Ein plakativ gehyptes Datingportal ist meine Schwelle
ins Land der Verheißung. Das suggeriert es mir zumindest.
Mit allen Mitteln, die es designtechnisch zur Verfügung hat.
Optisch. Mit tiefen Einblicken in offensichtlich retuschierte
Brustansätze sympathisch lächelnder Frauen.
Richtiger Frauen. Mit richtigen Brüsten.

Oder testosteronstrotzend mit den wohlgeformten und
einseitig verschmitzt hochgezogenen Augenbrauen
charismatischer Männer. Richtiger Männer.
Männer, die noch Männer sind..

Denke ich.

Will ich das denken?
Oder denke ich, ich soll das denken,
weil das Plakat so „gemacht“ wurde? 
Interpretiere ich zu viel in sexistische Mainstream-Schubladen,
die ich als reihenweise Hirn-Schrankwände in
meinem eigenen Kopf mit mir herumtrage und mir dessen
nur ansatzweise oder gar nicht bewusst bin?

Sich den Spiegel vorhalten.. sagen „die Leute“, sei schwer.
Wo wir bei Synje sind. Synje, mein 11. Anlauf gegen die Wand.
Datingtechnisch gesprochen. Aber mit Karacho.

Meine aufgeblähten Nasenlöcher flattern brüskiert im Wind
als ich den zwei Stunden entfernten Zoo enttäuscht wieder verlasse.

Zwei Stunden! Einfache Fahrt..

Dafür, dass Synje mir nach zwei Monaten intensiven Schriftverkehrs
und zwei Stunden einfacher Fahrt durch Hurrikan Klaus sagt,
dass sie nur eineinhalb Stunden Zeit hat.
Für mich und unseren vor Wochen geplanten Zoobesuch.

Unser erstes Treffen.
Unbefriedigende eineinhalb Stunden.
Ganz im Ernst.. sie kann mich mal.

Synje, pfff..

Fand sie mich hässlich?
Habe ich mich dumm benommen?
Hätte ich lieber den mauvefarbenen Pulli anziehen sollen?
War ich nicht eloquent genug?
Hat sie gemerkt, dass ich in der ersten Millisekunde erschrocken darüber war,
wie alt sie tatsächlich aussieht?
Älter als auf den Fotos.
Die waren schon vorteilhaft.

Hm, ja.. genau. Vielleicht, war es das..?!
Das hätte mich schon irgendwie gestört.
Früher oder später.
Dann hätte ich wieder angefangen.
Mit der Suche nach ..

Glück!
Einer Seelenverwandt:in, welche mich ergänzt.
Und mir gibt, was ich brauche.
Jemand um mich komplett:zu:fühlen.

Synje .. naja. Hm ..
Sollte nicht sein.
Sie war eh nicht so mein Typ. Also in echt.

Die Lust mir einen neuen Sport-BH zu kaufen überkommt mich.
Oder zwei. Olivgrün wäre nicht schlecht. Mit magentafarbenen Rändern.
Wo sind meine Zigaretten? Hier.
Gott sei Dank..

Mein Handy vibriert. Es ist Synje.
Drei Tage später. Ob ich gut zurückgekommen bin.
Durch Klaus. Klaus, den Hurrikan.
Nach eineinhalb eigentlich ganz lustigen Stunden im Zoo.

Ich werde drei Tage warten, bevor ich ihr antworte.

Dieser Text erschien zuerst auf DIEVERPEILTE  / Foto: Jens Peters

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Ist seit 2021 Redakteurin & Lektorin bei DIEVERPEILTE. Arbeitet in einer onkologischen Tagesklinik und veröffentlichte 2020 ihr erstes Buch. Ihre Themenschwerpunkte sind Gesellschaft und Bewusstsein.

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One Comment on “Wissen wir, warum wir es uns unbewusst und mutwillig mit einer Person verkacken, weil diese unsere Erwartungen nicht erfüllt?”

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