Plötzlich war ich ein kleines Fenster auf dem Bildschirm. Mit sieben anderen kleinen Fenstern und einem Großen. Die Begrüßung war noch freundlich, doch allmählich kippte die Stimmung. Selbst diese Entwicklung war nur eine Illusion, viel eher kamen die wahren Farben dieses Auswahlprozesses zum Vorschein. Es dauerte scheinbar noch diesen einen Augenblick, nachdem der Lichtschalter schon umgeknipst war, dass dann das Licht tatsächlich anging und den Raum mit den Gegenständen der Gegenwart sozusagen füllte. Ich saß also da, vor meinem Laptop am Schreibtisch, mein Gesicht groß, es füllte fast man ganzes kleines Fenster aus den Herrschaften der Angewandten gegenüber. Nichts vorbereitet. Ich hatte nichts vorbereitet. Ungefiltert. Echt. Das Gespräch sollte als vollendete Metapher in einer Reihe mit den bisherigen Abgaben meinerseits den letzten Schritt der Anmeldungsprüfung manifestieren. Doch wer hätte geahnt, dass sich sieben Intellektuelle bzw. elitäre Künstler:innen hier versammeln? Ich war wirklich naiv genug zu glauben, dass das ein gemütliches Kaffeekränzchen zu zweit oder dritt wird.
Die Überraschung darüber, wie sie mit all ihrer gebündelten Geisteskraft eine Entscheidung trafen. Einen Beschluss, den sie so bereuen, dass sie es, während sie mit der Konsequenz ihrer Neugier ausharren mussten, während dieses letzten Gesprächs nicht mehr unterdrücken konnten. Ein blinder Passagier, der ihnen wiederholt die geheimen Ecken des Menschen zeigt und sich auch nicht davor scheut, die Exkremente fremder Tiere als künstlerischen Ausdruck zu präsentieren. Ein Meisterstück, wenn man bedenkt, dass der Elite genau das widerfahren ist, was sie sonst dem Fußvolk tagtäglich in frohlockender, arroganter Anmut antut. Ein Trauerspiel für die Vernunft, eine demütigende Niederlage der Fassade. Es ging nicht mehr. Es war nicht tragbar. Irgendwer hatte versagt. Jemand hatte nicht nachgegeben. Nun standen sie vor ihrer institutionalisierten Fehlgeburt. Ein totes Stück Fleisch mit blauen Lippen. Nein, man konnte keine Worte, keine Floskel finden, um die hervorgerufenen Gefühle in dieses Gespräch zu pressen, deswegen wiederholte man. Man verlor sich zwischen Wörtern zwischen Beistrichen. Man ging noch mal zurück. Zurück zur ersten Bemerkung. Es stimmte irgendwas nicht zusammen. Wer hatte das zu verantworten?
Ich hatte keine Ahnung. Ich hatte wirklich keine Ahnung. Keine Ahnung vom Prozess. Keine Ahnung von Fotoapparaten. Keine Ahnung von Belichtungszeit. Keine Ahnung von den Auswahlkriterien. Keine Ahnung von der Arbeit. Keine Ahnung vom Bildungsangebot. Keine Ahnung vom Institut. Keine Ahnung, was ich mir erhoffte. Keine Ahnung, wieso überhaupt. Es war ein Witz.
Wieso haben Sie die Angewandte in Wien ausgewählt?, fragte mich die Vorständin des Instituts. Ja, weil ich in Wien wohne, sagte ich. Die Logik verursachte einen Kurzschluss wie ein Blitz. Das war unser erster Informationsaustausch. Mir gelang es gar nicht zu verstehen, mit welcher pornografischen Gewalt diese Worte schamlos auf die Haut dieser fordernder, sezierenden, eingeschulten, gruppierten, schweigenden, beobachtenden, fragenden, wiederholenden, schmunzelnden, verständnislosen Menschen traf.
Ein morbider Witz geht zu Ende. Eine Komödie endet im schlimmsten denkbaren Ausgang … alle haben überlebt, um diese Geschichte zu vergessen.
Dieser Text erschien zuerst auf DIEVERPEILTE / Foto: Bruno Trematore

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