Da stand ich nun im Badezimmer. In meiner Hand die Tabletten Packung. Aknenormin heißt das Medikament. Je nach Krankenkasse kann man auch Isogalen oder Isotretinoin bekommen. Heißen zwar alle anders, ist aber überall das gleiche drin, erklärte mir die Pharmazeutin.

Ich habe Angst, bevor ich die erste Tablette schlucke. 20 mg Isotretinoin pro Tag werde ich einnehmen müssen. Eine relativ geringe Dosis, allerdings bin ich auch sehr leicht und man muss ja auch erst mal schauen, wie ich darauf reagiere. Also wird das schon passen, denke ich. Zuvor habe ich mir zahlreiche Erfahrungsberichte und alle notwendigen Informationen durchgelesen. Dabei fand ich vor allem negative Berichte vor. Negativ ist schon fast zu harmlos ausgedrückt. Viele Patient:innen berichteten von Nasenbluten, rissigen und blutigen Lippen bis hin zu schweren Depressionen. Cool, dachte ich, ist ja nicht so, dass meine emotionale Stabilität schon zu wünschen übrig lässt.

Hinzu kommt, dass es sich bei der Therapie nicht nur um vier bis acht Wochen handelt. Nein, auf der Packungsbeilage stehen 16 bis 24 Wochen und in der Realität referieren die meisten Anwender:innen von mindestens sechs Monaten oder noch länger, je nachdem, wie gut die Therapie anschlägt. Allein die Vorstellung, dass ich über sechs Monate unter rissigen Lippen und täglichen Nasenbluten leiden könnte, ließ meinen Kopf nicht abschalten. Zumal diese Nebenwirkungen auch zu den Häufigsten gehörten.

Aber was macht man nicht alles für reine, strahlende Haut!?

Ich nahm also die erste kleine rote Kapsel ein und spülte sie mit einem großen Glas Wasser runter. Sofort breitete sich ein mulmiges Gefühl im Magen aus. Was wird mich nun erwarten? Ich hoffte einfach, dass ich verschont bleiben würde. Nach nur drei Tagen wachte ich mit den ersten Symptomen auf. Diese waren: trockene Lippen, trockene Nase, juckende Augen und ein trockener, gereizter Rachen. Wow, dachte ich mir, fängt ja schon mal richtig gut an. 

Die juckenden Augen, die trockene Nase und der gereizte Rachen legten sich innerhalb einer Woche wieder. Laut meiner Hausärztin passiert das regelmäßig, da sich Patient:innen schnell an die Medikamente gewöhnen. Meine trockenen Lippen blieben – und wurden schlimmer. Ich erinnere mich noch an den einen Morgen, an dem ich aufwachte und das Gefühl hatte, dass die obere Hautschicht meiner Lippen nicht mehr existent ist. Alles war angeschwollen und rot. Ich konnte kaum essen und nur durch einen Strohhalm trinken, weil jegliche Berührung höllisch wehgetan hat. 

Dieser extreme Zustand verbesserte sich zwar nach ungefähr drei Tagen, trotzdem sind seit dieser Zeit, Lippenpflege und Vaseline meine besten Freundinnen. Egal, wo ich war und bin, ich hatte und habe immer irgendwas dabei, um meine Lippen vollzuschmieren. Kleiner Tipp hier am Rande: Brustwarzensalbe bewirkt wahre Wunder, vor allem über Nacht, wenn man sich nicht alle 30 Minuten Lippenpflege draufpacken kann! 

Die trockenen Lippen sind, wie gesagt, etwas, womit ich mich immer noch rumschlage. Es ist jetzt allerdings auch schon fast normal für mich geworden, dass meine Lippen innerhalb von einer bis zwei Stunden austrocknen, wenn ich mich nicht um sie kümmere. Ich kann mir tatsächlich nicht mehr vorstellen, dass meine Lippen mal „normal“ waren und dass, obwohl ich damit nie Probleme hatte (außer vielleicht mal auf Festivals, aber das ist eh eine Ausnahmesituation). Abgesehen davon hatte ich bis dato nicht sonderlich viele Nebenwirkungen. Es begann dann allerdings, dass sich meine Haut sichtbar verschlechtert hat. Ich hatte das Gefühl – und nach einem Gespräch mit der Hautärztin hatte sich das auch bestätigt – dass sich alles aus meiner Haut rausdrückte. Nach ungefähr einem Monat sah sie „schlechter“ aus, als jemals zuvor. 

Drei Monate lang musste ich mich mit fiesen und entzündeten Hautunreinheiten rumschlagen. Ich wusste vorher schon, dass das passieren wird. In allen Erfahrungsberichten wurde das angesprochen. Irgendwo ist es auch logisch. Trotzdem hoffte ich die ganze Zeit, dass es bei mir nicht so schlimm wird. Ab einem bestimmten Punkt hatte ich jegliche Hoffnung verloren, dass es überhaupt besser wird. Bei jedem Besuch bei der Hausärztin wurde ich vertröstet mit „Ein bisschen musst du noch warten, dann wird es besser!“

Aber wann ist dieses Bisschen vorbei? Wie lange muss ich noch warten? 

Das witzige ist: Ich habe mir den Moment, indem ich eine sichtbare Hautverbesserung habe, so sehr gewünscht und so herbeigesehnt. Trotzdem weiß ich nicht mal mehr, wann genau das war. Ich selber habe es nicht mal so stark mitbekommen. Es waren eher Freund:innen, welche von meiner Therapie wussten, die mich darauf ansprachen, dass meine Haut ja wesentlich besser geworden ist. Das Traurige daran: Solche Sätze machten mich so glücklich! Was daran traurig ist? Reine und strahlende Haut sollte kein Faktor für gute Laune sein. Trotzdem beeinflussen uns „Komplimente“ zu unserer äußeren Erscheinung. Alleine schon, dass ich von einem Kompliment rede, zeigt, wie tief verwurzelt diese Ansichten sind. 

Dennoch bin ich froh, dass ich mit der Behandlung begonnen habe, vor allem auch, weil es meinem Selbstbewusstsein einen großen Push gegeben hat. Ich verstecke mein Gesicht nicht mehr, wenn ich das Gefühl habe, beobachtet zu werden. Ich denke auch nicht mehr, dass Leute meine Akne anstarren. Ab und zu kommen auch immer noch Unreinheiten hervor und ich würde meine Haut noch nicht als „perfekt“ bezeichnen – was auch immer das bedeutet. 

Ich habe allerdings noch ein paar Monate vor mir und bin gespannt, wie sich alles weiterentwickeln wird. Bis jetzt kann ich nur sagen, dass dieses Medikament extrem wirksam ist, damit aber starke Nebenwirkungen verbunden sind.

Illustration: osaydon 

Du bist ebenfalls gespannt, wie ein Flitzebogen, wie meine Behandlung zu Ende gehen wird? Dann stay tuned für ein letztes Update und eine Zusammenfassung meiner Isotretinoin-Therapie!

Dieser Text erschien zuerst auf dieverpeilte.

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Seit 2020 Redakteurin bei DIEVERPEILTE. Hat Kommunikationswissenschaften studiert und machte 2022 ihren Master in Journalismus. Themenschwerpunkte sind Gesellschaftspolitik, Mental Health und Musik.

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