglichkeit haben, sich kreativ entfalten zu können. Als ich dann erfuhr, dass Piet es war, der die Fotos gemacht hatte, war ich beeindruckt. Das überraschte mich: Wie viele Drittklässler achten auf die Fototechnik beim Fotografieren ihrer Motive? „Meine Eltern sind Fotografen“, antworte er auf meine Frage, wo er das gelernt habe. Fasziniert und gleichzeitig ein bisschen neidisch darüber, dass Piet mit seinen acht Jahren schon die Möglichkeit hat, von Profis zu lernen, lächelte ich ihn an und fragte, wie ihm meine Canon gefallen hat: „Ich finde sie toll.“
So kam ich auf die Idee, Piet und seinen Eltern, den Fotograf:innen, anzubieten, seine Fotos in Form einer Fotostrecke bei uns zu veröffentlichen. Sie dokumentiert das Kinderprogramm eines Mittwochs auf Korfu im Hof der Schreinerei. Darauf zu sehen ist wenig Farbe, dafür Kinder, die Tiere streicheln und die Tiere selbst. Der 8-jährige Grundschüler hat darüber hinaus ein paar Worte über sich und die Fotografie geschrieben. Inzwischen stellte sich heraus, dass Piet’s Eltern niemals als Fotograf:innen tätig waren. Seine Mutter ist Sozialwissenschaftlerin, der Vater Jurist. Für den 8-Jährigen könnte die Fotografie demnach zu einem Lebensprojekt werden. Auch außerhalb seiner Fantasie.








Alle Fotografien © Piet „Menschen, Hunde und Katzen“ 2021 (Edited by: Lea May und Teresa Vollmuth)

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Autor:innen
Ist in Nürnberg aufgewachsen, brach erfolgreich drei Studiengänge ab und entdeckte ihre Leidenschaft für den Journalismus durch ein Praktikum in einer Musikredaktion. 2019 gründete sie das DIEVERPEILTE-Magazin. Themenschwerpunkte sind Mental Health, Krankheiten, soziale Ungerechtigkeit, Sexualität und Drogen.