Die Finsternis kommt nicht auf einen Schlag. Sie sickert unbemerkt in unsere Mitte, Tropfen für Tropfen speist sie das Zwielicht, bis es mit einem Mal dunkle Nacht ist. In Lauras Leben begann der Einbruch der Finsternis über eine Zweigstelle des Universellen Lebens in einer Großstadt in Österreich. «Ich war sieben Jahre alt, als wir nach Deutschland zogen – es war schrecklich, meine Großeltern, Tanten, Cousinen und Kindergartenfreunde zu verlassen», erinnert sie sich zurück.

Es ist ein warmer Frühlingsabend, als ich mit Laura und zwei weiteren Freunden auf der Terrasse meiner Tante sitze. Einige Jahre ist es nun schon her, seitdem ich meine Freundin zuletzt gesehen habe. Nur, dass unser langersehntes Zusammensein diesmal eine schicksalhafte Geschichte mit sich bringt. «Wie war das damals noch mal mit der Sekte..?», frage ich Lary, meine beste Freundin, die ebenfalls ein Gläschen Wein mit uns schlürft. Ihre Familie schloss sich vor einigen Jahren der Glaubensgemeinschaft an. Ich weiß noch, wie es mir die Sprache verschlagen hat, als sie mir zum ersten Mal von ihrer schockierenden Vergangenheit erzählte, die hinter ihrer fleischlosen Ernährung liegt. Der Grund für ihren Vegetarismus liegt zum einen darin, dass die religiöse Bewegung der Ansicht ist, dass man den Zustand des “fortgeschrittenen Gott-Menschen” schneller erreicht, wenn ihre Anhänger auf “irdische Dinge” wie bestimmte Lebensmittel – Fleisch – verzichten.

Was auf brutale Weise durchgesetzt wird. In der mit sich führenden Privatschule “Lern mit mir” werden die Essensgewohnheiten der Kinder in einem Schulfach namens “Innere Religion” umgepolt. Dort spielen sie den Kleinen unter anderem Videos vor, in denen Tiere abgeschlachtet werden. Lauras einstig fröhliches Gesicht, nimmt einen dunklen Ausdruck an, als sie mir anvertraut: «Ich glaube, ich war zwölf Jahre alt, ich weiß es nicht mehr genau. Mir war nie bewusst, dass das Schnitzel auf meinem Teller von einem toten Tier stammt. Nach diesen Videos bin ich zur Vegetarierin geworden. Mir wurde bei dem Anblick von Fleisch übel. Albträume über das Schlachten von Tieren kamen gelegentlich vor». Dunkle Gedanken schleichen sich in mein vorher noch so sonniges Gemüt ein. Und Fragen. Viele Fragen.

Ganz vorne mit dabei, was Menschen eigentlich dazu bewegt, ein Teil einer solchen Glaubensgemeinschaft zu werden. «Meine Mutter dachte damals, dass der Glaube das Richtige für sie ist. Das denkt sie auch heute noch», klärt mich Laura auf. Diese Gemeinschaften sind besonders für jene wichtig, denen im sozialen Umfeld die Vereinsamung droht. Die meisten Mitglieder waren einst auf der Suche nach Besserung, manche suchten Zuflucht, wenige waren sich darüber im Klaren, welche Auswirkungen dies auf ihr Leben haben könnte. Doch erst mal ist es eine unschuldige Hoffnung, eine menschliche Lücke, die sich die Gründerin und “Prophetin” Gabriele Wittek zunutze macht. Bei den Kindern beginnt die Manipulation bereits in der Schule, mithilfe der „goldenen Regel“, die etwa lautet: “Was du nicht willst, dass man dir tu’, das füg’ auch keinem anderen zu”.

Hinzu kommt, dass die Schüler mit einem Lernkonzept heranwachsen, das ihnen zwar einerseits ein nachhaltiges Wissen verabreicht und auch Talente fördert, doch andererseits erreichen sie damit nicht den Bildungsstandard, der in Deutschland üblich ist. «Als ich mein Fachabitur an einer Berufsoberschule nachholte, habe ich gemerkt, dass es nicht machbar ist, den Lernstoff, welchen die Schüler bereits aus der Realschule kannten nachzuholen. Der Schulstoff der “Lern mit mir”-Schule ist deutlich abgespeckter, im Vergleich zu anderen Schulen. Sehr früh konnte ich dem schulischen Druck nicht standhalten und wechselte wieder zu meinem gelernten Beruf», sagt sie.

Das Bild vom Universellen Leben als einem spirituellen Märchenland bekommt mit dem Fakt, dass die Anhänger in Wohngemeinschaften leben sollen, schnell Risse. Im Gegensatz zu „normalen“ Familien ist es den Anhängern nicht gestattet, ein eigenes Heim zu haben. Als ich eine freie Minute finde, suche ich die Homepage der Sekte im Internet heraus. Beim näheren Hinsehen muss ich schon zweimal lesen, damit ich das Gelesene auch ja richtig verstanden habe. Sie schreiben: “Im Universellen Leben geht es nicht darum, Menschen zu Mitgliedern einer Glaubensgemeinschaft zu machen. Es soll niemand an eine äußere Institution gebunden werden, denn der freie Geist, die All-Intelligenz, der Urewige Schöpfergeist, den viele Gott nennen, ist Freiheit und steht über allen religiösen Gebilden und Vorstellungen der Menschen”. Ich frage mich, ob sich die Glaubensgemeinschaft darüber im Klaren ist, was Freiheit eigentlich bedeutet? Nur um sicherzugehen, dass ich nicht völlig daneben liege, frage ich Google, was man unter Freiheit versteht: “Freiheit wird in der Regel als die Möglichkeit verstanden, ohne Zwang zwischen unterschiedlichen Möglichkeiten auszuwählen und entscheiden zu können”. Einen freien Willen konnte ich aus dem bisher Gesagten jedoch nicht heraushören. Oder inwiefern stehen Wohngemeinschaften und aufgezwungener Vegetarismus für Freiheit?

Sekten wie das Universelle Leben verbreiten irrationale Ansätze, die Menschen aus der ganzen Welt erreichen. Wie beispielsweise aus der Schweiz, Italien oder Österreich. Dabei finanziert sie sich hauptsächlich durch ihre zahlreichen “Christusbetriebe”, sowie über den Online-Lebensmittelhandel Lebe Gesund. Zudem werden Anhänger dazu aufgefordert, ihren eigenen Besitz, sei es das Haus oder das Vermögen, dem universellen Leben zu vermachen. «Meine Mutter arbeitete für die Sekte. Ihr Einkommen war im Vergleich zu den geleisteten Arbeitsstunden sehr gering. Es gibt das Friedensland in Greußenheim, wo Lebensmittel friedvoll angebaut werden. An den wenigen freien Tagen hat meine Mutter im Friedensland freiwillig – unbezahlt – mitgeholfen, das Land “aufzubauen”. Im Nachhinein habe ich erfahren, dass ein Teil unseres Vermögens zum Aufbau an das Friedensland gespendet wurde», berichtet Laura.

Nach allem, was passiert ist, fällt es Laura nicht schwer, Vertrauen zu fassen. Früher war das anders. «Ich habe damals nicht offen darüber gesprochen, ich habe versucht, es zu verheimlichen. Ein paar engere Freunde haben es, durch die WG in der wir gelebt haben, mitbekommen, was für sie kein Problem war», gesteht sie. Was ich nicht wusste, ist, dass sich meine Freundinnen durch ihre erste Wohngemeinschaft kennenlernten. Dort übten sie gemeinsame Hobbys aus, wie etwa zusammen Tanzen.« Mit der Zeit wurden wir immer vertrauter und ich freue mich sehr, sie heute als eine sehr gute Freundin in meinem Leben zu haben», ergänzt Laura.

«Ich war zwanzig Jahre alt, als meine Mutter sich dazu entschloss, das Universelle Leben zu verlassen. Wir mussten lange Zeit auf sie einreden und ihr beweisen, dass das Leben noch so viel mehr zu bieten hat. Das Austreten verlief ziemlich unkompliziert. Man ist lediglich nicht mehr in den Einrichtungen des Universellen Lebens erwünscht», erinnert sich Laura. Mittlerweile ist es 23 Uhr. Ich puste die Kerze aus, schaue meiner Freundin wehmütig in ihre warmen braunen Augen und umarme sie fest zum Abschied. Viele haben bei dem Gedanken an eine Sekte schlimme Bilder im Kopf, aber genau darum sei es meinen Freunden nicht gegangen. Sie haben ihr Schicksal akzeptiert und versucht, das Beste daraus zu machen. Was ihnen gelungen ist!

 

Zum Schutz der Anonymität meiner Interviewpartnerin habe ich einige persönliche Details geändert.
Weitere Berichterstattungen folgen.

 

 

Der Trägerverein „Das Universelle Leben Aller Kulturen Weltweit e.V.“ Deutschland hat einige Hundert Mitglieder. Der Verein wurde am 30.10.1985 in Frankfurt eingetragen, um als Trägerverein für soziale Einrichtungen, wie z.B. Schulen und Kindergärten oder soziale Dienste, und um als Mieter für Veranstaltungsräume anerkannt zu werden. Er wirkt auch international für die Verbreitung des geistigen Gutes. Der Verein verfolgt ausschließlich gemeinnützige Zwecke. (Quelle: www.universelles-leben.org)

 

 

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Ist in Nürnberg aufgewachsen, brach erfolgreich drei Studiengänge ab und entdeckte ihre Leidenschaft für den Journalismus durch ein Praktikum in einer Musikredaktion. 2019 gründete sie das DIEVERPEILTE-Magazin. Themenschwerpunkte sind Mental Health, Krankheiten, soziale Ungerechtigkeit, Sexualität und Drogen.

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