Das Erste, was ich heute Morgen beim aufs Handy schielen gesehen habe, war: Eine Nachricht von A! Ich habe mich total gefreut. Seitdem ihr Baby auf der Welt ist, bleibt nicht mehr viel Zeit für lange Telefonate oder Roman-Nachrichten in WhatsApp. Ist auch klar, aber so viele beste Freundinnen hat man eben nicht und ehrlich gesagt fehlt sie mir ganz schön.
Unterschiedlicher könnten unsere Leben gerade kaum sein: junge Mama in New York versus schreibende Single-Frau in Köln. Habe mich also wahnsinnig gefreut, von ihr zu hören. Die Freude hielt aber leider nur kurz. In ihrer Nachricht stand nämlich, dass sie die ganze Woche nur geheult hat – „,wenn du also mit aller Gewalt ganz schnell viel älter aussehen möchtest, kann ich ein Baby empfehlen!“ Wow. Ich kenne ihren Humor, weiß, wie sie schreibt und auch, dass das eine frustrierte Momentaufnahme und total normal ist. Tut mir trotzdem leid. Auf den Bildern sieht sie immer so happy aus. Kaum ein Foto, auf dem das Baby nicht strahlt, kaum ein Bild, auf dem sie nicht wie das Covergirl eines Modemagazins aussieht. An Perfektion kaum zu übertreffen, hab ich gedacht. Und irgendwie kann ich nicht mehr aufhören, darüber nachzudenken, dass die Realität vielleicht doch nicht ganz so rosarot und kunterbunt ist.
Vor allem aber kann ich nicht aufhören, darüber nachzudenken, dass sie glaubt, dass sie jetzt viel älter aussieht. Mein erster Impuls: Als ob! Dann merke ich: Kenn ich die Angst. Nach dem letzten Typen, der mich durch ein Tal der Tränen geschickt hat, habe ich das auch gedacht. Dafür braucht man also gar kein Kind. Oder ist das hier was anderes? Fühlt sie sich gar nicht unattraktiv, weil sie geweint hat und müde ist, sondern weil sie jetzt Mama ist und weil classy „Mütter“ eben oft nicht gerade als wild, abenteuerlustig und „fickbar“ gelten, sondern eher als Wäsche waschende, kochende, stillende Frauen, die keine Zeit haben, sich die Haare zu waschen?
Je länger ich drüber nachdenke, desto mehr tut mir weh, wie A. sich sieht und wie ungerecht sie zu sich ist. Sie hat so was nämlich schon mal gesagt, ziemlich beiläufig. Da hatte ihr Freund schlechte Laune. An sich kein Ding, bis sie sagte, das könne sie verstehen, weil es ja auch ein bisschen langweilig sei mit einer „Alten, die den ganzen Tag im Gammel-Look mit dem Baby spielt“. Klar, war sarkastisch gemeint – oder vielleicht doch nicht? Schon als A schwanger war, hat sie sich viel Mühe gegeben, dass man das nicht sieht. Hat man auch nicht – die Frau hat Modelmaße, mit und ohne Babybauch. Trotzdem war auch die kleine Mini-Wölbung, die sich dann doch nicht komplett vermeiden ließ, immer in weite Kleider gehüllt. Ich fand, das sah gut aus. Weil sie immer gut aussieht, weil sie immer strahlt, total positiv, hilfsbereit, klug und toll und so oder so einer meiner Lieblingsmenschen ist. Umso beschissener fühle ich mich jetzt, sie dafür bewundert zu haben, dass sie so „gut aussieht“. Und das auch noch lautstark.

Wäre ich eine echte Freundin gewesen, hätte ich vielleicht mal gesagt, dass es vor allem superschön und spannend ist, dass sich ihr Körper verändert und was der alles kann. Das fand ich auch, aber irgendwie schien mir das nicht das, was man eben sagt und auch nicht das, was sie hören wollte. Wie traurig. Und dumm. Was läuft da falsch, in meinem Kopf?
Dieser Text erschien zuerst auf DIEVERPEILTE.

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