Wieso ich schreibe? Auf diese Frage folgt keine Märchengeschichte; keine Geschichte, die euch erzählt, dass ich es schon als kleines Kind liebte, Detektivin zu spielen oder als Jugendliche fantasievolle Kurzgeschichten schrieb. Dem Grund, wieso ich schreibe, haftet etwas Pragmatisches an und er besteht zu großen Teilen aus einer harterkämpften Selbstermächtigung und einer spätentdeckten Leidenschaft.
Es lässt sich schon sagen, dass seit langem etwas in mir schlummerte. Ich fand Journalistinnen immer supercool und wollte sein, wie sie – bzw. wie sie in Filmen oder Büchern dargestellt wurden und wie ich mir das Journalistinnen-Leben dadurch eben vorstellte: Unendlich aufregend!
Ins Leben gestolpert
Wie so viele meiner Generation, wurde auch ich ohne ein Gespür für die berufliche Realität von der Schule in das Getümmel des Lebens entlassen. Ich sollte irgendwas studieren, arbeitete auf ein Medizinstudium hin (denn dank Grey’s Anatomy stellte ich es mir auch absolut aufregend vor, Ärztin zu sein). Mein Abi war allerdings „zu schlecht“, also studierte ich Bio. Schon im ersten Semester stellte ich fest, dass mir mein Leben mehr wert sein muss, als es der Leistungsdruck von mir verlangte.
Mit Anfang 20 hatte ich meine erste bewusst wahrgenommene Lebenskrise: mein Karriereplan stellte sich als Horrorplan heraus; ich hatte das Gefühl, meinen Vater enttäuscht zu haben; meine erste Beziehung mit meiner Jugendliebe ging in die Brüche; meine Mutter verlor ihren Job und wir verkauften das Haus, in dem ich meine Kindheit verbrachte und das Auto, in dem ich fahren lernte; meine Freunde starteten verteilt auf der Welt in ihre neuen Leben. Alles, was für mich Zuhause war, zerfiel in seine Einzelteile und ich stand inmitten der Trümmer, aus denen ich nun irgendetwas Neues schaffen sollte.
Eine verunsicherte innere Stimme
Dann machte sich ganz leise und verunsichert meine innere Stimme in mir bemerkbar und glücklicherweise hörte ich auf sie. Du musst weit weg von Zuhause gehen, an einen Ort, der dich glücklich macht! Also zog ich nach Kiel, ans geliebte Meer, an die für mich noch unerforschte Ostsee. Außerdem musst du lernen, diese Gesellschaft zu verstehen, denn sonst kommst du hier nicht klar! Also begann ich ein Studium in den Fächern Soziologie und Europäische Ethnologie.
Mein Studentenleben bestand aus vielen Höhen und Tiefen, aus kleineren und größeren Krisen. Ich erkannte wieder schnell, dass Leistungsdruck nichts in meinem Leben zu suchen haben sollte und verabschiedete mich so langsam von dem Erreichen einer ‚Regelstudienzeit‘. Ich studierte das Leben, meins und das der Menschen um mich herum. Wie soll ich das in einen engen zeitlichen Rahmen quetschen? Und überhaupt, was ist denn diese Zeit? Ich werde, wenn es gut läuft, 80 oder sogar 90 Jahre leben und muss niemandem irgendwas beweisen, sondern einfach nur versuchen, glücklich zu sein und im besten Fall wirkt sich das auf mein Umfeld aus und die Welt wird dadurch ein kleines bisschen besser.
Glück ist Wahrheit
Um dieses Glück zu erreichen, will ich nach der Wahrheit streben. Auch wenn sie unangenehm ist, möchte ich mich ihr entgegenstellen und ihr zeigen, dass sie mich nicht kleinhalten kann. Ich möchte sagen, was ich zu sagen habe und verstehen, was es zu verstehen gibt. Und ich möchte all das kreativ gestalten, den ewigen Wechsel vom Außen und Innen wahrnehmen und reflektieren. Ich möchte mich mit anderen austauschen und dadurch immer wieder neue Perspektiven einnehmen, um niemals auf meiner festgefahren zu sein.
All das fühle ich, wenn ich schreibe. Wenn ich hinaus gehe, mich selbstbewusst präsentiere, beobachte und verstehe, um dann in mich zu kehren, zu reflektieren und einer Wahrheit wieder mal ein Stück näher zu kommen. Diese von mir erkannte Wahrheit verpacke ich dann in Worte, trage sie hinaus, in der Hoffnung, dass sie diskutiert wird und sich in dieser dargestellten und maskierten Welt etwas in Bewegung setzt.
Wieso ich also schreibe? Weil es vermag, mich bis in meine kleinsten Zellen hinein zu erfüllen.
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